Peter Feldmann am Rednerpult nachdenklich mit gesenktem Kopf.

Die Frankfurter Stadtverordneten haben Oberbürgermeister Feldmann mit Zweidrittelmehrheit abgewählt. Die Fraktionen hätten sich für den Weg der Konfrontation entschieden, kommentierte Feldmann das Ergebnis. Nun läuft alles auf einen Bürgerentscheid am 6. November hinaus.

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Stadtverordnete wählen OB Feldmann ab

hessenschau vom 15.07.2022
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Irgendwann wurde es Vorsteherin Hilime Arslaner (Grüne) zu bunt. Mehrfach hatte sie zu Beginn der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag versucht, Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) zu unterbrechen. Der hatte beantragt, die kostenlose Krippenbetreuung als Tagesordnungspunkt vorzuziehen. Als Feldmann unbeirrt immer weitersprach, stellte Arslaner unter dem Applaus der Stadtverordneten das Mikro schließlich ab.

67 Stadtverordnete stimmen für Abwahl

Damit nahm die Stadtverordnetenvorsteherin in gewisser Weise vorweg, was einige Stunden später im Frankfurter Römer geschah: Unter Tagesordnungspunkt fünf wählte die Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt zusammen mit der oppositionellen CDU den Oberbürgermeister ab. Insgesamt stimmten 67 Stadtverordnete für den Antrag NR 431, der das Abwahlverfahren gegen Feldmann einleitet. Damit war die nötige Zweidrittelmehrheit erreicht. Nötig gewesen wären 62 Stimmen.

Nun hat der Frankfurter Oberbürgermeister eine Woche Zeit, die Abwahl anzunehmen und seinen Chefsessel zu räumen. Macht er das nicht - wovon viele ausgehen - kommt es am 6. November zu einem Bürgerentscheid - was aber einige Tücken und Risiken unter anderem finanzieller Art birgt.

Um einen Bürgermeister aus dem Amt zu entfernen, müssen die Bürger zum einen mehrheitlich für die Abwahl stimmen - also mit "Ja". Zum anderen müssen die Ja-Stimmen 30 Prozent der Wahlberechtigten ausmachen. Je nachdem, wie viele Nein-Stimmen es gibt, ist also eine Wahlbeteiligung von 30 Prozent plus X nötig. Zuletzt hatten sich an den OB-Wahlen gerade einmal 37,6 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt. Die Kosten für den Bürgerentscheid werden auf etwa 1,6 Millionen Euro geschätzt.

Feldmann bietet Fraktionen "Fairness-Pakt" an

Feldmann reagierte mit "Bedauern und großer Sorge" auf die Entscheidung des Stadtverordneten und ließ durchblicken, dass er das Votum nicht annehmen werde. "Eine Abwahl ist nicht nur teuer, sondern auch unnötig", teilte er mit. Er habe den Fraktionen einen freiwilligen Rückzug Ende Januar angeboten. Doch die Fraktionen hätten sich für den Weg der Konfrontation entschieden. Um eine wenige Wochen kürzere Amtszeit nähmen sie eine monatelange Lähmung der Kommunalpolitik in Kauf.

Für den Fall des Bürgerentscheids mahnte Feldmann eine faire Auseinandersetzung an. "Ich appelliere an die Fraktionen, von der angekündigten Schmutzkampagne gegen meine Person Abstand zu nehmen. Ich selbst werde mit gutem Beispiel vorangehen." Deshalb werde er den Fraktionen einen "Fairness-Pakt" anbieten.

SPD-Fraktionschefin: "Kein seriöser Vorschlag"

Bis zuletzt hatte Feldmann sich gegen eine Abwahl zu diesem Zeitpunkt gestemmt. Doch selbst die eigene Partei hatte sich längst von ihm abgewendet. "Wir haben nach ganz intensiven Gesprächen mit Peter Feldmann keine andere Möglichkeit mehr gesehen", erklärte SPD-Fraktionsvorsitzende Ursula Busch am Abend in der hessenschau die Zustimmung ihrer Fraktion zu der Abwahl.

