Sehr viele hohe Stapel mit Akten auf einem Tisch. Zwei Hände empfangen eine weitere Akte.

Weil die Commerzbank Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Untätigkeit gegen das gesamte Ausländeramt der Stadt Frankfurt eingereicht hat, wird erneut dessen Zustand deutlich: Die Behörde schafft es nicht, 15.000 Anträge und Anfragen zu bearbeiten.

Videobeitrag

Video

E-Mail-Stau bei Ausländerbehörde

hs
Ende des Videobeitrags

Wer 15.000 offene Anträge und Anfragen zu bearbeiten hat, hat ein Problem. Zwar nicht 15.000 Probleme, man muss diese erschreckende Zahl insofern relativieren, als dass sie auch unzählige Dopplungen, Verdrei- oder gar Vermehrfachungen enthält. Aber doch eben ein Problem, das Schicksale beeinflusst.

"Uns ist klar, dass sehr viele dieser Fälle existenzbedrohend sind", sagt Annette Rinn (FDP), die Dezernentin für Ordnung und Sicherheit der Stadt Frankfurt. Gemeinsam mit Karin Müller, der Leiterin des Ordnungsamtes, und Norbert Euler, dem Leiter der Ausländerbehörde, spricht Rinn am Mittwoch über ein Thema, das die Stadt selbst als "virulent" bezeichnet: Die Zustände in der Frankfurter Ausländerbehörde, in der besagte 15.000 Anträge und Anfragen per E-Mail darauf warten, bearbeitet zu werden. Und in der wöchentlich mehr neue E-Mails einlaufen, als überhaupt von den Mitarbeitenden geprüft werden können.

Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Untätigkeit durch Commerzbank

"Wir müssen ganz, ganz dringend sehr, sehr viel besser werden", sagt Rinn. Dass die Stadträtin das betont, hängt unter anderen mit der Berichterstattung der Neuen Zürcher Zeitung zusammen. Die hatte Anfang dieser Woche darüber geschrieben, dass die Commerzbank eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das gesamte Ausländeramt der Stadt wegen Untätigkeit eingereicht habe.

Ein anonym gebliebener, wichtiger Mitarbeiter der Abteilung "Firmenkunden Kreditvergabe" habe Mitte November "mit Ablauf des Visums und damit der Arbeitserlaubnis" ohne Bezahlung freigestellt werden müssen – nachdem dieser sich seit mehr als acht Monaten um die Verlängerung seines zuvor vier Jahre geltenden Visums bemüht habe. Erfolglos.

Rinn, Müller und Euler bestätigen im Römer diesen Fall, den Müller "in dieser Ausprägung noch nicht erlebt" haben will. Es sei "einmalig", dass ein Visumsantrag so unbemerkt geblieben und in den "Untiefen von Mails durchs Raster gefallen" sei, begründet Müller. Die Ordnungsamtschefin gesteht ein, dass "tatsächlich viel schief gelaufen" sei, sagt, dass man sich für die Art und Weise nur bei der Commerzbank und dem betroffenen Mitarbeiter entschuldigen könne. Und dass dieser "Notfall" nun "adhoc bearbeitet" worden sei und noch am Mittwoch gelöst sein sollte.

Signal für die Dringlichkeit

Das schicksalhafte Problem des Commerzbank-Mitarbeiters dürfte also geklärt worden sein. Was aber passiert mit den tausenden Menschen, die vielleicht keinen so großen Fürsprecher wie die Commerzbank hinter sich haben? "Ich wünsche mir, dass dieser Fall eine Art Signal darstellt", sagt Müller, ein Signal, "das die Dringlichkeit deutlich macht". Die Dringlichkeit, dass sich in der Ausländerbehörde wirklich etwas sehr, sehr bessert.

Im Oktober hatte der Frankfurter Magistrat auf Anfrage der FDP-Fraktion im Römer von den vielen unbearbeiteten E-Mails berichtet. Alleine 6.700 davon betreffen ausländische Akademikerinnen und Akademiker. Die Mitarbeitenden "sind am Limit", hieß es vom Magistrat. Norbert Euler, der Chef dieser Mitarbeitenden, bestätigt das. "Wir rennen der momentanen Entwicklung hinterher", sagt Euler. Eine Entwicklung, die durch den Krieg in der Ukraine zu sehr an Fahrt aufgenommen habe. Hinzu kämen die Nachwirkungen des Brexits und der Flüchtlingskrise im Sommer 2015. Und die enorm gestiegene Komplexität der rechtlichen Vorgaben.

Ordnungsamt-Leiterin an der Hotline

Um sich selbst ein Bild von der Situation zu machen, hatte sich Karin Müller am Mittwochmorgen an die Hotline der Ausländerbehörde gesetzt. "Nach 40 Minuten waren 95 Anrufe eingegangen", berichtet die Ordnungsamt-Leiterin. Nun könnte man ihr raten, die Hotline öfter zu besetzen - schließlich liegt einer der Hauptgründe für die chaotischen Zustände in der Ausländerbehörde in deren Personalmangel. 23 Stellen sind derzeit ausgeschrieben, sechs Menschen konnten bislang für den Jahresbeginn eingestellt werden. "Wir bräuchten aber kurzfristig 15 weitere besetzte Stellen", sagt Euler. "Dann hätten wir eine Chance, uns aus dieser Situation zu befreien."

Doch selbst wenn Karin Müller bereit dazu wäre, auszuhelfen, könnte sie dies nicht kurzfristig. "Die Einarbeitungszeit liegt zwischen einem und zwei Jahren", sagt Euler. Eine schnelle Lösung scheint also genau so realistisch, wie einen schnellen Termin in der Behörde zu bekommen. Annette Rinn hat daher vier Lösungsansätze identifiziert: "Mehr Personal, mehr Stellen, Entbürokratisierung und die Mitarbeiter, die wir haben, motivieren, weiter zu arbeiten."

Besserung im Frühjahr?

Rinn, Müller und Euler bekräftigen, dass sie tun, was in ihrer Macht steht. Es gebe schon eine Initiative mit anderen Ausländerbehörden, um die gesetzliche Grundlage zu entschlacken. Das E-Mail-System soll überarbeitet werden, Online-Anträge anders strukturiert werden. "Ich habe die Vision, dass bis Frühjahr oder Sommer nächsten Jahres die Situation besser wird", sagt Rinn.

Eine Vision, die Norbert Euler gleich relativiert - mit einer erschreckenden Zahl: Dem Leiter der Ausländerbehörde zufolge arbeiten dort aktuell 136 Menschen. Von denen 32 Vollzeitkräfte durch längere Erkrankungen oder Schwangerschaften fehlen.

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen