Neonazi mit einem "C18"-Tattoo im Nacken

Hunderte Polizeibeamte haben bei Razzien gegen Neonazis dutzende Objekte in elf Bundesländern durchsucht. In Rotenburg an der Fulda nahmen sie einen Mann fest, der in Thüringen gewaltsam geholfen haben soll, einen "Nazi-Kiez" zu etablieren.

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Bundesweite Neonazi-Razzia: Verdächtiger in Rotenburg festgenommen

hs
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Bastian A. wurde am frühen Mittwochmorgen festgenommen, weil er mutmaßlich ein führendes Mitglied einer rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung ist. Wie die Bundesanwaltschaft mitteilte, trafen ihn Beamte an seinem Wohnort in Rotenburg an der Fulda an.

Innerhalb von 24 Stunden soll A. nun dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt werden, der ihm einen Haftbefehl eröffnen und über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheiden wird.

Seine Festnahme ist Teil einer großangelegten Razzia gegen Neonazis in insgesamt 61 Objekten in elf Bundesländern. Der örtliche Schwerpunkt liege dabei in Thüringen, insbesondere in Eisenach, teilte die Bundesanwaltschaft weiter mit. In diesem Zusammenhang gab es am Mittwoch drei weitere Festnahmen.

A. soll omnipräsentes Mitglied von "Knockout 51" sein

Antifaschistische Initiativen aus Südthüringen schreiben auf ihrer gemeinsamen Homepage, Bastian A. sei schon vor vielen Jahren als Begleiter eines Eisenacher Neonazis bei rechten Aktionen aufgefallen. A. habe sich demnach aber erst im Laufe des Jahres 2020 als omnipräsentes Mitglied seiner Gruppe hervorgetan und sich an Aufmärschen und Corona-Demos beteiligt. Dort soll er wiederholt mit Posen in Kleidung von "Knockout 51" die Aufmerksamkeit von Fotografen gesucht haben.

"Nazi-Kiez" in Eisenach

In Eisenach wurden demnach drei weitere mutmaßliche Mitglieder der rechtsextremistischen Vereinigung festgenommen: Leon R., Maximilian A. und Eric K.

Leon R., der nach Informationen der Deutsche-Presse-Agentur 24 Jahre alt ist, gilt den Angaben zufolge als mutmaßlicher Gründer und Rädelsführer der kriminellen Vereinigung "Knockout 51". Diese soll versucht haben, in Eisenach einen "Nazi-Kiez" mit illegalen Patrouillen zu etablieren und militante Corona-Proteste zu initiieren. Die Kontakte von R. zu einem anderen Beschuldigten haben demnach zur Einleitung von Ermittlungen wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Verbot der Vereinigung "Combat 18 Deutschland" geführt.

"Combat 18" war im Januar 2020 vom damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in Deutschland verboten worden. Seehofer bescheinigte "Combat 18" damals eine "menschenverachtende Gesinnung mit rechtsextremistischer und antisemitischer Hetze".

Ursprünglich entstanden war "C18" Anfang der 1990er-Jahre in Großbritannien als eine Saalschutztruppe der rechtsextremen Partei "British National Party" (BNP). In Deutschland soll "C18" einem Bericht von tagesschau.de zufolge Verbindungen zu den Rechtsterroristen vom "Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) gepflegt haben. Im Prozess vor dem Oberlandesgericht München versuchten Anwälte der NSU-Opfer immer wieder den Beweis zu führen, dass es direkte Verbindungen der drei Haupttäter zu Personen aus dem C18-Umfeld gab. Personen, die heute zu den Beschuldigten des aktuellen Verfahrens gehören.

"Rechtsextremistische Kampfsporttruppe"

In dessen Verlauf haben sich den Angaben zufolge Anhaltspunkte für personelle Verbindungen von Beschuldigten in die rechtsextreme Kampfsport- und Musikszene ergeben. "Knockout 51" bezeichnet die Bundesanwaltschaft nun als "eine rechtsextremistische Kampfsportgruppe, die unter dem Deckmantel des gemeinsamen körperlichen Trainings junge, nationalistisch gesinnte Männer anlockt, diese bewusst mit rechtsextremem Gedankengut indoktriniert und für Straßenkämpfe ausbildet".

Leon R. soll in Eisenach diese Trainings regelmäßig in den Räumlichkeiten der Landesgeschäftsstelle der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), dem "Flieder Volkshaus", geleitet haben. Bastian A., Maximilian A. und Eric K. sollen dabei ebenfalls Führungspositionen übernommen haben.

Die vier Festgenommenen seien der Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung dringend verdächtig, Leon R. werden zudem gefährliche Körperverletzung und Landfriedensbruch vorgeworfen. Gegen Maximilian A., Bastian A. und Eric K. besteht zusätzlich der dringende Verdacht gefährlicher Körperverletzung und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte.

Die vier Verdächtigen sollen andere Personen zum Teil schwer verletzt haben

Seit Ende April oder Anfang Mai 2021 soll "Knockout 51" seine "Kiezstreifen" durchgeführt haben, um einerseits Abwehrbereitschaft gegen potenzielle Übergriffe aus dem "linken" Lager zu demonstrieren und gleichzeitig gezielt Gewalt zu provozieren. Den Ermittlern zufolge war bei Auseinandersetzungen mit Angehörigen der linken Szene auch der "Einsatz von Hieb- und Stichwaffen vorgesehen".

In diesem Rahmen sollen Leon R., Maximilian A., Bastian A. und Eric K. nach den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft zwischen Februar 2021 und Januar 2022 mehrfach Körperverletzungsdelikte begangen haben, bei denen sie andere Personen zum Teil schwer verletzt haben sollen.

800 Polizeibeamte im Einsatz gegen weitere 46 Beschuldigte

Die weiteren Durchsuchungen richteten sich zudem gegen weitere 46 Beschuldigte in Thüringen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Baden-Württemberg. Unter den Verdächtigen sollen auch zwei Männer mit Bezug zur Bundeswehr sein, von denen dem Vernehmen nach aber nur einer Zugang zu Waffen hatte. Nach einem Bericht des Spiegels handelt es sich um eine ehemaligen Offiziersanwärter. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wurden bei den Hausdurchsuchungen Propagandamaterial und große Mengen elektronischer Datenträger beschlagnahmt.

Für die Festnahmen und Durchsuchungsmaßnahmen sind über 800 Polizeibeamte des Bundeskriminalamts, der GSG9 der Bundespolizei und der betreffenden Landeskriminalämter im Einsatz.

"Wesentlicher Beitrag zur Zerschlagung von rechtsextremistischen Netzwerken"

Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang sagte der dpa, die Durchsuchungen seien "ein wichtiger Schlag gegen die gewaltbereite rechtsextremistische Szene und ein großer Erfolg der Sicherheitsbehörden".

Durch die intensive und koordinierte Zusammenarbeit der beteiligten Behörden habe ein wesentlicher Beitrag zur Zerschlagung von rechtsextremistischen Netzwerken und Aufklärung der so genannten "Siege"-Szene geleistet werden können. "Siege" bedeutet im Englischen Belagerung. Die Szene verbreitet laut Verfassungsschutz über das Internet global rechtsextremistische Terrorpropaganda und will einen Bürgerkrieg auslösen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: "Die heutigen Maßnahmen zeigen noch einmal deutlich, dass Vereinsverbote ein scharfes Schwert zur Verteidigung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sind." Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Martina Renner, sagte, die Behörden sollten alles tun, um die Neonazi-Strukturen "endgültig zu zerschlagen".

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