Peter Feldmann steht an einem Pult und spricht in Mikrofone.

Korruption, Selbstherrlichkeit, peinliche Auftritte: Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann wird für seine Partei zunehmend zur Last. Dabei galt der 63-Jährige vor noch gar nicht allzu langer Zeit als ein Hoffnungsträger der SPD. Ein Rückblick.

Videobeitrag

Video

Frankfurts komplette Koalition fordert Feldmanns Rücktritt - auch die SPD

hessenschau vom 23.05.2022
Ende des Videobeitrags

Sexistische Sprüche gegen Flugbegleiterinnen und peinliche Auftritte auf dem Rathausbalkon. Rund um den Triumphzug der Frankfurter Eintracht nach dem Sieg in der Europa League hat Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) es geschafft, sein bereits durch Korruptionsvorwürfe ramponiertes Image weiter zu beschädigen.

Die Rücktrittsforderungen werden lauter und Feldmann steht zunehmend isoliert da. Doch das war nicht immer so.

Underdog setzt sich gegen "bunten Vogel" durch

Angesichts der jüngsten Fehltritte mutet es - gelinde gesagt - ironisch an, dass Peter Feldmann zu Beginn seines politischen Aufstiegs, als der bodenständigere von zwei Kandidaten begann. Damals im Herbst 2011 ging es noch um den internen Kandidatenwettbewerb der Frankfurter SPD.

Sein Kontrahent Michael Paris galt in Frankfurt als "bunter Vogel". Den Frankfurterinnen und Frankfurtern lächelte er regelmäßig von Plakaten des "Abenteuerspielplatzes Riederwald" - dessen Trägerverein er mitbegründete - entgegen. Als sich die SPD nach dem taktischen Rücktritt der Frankfurter Langzeit-OB Petra Roth (CDU) schnell für einen Kandidaten entscheiden sollte, galt Paris als klarer Favorit.

Feldmann hingegen war zwar in der Kommunalpolitik fest verwurzelt, der breiten Öffentlichkeit aber kaum bekannt. Das sollte sich gegen alle Erwartung als Vorteil erweisen.

Feldmann präsentierte sich als zurückhaltender, aber tatkräftiger Problemlöser, als Sozialarbeiter mit Brennpunkterfahrung und einem Ohr für die drängenden Belange der einfachen Leute: bezahlbarer Wohnraum, Bildung, Teilhabe.

Drei Jahre nach dem großen Finanz-Crash von 2008 setzte Feldmann auf sozialpolitische Themen - und traf damit den Nerv der Frankfurter Sozialdemokraten. Feldmann statt Paris - das war eine Überraschung. Aber nur die erste.

Soziales spricht er am lautesten an

Als im Frühjahr 2012 die erste Frankfurter OB-Wahl nach dem Ende der Ära Roth anstand, wurden die Geschicke der Bankenmetropole bereits seit sechs Jahren von einer schwarz-grünen Stadtregierung gelenkt. Der Magistrat agierte geräuscharm im Schatten der populären Oberbürgermeisterin - vor allem, wenn es um soziale Themen ging, bei denen das Konfliktpotenzial zwischen den Koalitionären am ausgeprägtesten war.

Genau jene Themen, welche die Koalition am liebsten im stillen Kämmerlein verhandelte, sprach Feldmann im Wahlkampf am lautesten an. Sein Hauptgegner: Boris Rhein.

Dem designierten Petra-Roth-Nachfolger haftete seinerzeit das Image eines konservativen "Law-and-order"-Mannes an. Soziales gegen Sicherheit. Ein fast schon klassisches Duell sozialdemokratischer und konservativer Themen - bei dem sich erneut der vermeintliche Underdog durchsetzte.

In der Stichwahl am 25. März 2012 lag Feldmann mit 57,4 Prozent deutlich vor Rhein, der seine Karriere im hessischen Landtag fortsetzte - und demnächst zum Ministerpräsidenten gewählt werden soll.

Wahlsieg mit bundesweiter Strahlkraft

Es war ein Ergebnis, das bundesweit aufhorchen ließ. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stand kurz vor dem Zenit ihrer Popularität. Die Grünen befanden sich infolge der Reaktor-Katastrophe von Fukushima ein Jahr zuvor im Aufwind.

Inmitten dieser für die Sozialdemokratie alles andere als positiven Stimmungslage gelang es einem SPD-Mann nach 18 Jahren, das höchste Amt in Deutschlands fünftgrößter Stadt zurückzuerobern - mit einem Wahlkampf, der auf ur-sozialdemokratische Themen setzte.

