Ministerpräsident Volker Bouffier mit Ute Wellstein im hr-Interview

40 Jahre Landespolitik, 12 Jahre Regierungschef: In ein paar Tagen ist damit für Hessens Ministerpräsidenten Bouffier Schluss. Im Abschiedsinterview mit dem hr zieht der CDU-Politiker Bilanz, spricht über Streit mit Ex-Kanzlerin Merkel und Schicksalsschläge - und über eigene Kanzlerambitionen.

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Interview zum Abschied des Ministerpräsidenten

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Ein Wochenende noch, dann am Montagabend die feierliche Serenade mit vielen Promis am Biebricher Schloss, am Tag darauf schließlich die formelle Rücktrittserklärung vor dem Landtag: Die lange politische Karriere von Volker Bouffier (CDU) geht zu Ende.

Im Interview "Was bleibt, Herr Bouffier?" hält der 70-Jährige gemeinsam mit hr-Landtagsstudioleiterin Ute Wellstein Rückschau. Es geht um Erfolge und Versäumnisse, um harte Prüfungen - und wie er als Politiker in Erinnerung bleiben will.

Wie es Bouffier mit dem Abschied geht

Eine Zeit lang schien es, als würde der "ewige Bouffier" noch ein paar Jahre dranhängen. Wehmut verspürt er nun beim Rückzug aus der Politik nach eigenen Angaben aber eher weniger. Aber auch keine Erleichterung. "Das Hauptgefühl ist Dankbarkeit", sagt er.

In der Politik habe er mitgestalten können und viele bereichernde Begegnungen gehabt - mit weltberühmten, aber auch ganz normalen Leuten. "In der Summe hat es viel Freude gemacht."

Wie der kleine Volker den großen Adenauer traf

"Das war mein erster großer Auftritt", sagt Bouffier zu einer Begegnung mit dem legendären ersten deutschen Bundeskanzler. Er durfte Adenauer bei dessen Gießen-Besuch in den 1950er Jahren zur Begrüßung Blumen überreichen.

Zu der Rolle war Bouffier gekommen, weil er in einer CDU-Familie groß wurde: Ein Opa gründete die Gießener CDU mit, der Vater war Oppositionsführer im Stadtparlament.

Der kleine Volker Bouffier überreicht Konrad Adenauer Blumen

Politisches Erwachen - und wo die meisten Eier flogen

Die Polit-Karriere begann in den 1960ern, der Zeit der Studentenrevolte. "Gefühlt war ich der einzige nicht-linke Schulsprecher zwischen Frankfurt und Kassel", sagt Bouffier. Das habe ihn geprägt: "Die Linken haben mich schon immer abgestoßen, weil sie intolerant waren."

Wo immer er und seine Freunde damals hingekommen seien: "Es flogen die Eier, es flogen die Tomaten." Am schlimmsten sei es in Frankfurt gewesen. Damals habe er gelernt standzuhalten.

Wurzeln am Balkan - und "wie die Leute beschissen werden"

2017 besuchte Bouffier den Ort Nova Pazova westlich von Belgrad, um einen Wunsch seiner Mutter zu erfüllen. Sie hatte am Ende des Zweiten Weltkriegs als Angehörige der deutschen Minderheit der Donauschwaben von dort fliehen müssen. "Meine Verbundenheit zum Balkan ist nach wie vor gegeben."

1963 war er zum ersten Mal dort. Grausige Erzählungen von der Flucht, aber auch die Lage der Menschen im damaligen Jugoslawien hinterließen prägende Erinnerungen: "Dann erlebst du ein kommunistisches System und wie die Leute beschissen werden."

Was 2015 falsch lief

Überfüllte Aufnahmeeinrichtungen, Notquartiere in Turnhallen: Von 2015 an kamen nach Hessen viele Flüchtlinge. "Wir hätten uns bemühen müssen, schneller Ordnung in die Sache zu bringen", sagt Bouffier heute. Hessen habe mit einem einzigartigen Aktionsplan aber "vieles einigermaßen hinbekommen".

Worüber er mit Ex-Kanzlerin Merkel heftig gestritten hat

Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält sich öffentlich zurück, kommt nicht zu Bouffiers Abschied. Sie hat mit ihm aber gerade telefoniert. Ihr Erfolgsgeheimnis seien bewundernswerte Sachkenntnisse und die Fähigkeit gewesen, die Dinge zusammenzubringen. Die Menschen hätten gemerkt: "Sie macht es aus Überzeugung."

