Hessen-CDU nach Bouffiers Rückzug Boris Rhein soll Ministerpräsident und Parteichef werden

Der bisherige hessische Landtagspräsident Boris Rhein soll Volker Bouffier als Ministerpräsident und CDU-Landeschef nachfolgen. Das hat die Parteispitze beschlossen, nachdem Bouffier seinen Rückzug angekündigt hatte.
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Der Bouffier-Nachfolger – Boris Rhein

Am 31. Mai wird sich Landtagspräsident Boris Rhein im Parlament in Wiesbaden zur Wahl zum neuen Regierungschef in Hessen stellen. Das haben er und Noch-Ministerpräsident Volker Bouffier am Freitag in Fulda nach einer Klausurtagung der hessischen CDU gemeinsam mitgeteilt. Seinem Vorschlag für die Nachfolge seien die Spitzenvertreter der Partei einstimmig gefolgt, sagte Bouffier.
Bouffier kündigte auch an, Anfang Juli bei einem regulären Parteitag nicht mehr für das Amt des CDU-Landesvorsitzenden anzutreten. Auch hier soll ihm Rhein nachfolgen. Beide Ämter in Personalunion zu besetzen, habe sich bewährt. Rhein kündigte an, die Partei zu einer "Bürger- und Mitmachpartei" formen zu wollen. Die hessische CDU müsse "jünger, bunter und weiblicher" werden.
Der 70 Jahre alte Bouffier hatte am Freitagvormittag bekanntgegeben, dass er als Regierungschef nach fast zwölf Jahren noch vor Ende der laufenden Legislaturperiode aufhören werde. Es handele sich um eine Zäsur, die er seit vergangenem Sommer in einem "sehr sorgfältigen Prozess" vorbereitet habe, sagte Bouffier.
Rhein: Partei brennt auf Wahlerfolg
Bouffier-Nachfolger Rhein nannte die einstimmige Nominierung ein "Signal der Geschlossenheit". Es sei ein "Wechsel in Übereinstimmung und Freundschaft" - kein Bruch, sondern eine Staffelübergabe. Rhein fügte wegen des Ergebnisses bei der Nominierung hinzu: "Ich bin überwältigt." Das sei eine gute Grundlage für einen Erfolg bei der Landtagswahl im kommenden Jahr. "Die Partei brennt darauf, diese Wahl zu gewinnen", sagte der 50-Jährige.
Bei der Abstimmung im Landtag braucht Rhein neben der Zustimmung der CDU-Fraktion auch die der Grünen. Die Koalition hat lediglich eine Stimme mehr als die Opposition. Bouffier zeigte sich überzeugt, dass das Bündnis auch ohne ihn wie bisher stabil funktionieren werde. Die Grünen seien selbstverständlich vor der Öffentlichkeit informiert worden. Rhein betonte, er habe stets ein gutes Verhältnis zum Koalitionspartner gehabt.
„Ich halte den jetzigen Zeitpunkt für richtig. CDU und Bündnis90/Die Grünen bilden eine stabile Regierungskoalition, und ich bin überzeugt, dass diese auch ohne mich erfolgreich fortgeführt werden wird.“Zitat Ende
Wie Rhein machten auch die Grünen in einer Reaktion auf den Bouffier-Rückzug klar, dass die weitere Zusammenarbeit durch den geltenden Koalitionsvertrag verlässlich gesichert sei. Zwar wählten die Landtagsabgeordneten und nicht Parteien den Regierungschef, betonte der Fraktionsvorsitzende Mathias Wagner. Aber er unterstrich: "Wir sind zuversichtlich, dass wir mit Boris Rhein weiterhin erfolgreich zusammenarbeiten werden." Bei der Landtagswahl 2023 würden die Karten dann neu gemischt.
"Keine leichte Entscheidung"
Der Wechsel kommt nicht unerwartet. Dass es auf Rhein als Nachfolger hinausläuft, berichtete der hr bereits am Donnerstag. Der Jurist ist seit 2019 Parlamentspräsident. Zuvor war er in Bouffiers Kabinetten erst Innenminister, dann Minister für Kultur- und Wissenschaft. Ihm hing lange nach, dass er bei der Wahl des Frankfurter Oberbürgermeisters 2012 überraschend und klar gescheitert war.
Bouffiers Amtszeit als Ministerpräsident wäre regulär erst nach der nächsten Landtagswahl zu Ende gegangen, die voraussichtlich im Herbst 2023 stattfinden wird. Seit 2010 ist er Ministerpräsident und damit derzeit dienstältester Regierungschef eines Bundeslands.
Insgesamt sei er nun 27 Jahre in der Regierungsverantwortung in Hessen, betonte Bouffier. Von 1999 bis zur Übernahme des Amts als Ministerpräsident von Roland Koch (CDU) war er Innenminister, davor Staatssekretär. Nach so langer Zeit sei es nötig, sich selbst und der Öffentlichkeit "Klarheit zu verschaffen, ob man das Amt weiter wahrnehmen soll, kann und will", sagte der Ministerpräsident. Er fügte hinzu: "Alles hat seine Zeit. Der jetzige Zeitpunkt ist der richtige."
Bouffiers persönliche Erklärung
Die Hessische Staatskanzlei hat Bouffiers persönliche Erklärung auf ihrer Homepage veröffentlicht.
Ende der weiteren InformationenGrünen werden gebraucht
Eine leichte Entscheidung sei der Rückzug für ihn nicht gewesen, räumte Bouffier ein. Er habe zunächst nur wenige in der eigenen Partei und auch beim grünen Koalitionspartner ins Vertrauen gezogen.
Der Mann aus Gießen galt lange als Hardliner. Später fuhr er einen ausgleichenden Kurs, stützte Kanzlerin Angela Merkel auch innerparteilich - nicht zuletzt, als sie 2015 wegen ihrer Flüchtlingspolitik in der Kritik Konservativer in der CDU stand. 2014 fädelte er die erste schwarz-grüne Koalition in einem Flächen-Bundesland ein.
Der vorzeitige Wechsel an der Regierungspitze keine zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl hat zahlreiche Vorbilder in der Politik. Es könnte ein Vorteil sein, wenn der CDU-Spitzenkandidat mit der Bekanntheit als amtierender Ministerpräsident ins Rennen geht.
Hinter den Kulissen
Bis zu seinem Tod vor zwei Jahren galt der damalige Finanzminister Thomas Schäfer als klarer Favorit für die Bouffier-Nachfolge. Einen eindeutigen Kandidaten gab es danach nicht. Zu denen, die in der Hessen-CDU bis zuletzt gehandelt wurden, zählte unter anderem Innenminister Peter Beuth. Er wird wie Rhein zum konservativen Flügel gezählt.
Öffentlich äußerte als einziger Kultusminister Alexander Lorz Interesse - falls Bouffier nicht selbst weitermache. Schon seit einiger Zeit stand die Frage im Raum, ob der Ministerpräsident noch einmal für das Spitzenamt kandidieren wolle oder nicht. Bouffier war 2019 an Krebs erkrankt, was er überstand. Im vergangenen Oktober wurde das Drängen aus der Partei stärker, er möge sich zu seiner politischen Zukunft erklären.
Als Vize-Vorsitzender der Bundespartei hatte Bouffier maßgeblich die Kanzlerkandidatur von Armin Laschet unterstützt. Nach dessen Scheitern kündigte Bouffier vor Weihnachten öffentlich an, sich bis zum Frühjahr über seine Pläne zu äußern. Am Freitag betonte er, seinen Rückzug schon Monate vorher beschlossen zu haben.