Werbeschilder weisen auf Coronatests vor einer Apotheke hin.

Mehr Infektionen, vor allem mehr Corona-Kranke auf Intensivstationen: Deshalb hat die Landesregierung neue Schutzmaßnahmen beschlossen. So reichen Antigentests für 3G demnächst oft nicht mehr aus.

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Neue Corona-Regeln vorgestellt

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Geimpft, genesen oder wenigstens getestet: Wer in Hessen ins Restaurant will, zu einer Messe oder ins Konzert, muss diese 3G-Regel erfüllen. Das wird in Hessen strenger. Als getestet im Sinne der Regel gelten fortan in vielen Fällen ausschließlich diejenigen, die sich dem verlässlicheren und teureren PCR-Test unterzogen haben. Das haben Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) am Montagnachmittag in der Staatskanzlei in Wiesbaden bekannt gegeben.

Antigen-Schnelltests genügen also oft nicht mehr. Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können und dafür ein ärztliches Attest vorweisen, reicht weiterhin ein solcher Testnachweis aus. Die neuen Regeln gelten dem Ministerpräsidenten zufolge von Donnerstag an und mindestens bis zum Ablauf der Verordnung am 28. November, wie das Sozialministerium auf Nachfrage mitteilte.

Kritische erste Stufe erreicht

Die Entscheidungen des Corona-Kabinetts im Detail:

  • Wer nicht geimpft oder genesen ist, muss bei vielen 3G-Veranstaltungen oder an Orten mit 3G-Regel einen aktuellen PCR-Test vorlegen. Konkret betrifft dies die Innenbereiche von Veranstaltungen, Messen und im Kulturbetrieb, in Freizeiteinrichtungen, Sportstätten, Gaststätten, Spielbanken und Spielhallen sowie Bordellen.
  • Auch am Arbeitsplatz gilt die 3G-Regel. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die wie im Supermarkt oder beim Friseur mit Kunden in Kontakt kommen, müssen zwingend zweimal pro Woche getestet werden. Bisher mussten die Betriebe das lediglich anbieten. Geimpfte und Genesene können sich von der Testpflicht befreien, wenn sie ihrem Arbeitgeber den Impf- oder Genesenenstatus nachweisen, konkretisiert der Handelsverband Hessen.
  • Auf Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Teilnehmern gilt laut Bouffier: Bei maximal zehn Prozent des Publikums reicht ein negativer Coronatest für den Einlass. Der große restliche Teil des Publikums muss geimpft oder genesen sein.
  • Kinder und Jugendliche an Hessens Schulen sollen künftig wie schon in den Präventionswochen nach den Sommer- und Herbstferien dreimal statt zweimal die Woche getestet werden - mindestens bis Ende Januar.

Antigen-Ausnahme in Heimen

Obwohl dort Infektionen am folgenreichsten sind, werden Beschäftigte in Alten- und Pflegeheimen von der Pflicht zum PCR-Test freigestellt. Der zeitaufwendigere PCR-Test, so die Befürchtung, sei unpraktikabel und unterbräche den Arbeitsablauf. "Dann müssen Sie zwei Tage auf das Ergebnis warten. Dann gibt es gar keinen mehr, der da arbeitet", sagte Bouffier.

Kritik an der Corona-Strategie für die Schulen wies der Regierungschef zurück. In der ersten Woche nach den Herbstferien seien von 1,5 Millionen Schnelltests an den Schulen 858 positiv ausgefallen. Etwa zwei Drittel davon wurden nach Angaben des Kultusministeriums später mit einem PCR-Test bestätigt. "Das sind 0,04 Prozent, ein sehr geringer Prozentsatz", sagte Bouffier. Es gebe fast keine Kinder, die schwer erkrankten.

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Landesregierung beschließt strengere Regeln

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Warum nicht gleich 2G?

Aber warum griff die Landesregierung nicht gleich zur 2G-Regel mit einem weitreichenden Lockdown für Ungeimpfte - wie ihn Sachsen gerade eingeführt hat und wie er inzwischen auch in Österreich gilt? Bouffier und Klose verteidigten ihre Strategie. Hessens 3G-plus-Konzept bringe "eine hohe Sicherheit", sagte der Sozialminister. Außerdem seien Abstandsregel und Maskenpflicht ja nicht aufgehoben.

Die Corona-Lage in Sachsen, aber auch in Teilen Thüringens und Bayerns sei zudem dramatischer, betonte der Ministerpräsident. In Hessen sei die Impfquote auch höher als dort. 2G würde Bouffier nach eigener Aussage dann erwägen, wenn sich die Pandemie hierzulande noch weiter ausbreitete.

Um weitere Beschlüsse zu fassen, ist nach Meinung Bouffiers dringend eine Bund-Länder-Konferenz mit allen Ministerpräsidenten dringend geboten. Dies betreffe etwa die mögliche Wiedereinführung der kostenlosen Corona-Tests oder Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser, die Covid-Patienten versorgen. 

Testpflicht schon zuvor verschärft

Schärfere Regeln zur Eindämmung der Pandemie sind in einer ersten Stufe möglich, wenn in Hessen die Zahl der Intensivpatienten mit einer Coronainfektion bei 200 oder mehr liegt. Dann sind ungefähr zehn Prozent der Intensivbetten belegt. Diese kritische Marke war vergangenen Freitag überschritten worden. Sie lag nach Angaben des Sozialministeriums am Montag mit 196 Patienten nur leicht darunter.

Eine tägliche Testpflicht für ungeimpftes oder genesenes Pflegepersonal beschloss die Landesregierung bereits vor einer Woche. Sie gilt seit diesem Montag.