Piesacken trotz geringer Handlungsmöglichkeiten

Das Soziale blieb Feldmanns Hauptthema. Allein die Handlungsmöglichkeiten eines Oberbürgermeisters sind beschränkt. Zumal wenn er den Magistrat gegen sich hat. Das Verhältnis zur eigentlichen Stadtregierung war von Beginn an angespannt - freundlich formuliert.

Feldmann hat wenige Rechte, von denen machte er bislang allerdings Gebrauch. So kann er als Bürgermeister Dezernate nach seinem Willen zuschneiden. Dies nutzte er, um die Koalition zu piesacken.

2013 entzog er der damaligen grünen Bildungsdezernentin Sarah Sorge die Zuständigkeit für die städtischen Kitas, dem damaligen Wirtschaftsdezernenten Markus Frank (CDU) die Zuständigkeit für die Wirtschaftsförderung. Die Stadtregierung sprach daraufhin dem OB ihre Missbilligung aus - ein Novum in der Frankfurter Stadtgeschichte.

OB-Wahl 2018: Alle Wahlbezirke rot

Feldmanns Ansehen schadete der Dauerzwist mit dem Magistrat nicht. Nach außen verkaufte sich der OB weiterhin als Streiter für das Soziale - gegen den Widerstand eines Magistrats der Besserverdiener.

Seine Strategie ging auf: Als 2018 die nächste Oberbürgermeisterwahl anstand, hatte die CDU ernsthafte Schwierigkeiten, einen Kandidaten oder eine Kandidatin zu finden, die sich in den aussichtslosen Wettkampf mit dem populären Oberbürgermeister begeben wollte.

Die damalige Staatssekretärin im hessischen Finanzministerium, Bernadette Weyland, war eine Verlegenheitslösung und wurde im Wahlkampf von ihrer Partei auch genauso behandelt. In der Stichwahl holte Feldmann 70,8 Prozent der Stimmen. Den Triumph von 2018 dokumentiert bis heute ein Plakat, das im Römer in jenem Trakt hängt, in dem der OB und seine Mitarbeiter residieren: eine Karte der Frankfurter Wahlbezirke - alle rot eingefärbt.

Wiederwahl als Wendepunkt

Vielen Beobachtern galt die Wiederwahl von 2018 als Wendepunkt in Feldmanns Karriere - der Punkt, ab dem Hybris über politischen Instinkt triumphierte. Doch schon in der ersten Amtszeit hatte es teils heftige Kritik an Feldmanns Auftreten gegeben - vor allem in der Stadtverwaltung.

Kritiker warfen ihm vor, das städtische Presseamt zunehmend für Eigen-PR zu nutzen. In den Folgejahren zierte das Konterfei des OB tatsächlich auffällig oft Plakate etwa der Verkehrsgesellschaft VGF - meist ohne ersichtlichen Zusammenhang. Selbstherrlichkeit lautete der Vorwurf, der jedoch verrauchte, weil er stets nur vom politischen Gegner kam.

Feldmanns Geschick lag darin, die richtigen Themen anzusprechen und in der Öffentlichkeit souverän aufzutreten. Das ließ die Angriffe seiner politischen Gegner ins Leere laufen. Der OB hingegen schien stets in der Offensive.

Als er dann schließlich doch in die Defensive gedrückt wurde, ging seine Taktik nicht mehr auf. Zumal ein Vorwurf im Raum steht, der viel schwerer wiegt als Selbstherrlichkeit: Korruption. Und er wird nicht vom politischen Gegner erhoben, sondern von Ermittlungsbehörden und Medien.

Vorteilsnahme und Wahlkampfhilfe

Untreue-Vorwürfe gegen die Frankfurter und Wiesbadener Arbeiterwohlfahrt (AWO) sorgten bereits seit einigen Monaten für Schlagzeilen, als im November 2019 hr-Recherchen belegten, dass Zübeyde Feldmann - seine inzwischen von ihm getrennt lebende Ehefrau - ab 2015 als Leiterin einer deutsch-türkischen Kindertagesstätte der AWO in Frankfurt ein deutlich höheres Gehalt als andere Beschäftigte in vergleichbaren Positionen erhielt.

Auch gegen Feldmann selbst wurden Vorwürfe laut: Vor seiner Wahl zum Oberbürgermeister hatte Feldmann eine Stabsstelle bei einer zur AWO Frankfurt gehörenden Stiftung. Nach Aussage einer ehemaligen AWO-Mitarbeiterin sei für ihn eine Stelle geschaffen worden, die es vorher nicht gegeben habe und die nach seinem Wechsel in das OB-Amt auch nicht mehr besetzt worden sei.