In ihren Gesprächen sei keine klare Linie von Feldmann erkennbar gewesen, Dinge die vereinbar worden seien, seien widerrufen worden. Der Vorschlag sich im Januar abwählen zu lassen, sei für sie nicht mehr als seriös erkennbar gewesen. Busch spielte damit vermutlich auch auf die Irritationen an, die Feldmann am vergangenen Montag ausgelöst hatte, als er sagte, dass die Option "vorzeitiger Ruhestand" für ihn keine mehr sei - obwohl er genau dies einige Tage zuvor noch ins Spiel gebracht hatte.

Grünen-Fraktionschefin: "OB, der immer wieder Haken schlägt"

"Wir haben erlebt, wie er verschiedene Volten gedreht hat", sagte Tina Zapf-Rodriguez, die Fraktionsvorsitzende der Grünen. Dabei sei das Vertrauensproblem das größte Problem. "Wie sollen wir einem Oberbürgermeister vertrauen, der immer wieder Haken schlägt?", fragte die Grünen-Politikerin. Nun gehe es darum, eine Schlammschlacht vor dem Bürgerentscheid zu vermeiden. "Aber es ist natürlich so, dass das Quorum eine riesige Hürde ist", sagte Zapf-Rodriguez. "Es muss also etwas passieren, dass genügend Frankfurterinnen und Frankfurter auch an die Wahlurne gehen."

"Wenn Peter Feldmann von Fairness spricht, wäre es jetzt fair von ihm, die Abwahl hinzunehmen und auf den Bürgerentscheid zu verzichten", erklärte FDP-Fraktionschef Yanki Pürsün. Man habe in letzten Wochen sehr viel mit Feldmann gesprochen und nach einer besseren Lösung gesucht. "Dass wir diese nicht gefunden haben, lag an ihm", betonte Pürsün. Feldmanns Reaktion auf seine Abwahl zeige, "dass es richtig war, sich nicht auf ihn einzulassen." Feldmann sei "nicht zuverlässig und nicht vertrauenswürdig".

Volt-Fraktionschef: "Feldmann inszeniert sich als Opfer"

Martin Huber, Fraktionsvorsitzender von Volt, sagte, dass Feldmann als Oberbürgermeister im Oktober vor Gericht stehe, produziere einen großen Imageschaden für die Stadt Frankfurt: "Und das Bild, das dadurch nach außen getragen wird, produziert Politikverdrossenheit." Feldmann verkenne Ursache und Wirkung vollkommen, "aus meiner Sicht inszeniert er sich jetzt als Opfer einer politischen Kampagne", sagte Huber. Doch das sei "überhaupt nicht der Fall."

Druck immer größer geworden

Der Druck auf Feldmann war in den vergangenen Wochen und Monaten immer größer geworden. Feldmann steht zum einen wegen der AWO-Affäre in der Kritik. Die Staatsanwaltschaft hatte im März Anklage wegen eines hinreichenden Tatverdachts der Vorteilsannahme erhoben, das Landgericht hat die Anklage zugelassen. Demnach habe Feldmanns Frau als Leiterin einer AWO-Kita "ohne sachlichen Grund" ein übertarifliches Gehalt bezogen. Zudem soll die AWO Feldmann im Wahlkampf 2018 durch Einwerbung von Spenden unterstützt haben. Im Gegenzug habe er die Interessen der AWO Frankfurt "wohlwollend berücksichtigen" wollen. Im Oktober muss sich Feldmann wegen dieser Korruptionsvorwürfen vor Gericht verantworten. Feldmann streitet die Vorwürfe ab.

Zudem hatte sich der 63 Jahre alte Feldmann rund um das Europapokal-Finalspiel der Eintracht und die Siegesfeier mehrere Fehltritte geleistet und für Irritationen gesorgt. So zeigte beispielsweise ein Video, wie er sich sexistisch gegenüber Flugbegleiterinnen äußerte. Zuletzt hatte er die wachsende Kritik in einem Art Selbst-Interview zu entkräften versucht. In einer E-Mail an alle städtischen Beschäftigten konfrontiert sich Feldmann selbst mit allen Vorwürfen und Fragen. Das sorgte auch außerhalb der Stadtverwaltung für Aufsehen.

Feldmann war erstmals 2012 zum Oberbürgermeister der größten hessischen Stadt gewählt und 2018 für weitere sechs Jahre in seinem Amt bestätigt worden. Im Römer regiert eine Bündnis aus Grünen, SPD, FDP und Volt.

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