Werben für mehr Impfungen

Da auf Landesebene eine Impflicht nicht eingeführt werden könne, "müssen wir an anderer Stelle dafür sorgen, dass sich so wenige wie möglich anstecken", sagte Bouffier zur Begründung der Maßnahmen. Es sehe nicht danach aus, dass die Zahl der Intensivpatienten mit Corona in absehbarer Zeit sinken werde. Sie werde wohl eher steigen. Die nun beschlossenen Maßnahmen seien mit den Vertretern der Ärzteschaft und der Kommunen abgesprochen.

Wie der Regierungschef warb auch Sozialminister Klose für Impfungen. Es sei "höchste Zeit", dass sich auch die derzeit noch Ungeimpften "einen Ruck geben" und sich impfen ließen. Dass die Lage derzeit nicht noch schlimmer aussehe, sei den Geimpften zu verdanken.

"Wer sich nicht impfen lässt, sorgt dafür, dass Millionen Menschen an anderer Stelle in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden", sagte der Ministerpräsident: "Das ist die schlichte Wahrheit - auch wenn der eine oder andere dies nicht gerne hört."

Klose: Deutlich weniger Intensivbetten

"Die Kliniken stehen seit 21 Monaten unter Dauerlast. Das ist der permanente Ausnahmezustand", sagte der Grünen-Politiker. Erschwerend komme hinzu, dass mangels Personal inzwischen weniger Intensivpatienten versorgt werden könnten als zu Beginn der Corona-Pandemie. Die Zahl der Betten sank demnach um 20 Prozent.

Beim Boostern soll es laut Bouffier und Klose deshalb schneller vorangehen. Die Auffrischungsimpfungen sollen vor allem vulnerable Gruppen wie alte und schwerkranke Menschen verstärkt erhalten - etwa durch den vermehrten Einsatz mobiler Impfteams. Alle Menschen im Bundesland im Alter über 70 erhalten vom Land ein Schreiben, das ihnen die Booster-Impfung empfiehlt.

Mediziner befürchten gleichzeitig deutschlandweit eine Verdoppelung der Zahl von Intensivpatienten mit Covid-19, wenn die Fälle der Neuinfektionen im derzeitigen Ausmaß weiter zunehmen. Die Inzidenz der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen lag am Montag in ganz Deutschland bei 201 - höher als je zuvor seit Beginn der Pandemie im Frühjahr des vorigen Jahres. In Hessen liegt diese Inzidenz noch niedriger, aktuell bei 149.

Hessens Wirtschaft sieht es kritisch

Hessens Wirtschaft äußerte sich kritisch zu den neuen Maßnahmen. Die Testpflicht an Arbeitsplätzen mit Kundenkontakt sei einerseits sinnvoll, andererseits bürde es den durch die Corona-Pandemie angeschlagenen Unternehmen viel auf, sagte Eberhard Flammer, Präsident des Hessischen Industrie- und Handelskammertages.

"Sie werden zu Testzentren umfunktioniert, und die Kosten werden auf die Unternehmen abgewälzt", so Flammer. Neben den Kosten für die Tests falle zusätzlicher bürokratischer Aufwand für deren Dokumentation an. "Wir hätten uns mehr Vorfahrt für Eigenverantwortung gewünscht."

Der Handelsverband Hessen kritisierte die kurze Vorlaufzeit der Testpflicht am Arbeitsplatz für Beschäftigte mit Kundenkontakt. "Die hohen Beschäftigungszahlen im Handel erfordern Vorlaufzeiten. Daher ist die Kurzfristigkeit der heutigen Verkündung eine Belastung", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Sven Rohde.

Linke für Wiedereröffnung der Impfzentren

Die Linken-Fraktion bemängelte, dass die Landesregierung auf die vielerorts kritisierten fehlenden Kontrollen der Coronatests keine Antwort habe. Die Anordnung von PCR-Tests bringe nichts, wenn man sie nicht kontrollieren könne. "Wenn der bisherige politische Druck auf ungeimpfte Menschen etwas gezeigt hat, dann, dass dieser nicht zu mehr Impfungen führt", betonte die Fraktionsvorsitzende Elisabeth Kula. Sie sprach sich für die Wiedereröffnung der Impfzentren und kostenfreie Tests aus.

Die AfD-Fraktion lehnte es ab, PCR-Tests als Ersatz für Antigen-Schnelltests einzusetzen. Damit werde Druck auf alle Menschen ausgeübt, die sich aus persönlichen Gründen gegen eine Impfung aussprechen, sagte der sozialpolitische Sprecher der Fraktion, Volker Richter.

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PCR-Tests und Antigen-Schnelltests

PCR-Tests sind der sogenannte Goldstandard unter den Corona-Tests: verlässlich, aber auch teurer. Die Proben werden per Nasen- oder Rachenabstrich von medizinischem Personal entnommen, Labore werten aus. Ihr Verfahren weist das Erbgut des Virus vom Typ SARS-CoV-2 nach. Das geht mit Hilfe einer Vervielfältigung des Virusmaterials und der "Real-time Reverse Transkriptase Polymerase-Kettenreaktion" (RT-PCR). Die Ergebnisse liegen allerdings meist erst nach 24 Stunden vor.
Antigen-Schnelltests verdienen sich den Namen wegen des Tempos, in dem das Ergebnis vorliegt - in der Regel nach rund 15 Minuten. Dafür ist das Resultat weniger verlässlich. Den Nasen- oder Rachenabstrich, der auch hier nötig ist, nimmt geschultes Personal vor. Ausgewertet wird gleich im Testzentrum, indem eine Lösung mit der Probe auf einen Teststreifen gegeben wird. So sollen Proteine aus der Virushülle nachgewiesen werden, kein Erbmaterial des Virus.

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