Feldmanns Reaktion bestand zunächst in dem Versuch, den Skandal auszusitzen. Presseanfragen wurden zunächst gar nicht, später nur ausgewählten Medien beantwortet. Feldmann setzte auf Zeit und eine ihm wohlgesinnte Stadtgesellschaft.

Eine Misskalkulation, wie sich zeigen sollte - und nicht die letzte. Feldmann bestritt schließlich, Einfluss auf das Gehalt seiner Frau genommen oder sonstwie von seinen Kontakten zur AWO profitiert zu haben. Zübeyde Feldmann erstattete schließlich das zu viel gezahlte Geld. Doch bezüglich des Ansehens ihres Mannes war da das Kind bereits in den Brunnen gefallen.

AWO-Affäre: immer neue Vorwürfe

Zumal immer neue Vorwürfe ans Licht kamen: Im August 2020 berichtete der hr über eine mögliche versuchte Einflussnahme Feldmanns zugunsten der AWO. Demnach soll sich der OB 2018 bei Verhandlungen zwischen Stadt und AWO für den Sozialverband eingesetzt haben, der ein AWO-Pflegeheim zur Flüchtlingsunterkunft umwidmen wollte.

Derweil wurde immer deutlicher, wie groß das Netz der gegenseitigen Bevorteilung diverser AWO-Funktionäre in Frankfurt und Wiesbaden war. Dazu zählten auch jahrelange politische Weggefährten Feldmanns. Das färbte ab.

Feldmann wirkte bei öffentlichen Auftritten zunehmend instinktlos. Im November 2020, mitten in der zweiten Corona-Welle und kurz vor dem zweiten Lockdown, wollte Feldmann mit günstigen ÖPNV-Tickets tausende Menschen zum Shopping in die Frankfurter Innenstadt lotsen - und ruderte erst zurück, als die Kritik ohrenbetäubend laut wurde. Der Draht zur Öffentlichkeit war gerissen.

Um Feldmann wird es einsam

Schließlich erhob im März 2022 die Frankfurter Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Oberbürgermeister. Im Raum steht der Verdacht der Vorteilsnahme - nicht nur wegen des überhöhten Gehalts seiner Ehefrau, sondern auch, weil Mitarbeiter der AWO im Wahlkampf 2018 Spenden für Feldmann eingeworben haben sollen. Im Gegenzug soll Feldmann der AWO versichert haben, künftig ihre Interessen "wohlwollend zu berücksichtigen", so die Staatsanwaltschaft.

Um den einstigen Hoffnungsträger ist es inzwischen ziemlich einsam geworden. Dabei regiert im Frankfurter Römer seit knapp einem Jahr eine neue Koalition, der auch Feldmanns SPD angehört. Nie wäre es einfacher für den OB gewesen, die Frankfurter Stadtpolitik nach seinen Vorstellungen zu gestalten.

Eigene Partei und Eintracht Frankfurt gehen auf Distanz

Doch politisch will derzeit kaum jemand mehr etwas mit ihm zu tun haben - nicht mal seine eigene Partei. Diese forderte ihr angeschlagenes Aushängeschild am Montag nach dem Bekanntwerden einer sexistischen Bemerkung gegenüber Flugbegleiterinnen auf dem Weg zum Europa-League-Finale nach Sevilla zum umgehenden Rücktritt auf.

Zuvor hatte die SPD noch erklärt, dass Feldmann sein Amt niederlegen müsse, sollte das Hauptverfahren zugelassen werden. Feldmann selbst will bis zur nächsten Wahl 2024 durchhalten und dann nicht mehr antreten.

Bis dahin könnte sich Feldmann zu einer noch deutlich schwereren Hypothek für die Frankfurter SPD entwickeln. Nach Bekanntwerden der Ermittlungen gegen ihn hatte Feldmann verkündet, sich nicht verstecken zu wollen, aber "bei öffentlichkeitswirksamen Auftritten und bei Veranstaltungen Augenmaß walten zu lassen". Besonders gut zu gelingen scheint ihm das allerdings nicht.

Selbst im Frankfurter Waldstadion bei der Eintracht ist Feldmann nach seiner Rolle bei der Europa-League-Feier, bei der er unter anderem den Siegerpokal eigenmächtig an sich riss, nicht mehr gern gesehen. "Wir können uns eigentlich nicht vorstellen, dass wir ihn noch mit gutem Gewissen bei unseren Spielen willkommen heißen", sagte Eintracht-Vorstand Axel Hellmann im hr-heimspiel! am Montagabend. "Ich finde es beschämend", kommentierte Hellmann den Auftritt des OB: "Eitelkeit und Narzissmus sind die Begriffe, die mir dazu einfallen."

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen