Eine Kriminaloberkommissarin beim Polizeipräsidium Mittelhessen sitzt vor einem Auswertungscomputer, im Kampf gegen Kinderpornografie und sexuellen Missbrauch.  (dpa)

Eine eigene Einheit beim Landeskriminalamt bekämpft sexualisierte Gewalt gegen Kinder. Bei mehr Befugnissen der Ermittler könnten die Erfolge größer sein, sagen die CDU-Ministern Beuth und Poseck. Die FDP sprich von Populismus, aber auch der grüne Koalitionspartner ist sauer.

Seit dem Jahr 2020 kümmert sich in Hessen eine spezialisierte Einheit beim Landeskriminalamt (LKA) um die Entdeckung und Aufklärung von Fällen sexuellen Missbrauchs und Kinderpornografie. Die rund 300 Ermittler haben seitdem nach Angaben des Innenministeriums dafür gesorgt, dass 46 Haftbefehle gegen Beschuldigte ergingen. Es kam zu rund 3.300 Durchsuchungen, fast 50.000 Datenträger wurden sichergestellt.

"Wir haben damit den Verfolgungsdruck auf Kinderschänder spürbar erhöht", sagte Innenminister Peter Beuth am Montag. Gemeinsam mit Justizminister Roman Poseck (beide CDU) war er bei der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) FOKUS. Die Abkürzung steht für "Fallübergreifende Organisationsstruktur gegen Kinderpornografie und sexuellen Missbrauch von Kindern".

Dort machten die beiden Unionsminister klar: Ihrer Meinung nach wäre die Bilanz noch viel besser, wenn die Ermittler mehr Handhabe hätten. Ihr Plädoyer für die umstrittene Vorratsdatenspeicherung verärgert zu Wochenbeginn auch die Grünen als Koalitionspartner.

Die meisten Hinweise digital aus den USA

Hinweise erhalten die hessischen Ermittlungsbehörden laut Beuth vor allem auf digitale Spuren: von Internetdienstleistern, in den allermeisten Fällen aber von der US-amerikanischen Organisation "National Center for Missing and Exploited Children" (NCMEC). Die Behörde werde von Internetprovidern über mutmaßliche Missbräuche informiert.

Seit dem Jahr 2018 sei die Zahl dieser Meldungen an die hessischen Strafverfolger um rund 1.300 Prozent angestiegen. In allen diesen Fällen stellten digitale Spuren wie Bilder und Videos mit Darstellungen von sexualisierter Gewalt an Minderjährigen den ersten und meist einzigen Ermittlungsansatz für die Strafverfolger dar.

Datenspeicherung: Beuth spricht von "Schande"

Deshalb erneuerte Beuth die Unionsforderung nach einer Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen. "Es ist eine Schande, dass unseren Ermittlern im Kampf gegen Kindesmissbrauch das dringlichste und wichtigste Ermittlungswerkzeug verwehrt ist", sagte der Minister.

Wie das Bundeskriminalamt gehen auch Hessens Ermittler davon aus, deutlich mehr Fälle mit Hilfe gespeicherter Daten lösen zu können. Die Erfolgsquote könne dann mehr als 90 Prozent betragen. Die Bundesregierung muss daher laut Beuth endlich dafür sorgen, dass IP-Adressen für die Strafverfolgung schlimmster Verbrechen länger von den Telekommunikationsanbietern vorgehalten werden müssen. Der CDU-Politiker kündigte an, auf der anstehenden Innenministerkonferenz die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eindringlich dazu auffordern, nun endlich zu handeln.

Unterstützung erhielt Beuth von Justizminister Poseck. Das Schützen von IP-Adressen vor einer zu schnellen Löschung zur Bekämpfung von Kinderpornografie sei unerlässlich. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) dazu eröffne die Möglichkeit, den Providern aufzugeben, IP-Adressen bei schweren Straftaten nicht sofort zu löschen, sondern zu speichern.

Besuch bei FOKUS: Justizminister Poseck (v.r.), Innenminister Beuth und Landespolizeichef Schäfer

EuGH bremste

Der Europäische Gerichtshof hatte allerdings im September der Speicherung von Telekommunikationsdaten zur Aufklärung von Straftaten in Deutschland enge Grenzen gesetzt. Die Richter urteilten, die derzeit ausgesetzte Regelung zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland sei mit EU-Recht unvereinbar. Sie erklärten aber zugleich, dass zur Bekämpfung schwerer Kriminalität eine Vorratsspeicherung der IP-Adressen unter bestimmten Bedingungen möglich sei.

Eine Absage erteilten die hessischen CDU-Minister der Position von Bundesjustizministers Marco Buschmann (FDP). Wenn dieser weiterhin lediglich auf das "Quick-Freeze“-Verfahren setze, ignoriere er die Meinung der Experten aus der Praxis: Das Instrument sei "für eine effektive Strafverfolgung untauglich".

SPD und FDP im Bund uneinig

In der auch innerhalb der Bundesregierung zwischen SPD und FDP geführten Debatte über größere Zugriffsrechte von Ermittlungsbehörden auf Daten strebt Buschmann einen Kompromiss an: Mit dem "Quick Freeze"-Verfahren sollen bei schweren Straftaten wie Mord, Erpressung oder sexualisierte Gewalt gegen Kinder Daten "eingefroren" werden können. Telekommunikationsanbieter würden verpflichtet, bei einem Anfangsverdacht Daten zu einzelnen Nutzern für einen bestimmten Zeitraum zu speichern.

Konkretisiert sich der Verdacht, dürften die Daten dann "aufgetaut" und verwendet werden. Neben der IP-Adresse stünden den Ermittlungsbehörden dann auch Verbindungs- und Standortdaten zur Verfügung.

Populismus-Vorwurf gegen Beuth

Das "Quick-Freeze"-Verfahren sei anders als die bisherigen Unionsvorschläge verfassungskonform und schließe eine Sicherheitslücke, hielt die FDP-Landtagsfraktion am Montag der Kritik Beuths entgegen. Die Forderung des Innenministers sei "billiger Populismus".

Die von der CDU gewünschte anlasslose Vorratsdatenspeicherung sei nun einmal wiederholt gescheitert. "Quick Freeze" stärke demgegenüber die Grundrechte, beende die Rechtsunsicherheit und habe weitere Vorteile: Habe der Richter dem Auftauen der Daten zugestimmt, könnten Ermittler nicht nur auf die IP-Adresse sondern auch auf Verbindungs- und Standortdaten zugreifen.

Grüne beklagen "unsachliche Spitzen"

Aber nicht nur die Opposition reagierte negativ. "Erneut geben die beiden Minister beim Thema Vorratsdatenspeicherung nicht die Meinung der Koalition, sondern ihre eigene Meinung von sich", fuhr grünen-Fraktionschef Mathias Wagner dazwischen. Er betonte: Beuth und Poseck sprächen weder für die Koalition noch für die Landesregierung.

"Dass sie für ihre unsachlichen Spitzen gegen die Bundesregierung einen Besuch bei hessischen Ermittlern und Staatsanwälten nutzen, macht den Vorgang noch befremdlicher", sagte Wagner. Deren gute Arbeit habe es nicht verdient, in Verbindung mit parteipolitischen Diskussionen gebracht zu werden.

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