Eine Serenade, eine Landtagssitzung - dann ist Schluss für Volker Bouffier als Ministerpräsident von Hessen. In seinem langen Politiker-Leben hat der 70-Jährige viel erlebt. Und seine Gegner mit ihm auch.

Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) wurde am Abend bei einem Festakt mit musikalischen Ehren aus dem Amt verabschiedet. Erfolge, Affären und Frisuren – was Sie über Bouffier zum Abschied wissen müssen:

1. Durchgestartet - Bouffier und die Toten Hosen

Es ist eine dreiviertel Ewigkeit her, 1982, dass der Mann als Landtagsabgeordneter anfing. Helmut Kohl (CDU) kam in dem Jahr als Kanzler an die Macht. Eine Band namens Die Toten Hosen wurde gegründet, und ABBA hörte auf. Zu dieser Zeit startete Volker Bouffier durch, um einmal unangefochtener Frontmann der Hessen-CDU zu sein. Aber erst einmal wird er Landtagsabgeordneter.

1999 beginnt seine bis heute ununterbrochene Zeit des Regierens: Erst einmal für elfeinhalb Jahre als hessischer Innenminister – "die längste Amtszeit in der Republik", wie er oft betont hat. 2010 wird er Ministerpräsident. Als Dienstältester seiner Art in Deutschland macht er nun nach rund einem Dutzend Amtsjahren Schluss. Den Landesvorsitz der CDU will er im Sommer abgeben.

2. Last Man Standing - Bouffier und der Andenpakt

Ehrgeizige Wegbegleiter blieben politisch auf der Strecke. Das zeigt der Blick auf den "Andenpakt". Dem Netzwerk befreundeter CDU-Jungpolitiker – andere sprechen von Seilschaft - gehörten neben Bouffier unter anderem Ex-Bundespräsident Christian Wulff an, Ex-Ministerpräsident Roland Koch und Ex-Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung.

Sie zählen zu den Gästen am Montagabend bei der Abschiedsserenade für Bouffier am Schloss Biebrich in Wiesbaden. Treue (Männer-) Freundschaften in der Politik waren ihm stets wichtig. "Andenpakt" hieß die Gruppe, weil sie 1979 auf einer Bildungsreise bei einem Nachtflug von Caracas nach Santiago de Chile gegründet worden sein soll.

3. Gepflasterter Weg - Bouffier und die Affären

Für Wulff, Koch, Jung war direkt oder indirekt infolge von Affären Schluss. Nicht für Bouffier, obwohl die Süddeutsche Zeitung schon 2010 schrieb: "Skandale pflastern seinen Weg." Mehrere Untersuchungsausschüsse befassten sich mit seinem Wirken als Innenminister.

Am stärksten hängt ihm bis heute der Kasseler "NSU"-Mord an Halit Yozgat nach: So durften Polizisten V-Leute nicht vernehmen. Sie waren von einem Verfassungsschutzmitarbeiter geführt worden, der zeitweise selbst unter Mordverdacht stand.

4. Law and Order - Bouffier und sein Sheriffstern

Als Innenminister zählte Bouffier zu den am meisten angefeindeten Politikern Deutschlands. Den Titel "Schwarzer Sheriff" handelte er sich bei linken Gegnern nicht nur wegen einer harten Asylpolitik ein.

Gerichte stoppten manche Projekte: etwa den Versuch, die umstrittene Rasterfahndung nicht nur in Ausnahmesituationen einzusetzen. Solche Rückschläge machten Bouffier nicht mürbe. Im Gegenteil. Der heutige FDP-Landtagsfraktionschef René Rock erlebte den CDU-Mann damals als "einen Konservativen, der austeilen konnte".

5. Ziemlich beste Ex-Feinde - Bouffier und Schwarz-Grün

Besonders heftig prallte Bouffier seinerzeit mit dem damaligen Grünen-Fraktionschef Tarek Al-Wazir zusammen. Der nannte ihn schon mal "Rechtspopulist" und bescheinigte ihm, er sei politisch längst am Ende.

2013 starteten Bouffier und sein späterer Vize-Ministerpräsident ein zukunftsweisendes Projekt: die erste schwarz-grüne Koalition in einem Flächenland. Das Bündnis hält bis heute geräuschlos. Und Al-Wazir sagt nun: Bouffiers politische Lebensleistung verdiene "höchsten Respekt".

