Volker Bouffier

Wenn sich Ministerpräsident Bouffier verabschiedet, ziehen nicht alle eine positive Bilanz seiner Politiker-Karriere. Wir haben Kritiker um ein Fazit gebeten.

Am Montagabend wurde Volker Bouffier feierlich verabschiedet: 40 Jahre war er in der Landespolitik, elf als Innenminister, zwölf als Regierungschef. Auch bundespolitisch hatte er großen Einfluss: als zuletzt dienstältester Ministerpräsident und als Vize-Vorsitzender der Bundes-CDU.

Ob Oppositionspolitiker oder kritischer Journalist: hessenschau.de hat sie nach ihrer persönlichen "Bouffier-Bilanz" gefragt. Parteifreunde und Wegbegleiter kommen auch zu Wort, deren Statements finden Sie an dieser Stelle.

Der Oppositionsführer: "Glück bei Grünen und Weinköniginnenküssen gesucht"

Günter Rudolph ist Fraktionschef der SPD, der im Landtag größten Oppositionspartei. Seit 27 Jahren im Parlament, lieferte er sich zahlreiche heftige Rededuelle mit Bouffier.

"In jungen Jahren galt Volker Bouffier als [r]echter Haudegen, als Innenminister gab er den 'Schwarzen Sheriff', um dann als Ministerpräsident das Glück in der Jovialität gegenüber dem Volk, im Händeschütteln, Schulterklopfen und Weinköniginnenküssen zu finden - und natürlich in der Koalition mit den zuvor überaus ungeliebten Grünen.

Nicht alle haben ihm diese erstaunliche Verwandlung abgenommen. Und wahrscheinlich kennt nur seine Frau den wahren Volker Bouffier.

Der öffentliche Volker Bouffier jedenfalls hat stets das Bedürfnis, der ganzen Welt die Welt zu erklären. Je länger seine Amtszeit währte, desto länger wurden seine Reden. Nie käme es ihm in den Sinn, seine jahrzehntelange Erfahrung in quasi allen Feldern der Politik vor den Menschen zu verheimlichen, ob im Landtagsplenum, im Fernsehen oder im Wahlkampf. Wenn es nun still wird um Volker Bouffier, wird auch die Politik in Hessen etwas stiller werden."

Der Landtagskorrespondent: "Skandalöser Umgang mit NSU-Morden"

Pitt von Bebenburg, Chefreporter der Frankfurter Rundschau, war 17 Jahre lang Landtagskorrespondent. Für seine Recherchen zur "NSU 2.0“-Affäre" erhielt er den Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus.

"Es hätte viele gute Gelegenheiten gegeben für Volker Bouffier, mit Anstand zurückzutreten. Nicht nur, nachdem sein skandalöser Umgang mit den NSU-Morden und der Anwesenheit eines hessischen Verfassungsschützers am Tatort des Mordes an Halit Yozgat bekannt geworden war.

Skandale pflastern die Laufbahn des Ministerpräsidenten. Manch anderer wäre zum Rücktritt gedrängt worden. Aber nicht so bei der Hessen-CDU, die sich in Jahrzehnten der erbitterten Opposition zum 'Kampfverband' entwickelt hat und darauf stolz ist.

Der Christdemokrat ist zuletzt moderater aufgetreten, insbesondere seit er mit den Grünen regierte, die ihn einst hart kritisiert haben. Er hat alle Attacken durchgestanden. Doch irgendwann endet jede politische Karriere. Sogar die des scheinbar ewigen Volker Bouffier."

Der Fraktionschef des Ex-Koalitionspartner: "Viel Mittelmaß"

René Rock ist Fraktionschef der FDP. Mit den Liberalen regierte Bouffier in seinen ersten Amtsjahren, bis Schwarz-Gelb 2013 die Mehrheit verlor und es zu Schwarz-Grün kam.

"Ein Konservativer, der austeilen konnte und SPD und Grünen als Feindbild diente - so habe ich Volker Bouffier wahrgenommen, als ich 2008 in den Landtag kam. Durch Schwarz-Grün ist er ein anderer geworden.

Er hat den Kampf der Lager beendet, aber auch etwas von seinem politischen Instinkt verloren. Am Ende der Ära Bouffier ist Hessen in vielem nur Mittelmaß, denn er hat Hessen verwaltet, ohne große Projekte auf den Weg zu bringen. Man muss aber anerkennen, dass viele Menschen seine emotionale Art, Politik zu machen, mögen.

Eine persönliche Erinnerung: Dass ich in einem HR-Interview gesagt hatte, dass ich lieber mit Thorsten Schäfer-Gümbel Kaffee trinken wolle, weil ich da eher zu Wort käme, wollte er nicht auf sich sitzen lassen und hat mich zu sich zu einem sehr netten Essen eingeladen."

Der Landeschef der Linken: "Alten Schützengräben verhaftet"

Jan Schalauske ist seit 2014 Landesvorsitzender der Linkspartei und seit vergangenen Herbst Co-Vorsitzender der Landtagsfraktion.

"Volker Bouffier hat erst als Innenminister und dann als Regierungschef in Hessen die Landespolitik sehr lange maßgeblich mitgeprägt. Mit Blick auf seine angeschlagene Gesundheit eine beachtliche Leistung. Allerdings in einer Weise, die den Vorstellungen der Linken meist diametral entgegenstand. Zahlreiche Skandale sind mit seinem Namen verbunden.

Als ehemaligem rechten Hardliner gelang es ihm, das Regierungsprojekt Schwarz-Grün recht geräuschlos auf den Weg zu bringen. Er sorgte mit dafür, dass die besonders konservative CDU in zentralen Politikfeldern die Marschrichtung vorgab und die Grünen viele ihrer Wahlversprechen in die Tonne traten.

Auch wenn er für die CDU den alten Schützengräben des Kalten Krieges leidenschaftlich verhaftet blieb, sind wir mit ihm persönlich deutlich besser zurechtgekommen, als mit seinem Vorgänger Roland Koch, der den größten Sozial- und Demokratieabbau in der neueren Geschichte Hessens zu verantworten hat."

Der Landeschef der AfD: "Abbau konservativer Werte"

Robert Lambrou ist Landesvorsitzender der AfD und seit deren Einzug in den Landtag 2018 ihr Fraktionschef.

"Mit Volker Bouffier tritt der dienstälteste Ministerpräsident der Bundesrepublik ab. In dieser Zeit hat Bouffier große Popularität in der Bevölkerung erlangt. Gleichzeitig ist seine Amtszeit auch mit dem schleichenden Abbau konservativer Werte verbunden.

Bei vielen Themen wie Masseneinwanderung, Integration, der inneren Sicherheit sowie der Verkehrs- und Wohnungsbaupolitik sehe ich keine ausreichenden Fortschritte. Die Koalition der CDU mit den Grünen hat den Abbau konservativer Positionen teilweise beschleunigt. Das hat wohl dazu geführt, dass viele konservative Wähler eine Koalition sehen, in der die CDU wie der Juniorpartner der Grünen wirkt."

Weitere Informationen

Die Wahl des neuen Ministerpräsidenten im hr

Am Dienstag, 31. Mai, zeigt das hr-fernsehen ab 13 Uhr die Wahl des neuen Ministerpräsidenten, der Stream wird auch auf hessenschau.de zu sehen sein. Und um 20.15 Uhr stellt sich Boris Rhein in einem "hessenschau extra: Was kommt, Herr Rhein?" den Fragen von Ute Wellstein, Leiterin des hr-Landtagsstudios in Wiesbaden.

Ende der weiteren Informationen
Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen