36 Millionen Euro aus dem Corona-Sondervermögen für zehn Hochschulen: Fast die Hälfte des Geldes soll die Uni Marburg bekommen. Warum so viel, wollen SPD und FDP wissen, und vermuten eine unsaubere Verteilung, die einer Ministerin nutzen könnte.

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Geldsegen für Uni Marburg aus Corona-Sondervermögen

Der Stundenplan für die "Public Climate School" ist im Audimax der Marburger Uni ausgestellt.
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Über einen großen Geldsegen für die Philipps-Universität Marburg wundern sich derzeit SPD und FDP im Landtag und fordern Aufklärung darüber, wie es zu dieser Mittelvergabe gekommen ist.

Im Sommer dieses Jahres hatte die Universität Marburg freudig verkündet, sie habe beim Land etwa 17,5 Millionen Euro eingeworben. Mittel aus dem extra aufgelegten Corona-Sondervermögen, mit dem speziell Photovoltaikanlagen auf Dächern installiert und Beleuchtungsanlagen und Heizungen erneuert werden sollen. "Der Erfolg der Universität Marburg ist das Ergebnis einer sehr guten Vorbereitung im Dezernat für Gebäudemanagement und Technik und im Hochschulrechenzentrum", wurde derzeit die Unipräsidentin Katharina Krause zitiert.

Marburg bekommt besonders viel Geld

Wie gut vorbereitet die Uni beim "Einwerben" von Mitteln aus dem Corona-Sondervermögen war, zeigt sich erst, wenn man ihre Mittel ins Verhältnis zu den Gesamtausgaben für alle Hochschulen in Hessen setzt. So hat die schwarz-grüne Landesregierung zehn Hochschulen insgesamt rund 28 Millionen Euro für Photovoltaikanlagen und effizientere Gebäudetechnik aus dem Sondervermögen in Aussicht gestellt, so genannte PV- und TGA-Maßnahmen. Mit 9,5 Millionen Euro bekommt die Uni Marburg rund ein Drittel davon.

Zusätzlich bekommt die Uni als einzige Hochschule noch ein neues Servergebäude für acht Millionen Euro oben drauf. In der Antwort des Wissenschaftsministeriums auf eine hr-Anfrage dazu liest sich das so. "Dieses Modulrechenzentrum wurde in Abstimmung mit dem Finanzministerium außerhalb der PV- und TGA-Maßnahmen ausgewiesen". Den anderen Hochschulen wurden keine Sonderwünsche "außerhalb"erfüllt.

Rechnet man die acht Millionen Euro für den Server dazu, landet von den 36 Millionen Euro aus dem Sondervermögen für die hessischen Hochschulen fast die Hälfte in Marburg und damit im Wahlkreis von Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Grüne).

Ministerin soll Vergabe transparent machen

Die hochschulpolitische Sprecherin der FDP, Lisa Deißler, will nun wissen, wie es zu dieser ungleichen Verteilung gekommen ist. "Das ist die besonders spannende Auffälligkeit, dass eine große Summe bei der Ministerin direkt vor der Haustür gelandet ist", so Deißler. Die Liberale fragt sich nach eigenen Angaben, ob mit den Mitteln die Aussichten der Grünen bei der Landtagswahl 2023 verbessert werden sollen. Bilder von einer Ministerin, die Photovoltaikanlagen und Server einweiht, wären dabei sicher hilfreich. Deißler will nun im Wissenschaftsausschuss von der Ministerin wissen, nach welchem Verfahren und Schlüssel die Gelder konkret vergeben wurden.

Auch der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Marius Weiß, hat Klärungsbedarf. Das neue Servergebäude für acht Millionen Euro werfe die Frage auf, warum nicht auch die anderen Hochschulen Sonderwünsche genehmigt bekommen haben. "Das ist hier eine klare 'Lex Marburg', bei der offensichtlich keine andere Hochschule die Chance hatte, diese Mittel zu erlangen", so Weiß.

Ministerium: Es gibt keinen Zusammenhang

Das für die Mittelverteilung federführende Wissenschaftsministerium beantwortet die Frage, ob zwischen der Vergabe der Mittel und dem Wahlkreis von Ministerin Dorn ein Zusammenhang besteht mit "nein". Grundsätzlich seien alle Hochschulen im Oktober 2020 darüber informiert worden, dass das Land Geld aus dem Sondervermögen für Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz bereitstellen werde. "Diese Problematik betrifft naturgemäß jene Hochschulen besonders, die wie Marburg einen hohen Anteil an alten und zudem auch an denkmalgeschützten Gebäuden haben", erklärt ein Sprecher. Deswegen seien auch andere Unis mit altem Gebäudebestand wie Gießen, Darmstadt und Kassel mit entsprechend mehr Mitteln bedacht worden. "Die mangelnde Energieeffizienz und insbesondere das veraltete Rechenzentrum in Marburg waren im Austausch mit der Universität seit Jahren immer wieder ein Thema".

Sondervermögen in Teilen verfassungswidrig

Für die Opposition stellt sich aber nun offenbar die Frage, warum Wissenschaftsministerin Dorn diesen Missstand nicht früher ausräumte. Wenn der Förderbedarf an der Uni Marburg so immens viel höher ist, dann habe "vorher was in der Hochschulpolitik nicht gestimmt", so Weiß von der SPD.

SPD und FDP sehen in der unterstellten Bevorzugung der Uni Marburg einen Beleg, dass der Weg, den die schwarz-grüne Landesregierung zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie eingeschlagen hat, falsch ist. Der hessische Staatsgerichtshof indes hat das Sondervermögen in Teilen als verfassungswidrig erklärt und die Regierung aufgefordert, bis März 2022 nachzubessern. Bei allen Ausgaben, die nicht unmittelbar einen Bezug zur Bekämpfung der Pandemie haben, muss die Regierung dem Parlament wieder mehr Mitsprache geben. Gut möglich, dass das letzte Wort bei der Finanzierung der Hochschulmittel also noch nicht gesprochen ist.

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