6. "Du hast die Haare schön“ - Bouffier und reine Äußerlichkeiten

Die Sache ist nicht wirklich wichtig, beschäftigte aber jede Menge Menschen - nicht nur Boulevard-Journalisten: "Matte" war eine Bezeichnung, die Bouffier öfter über seine Frisur lesen musste. In der Presse viel diskutiert war sogar sein Wechsel vom Mittel- zum Seitenscheitel. Noch intensiver ging es um seine gelb-blonde Haarfarbe.

2011 das Outing: "Ganz ehrlich: Ich benutze ein Shampoo mit Färbung", gestand der damals fast 60-Jährige der Bild-Zeitung. Ein Jahr später dann der staatstragende Look. "Bouffier ist plötzlich grau", meldete nicht nur t-online.

Volker Bouffier

7. Landesvater - Bouffier und seine Beliebtheitskurve

Ob Hessentag oder Weinfest: Das graue Haar veranschaulichte Bouffiers Anspruch, würdig-umgänglicher Landesvater zu sein. "Landesgroßvater" spottete die SPD. Den absoluten Höhepunkt seiner Beliebtheit in Umfragen erreichte Bouffier, als er keine Auftritte auf Volksfesten mehr hatte: am Beginn der Coronakrise.

Für den 70-Jährigen zunächst ein schrecklicher Tiefpunkt: Sein enger Parteifreund und Ex-Finanzminister Thomas Schäfer beging Suizid. Zuvor der rassistische Anschlag von Hanau, das Attentat von Volkmarsen, 2019 bereits die Ermordung des Parteifreundes Walter Lübcke durch einen Rechten.

Eine Krebserkrankung setzte Bouffier auch noch schwer zu. Ohne Auszeit rappelte er sich auf, um die Krise zu managen: "Gerade in solchen Momenten muss man stehen."

8. Falsche Pferde – Bouffier und seine Fehleinschätzungen

Rund um die Bundestagswahl 2021 schien Bouffiers Stern zu sinken. Bei den wichtigsten CDU-Personalentscheidungen der Nach-Merkel-Zeit setzte der sonst so gewiefte Machtstratege aus Hessen auf spätere Verlierer.

Erst auf den Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Später gegen den auch an der hessischen Basis beliebten heutigen CDU-Chef Friedrich Merz auf den Gießener Ex-Kanzleramtsminister Helge Braun.

Volker Bouffier (li.) im Gespräch mit seinem Amtskollegen aus Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet.

9. Zu spät - Bouffier und die Kanzlerschaft

Auch gegen Widerstände hat Bouffier nach außen stets loyal zu Angela Merkel gehalten. Innerparteilich auch in der Flüchtlingspolitik.

Gerade lüftete Bouffier im hr-Interview ein Geheimnis: Im CDU-Chaos um Merkels Erbe hätte er am liebsten nach der Kanzlerschaft gegriffen: "Wenn ich jünger gewesen wäre, hätte ich vor zwei Jahren die Dinge in der Union anders geregelt."

Videobeitrag

Video

hessenschau extra: "Was bleibt, Herr Bouffier?"

Volker Bouffier und Ute Wellstein.
Ende des Videobeitrags

10. Niemals geht man so ganz – Bouffier und das Loslassen

So wuchs der Druck, den Generationswechsel der CDU in Hessen zu regeln. Nachfolger Boris Rhein war nicht eben Bouffiers Favorit als Ministerpräsident. Wie schnell der 70-Jährige lernt, auf einmal Nicht-Ministerpräsident zu sein, muss sich zeigen.

Neben dem Sinatra-Song "My Way" könnte das Heeresmusikkorps Kassel am Montagabend bei der Abschiedsserenade auch das Lied "Niemals geht man so ganz" spielen. Bouffier hat sich für die Zeit a.D. in der Staatskanzlei schon ein Büro mit Personal und einen Dienstwagen samt Fahrer reserviert. Weil erst mal noch so viel zu tun ist.

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Abschied und Wahl live in hr-fernsehen und bei hessenschau.de

Das offizielle Abschiedsständchen für Volker Bouffier können Sie am Montagabend live von 21 Uhr an bei uns mitverfolgen: im Stream von hessenschau.de und im hr-fernsehen bei "hessenschau extra". Dort können Sie auch die Sitzung des Landtags mit der Wahl des neuen hessischen Ministerpräsidenten am Dienstag, 31. Mai, um 13 Uhr verfolgen.

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