Bei aller Verbundenheit habe man aber öfter auch miteinander gestritten. In der Corona-Krise zum Beispiel wegen Lockdowns für Schulen, die er habe vermeiden wollen. "Da sind wir heftig aneinandergeraten."

Volker Bouffier und Angela Merkel

Der Moment, als er selbst am liebsten Kanzler geworden wäre

Kanzler Volker Bouffier? Die Frage habe sich nie konkret gestellt. "Wenn es sich ergeben hätte, hätte ich kandidiert", sagt er, viele hätten es auch gewollt. Als die CDU um die Merkel-Nachfolge stritt, war er zu alt. "Wenn ich jünger gewesen wäre, hätte ich vor zwei Jahren die Dinge in der Union anders geregelt", sagt Bouffier.

Die Union habe damals viele Fehler gemacht. Deshalb habe er den Wechsel zu seinem Nachfolger Boris Rhein klarer geregelt. Regierungsamt, Spitzenkandidatur und Parteivorsitz - das gehöre in eine Hand.

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"hessenschau extra" und Mediathek

Das komplette Bouffier-Interview können Sie am Sonntag, 29. Mai, um 20.15 Uhr im hr-fernsehen in der Sendung "hessenschau extra" sehen. Sie finden das Interview aber auch schon jetzt in voller Länge in der ARD-Mediathek.

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Das Hardliner-Image und wie er zum Landesvater wurde

Im Innenminister-Amt galt Bouffier als "schwarzer Sheriff". Als Nachfolger seines von der CDU-Spendenaffäre geschwächten Parteifreundes Roland Koch ("brillanter Kopf") fädelte er als Regierungschef die schwarz-grüne Koalition ein, setzte mehr auf Ausgleich. "Das war immer der echte Bouffier", sagt der 70-Jährige zu dem Wandel.

Joviale Auftritte auf Hessentagen, gern mit Dirigentenstab vor Orchester: Das sei ihm ohne Verstellung leicht gefallen. Das Image des harten Hundes habe der Innenminister-Posten mit sich gebracht.

Schwere Schläge - und warum er nicht ans Hinschmeißen dachte

Mit Tränen in den Augen trat der Regierungschef vor die Presse, nachdem sich der damalige hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) zu Beginn der Corona-Krise 2020 das Leben genommen hatte. "Das war ganz schrecklich", sagte Bouffier. Aber die Menschen erwarteten, "dass da einer ist, der mit der Lage umgeht und nicht durchdreht". Im Jahr davor war Bouffiers enger Parteifreund Walter Lübcke von einem Rechtsextremisten erschossen worden.

Kritik von Gegnern, er trage dafür schon aus der Zeit als Innenminister politische Mitverantwortung, weist der scheidende Regierungschef zurück. "Man muss damit leben, dass andere ihre eigene Bewertung vornehmen." Weitere "schwere Schläge" kamen: die Attentate von Hanau und Volkmarsen. In diesen Jahren kämpfte Bouffier auch noch gegen eine Krebserkrankung. "Gerade in solchen Momenten muss man stehen."

Bouffier nach dem Tod des damaligen Finanzministers und Freundes Thomas Schäfer

Der Ritt auf dem Huhn - und warum es nie eine Homestory gab

Eine Fahrt Bouffiers auf einem tierischen Karussell im Taunus-Wunderland machte einst die Runde - und sorgte für Spott. "Alle Medienberater sagen: Um Gottes Willen", berichtet er über vielen an ihn herangetragene Fotowünsche. Oft habe er gedacht: "Na ja, machste das mit." Seine Familie habe er nie zu PR eingespannt. "Eine Homestory werden Sie von mir nicht gesehen haben."

Volker Bouffier auf einem Hahnen-Karussell

Wer den Preis für seine Politikerkarriere zahlte

Kritik, Stress, kaum Freizeit - ihm selbst hat das nicht die Freude am Politiker-Dasein genommen. "Ich bin ein in der Wolle gefärbter Freiberufler", sagt der gelernte Rechtsanwalt und Notar. Den Preis für seine Karriere hätten seine Frau und die drei Kinder gezahlt. "Die Familie und die Großfamilie, das war immer mein Halt."

Und wie Bouffier als Politiker in Erinnerung bleiben will

"Er war ein netter Kerl, und es lief eigentlich ganz ordentlich" - das wäre für Bouffier ein großes Lob. Mit seinem Amt habe er sich ohnehin nie verwechselt: "Was bleibt, ist der Mensch."

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Die Wahl des neuen Ministerpräsidenten

Am Dienstag, 31. Mai, zeigt das hr-fernsehen ab 13 Uhr die Wahl des neuen Ministerpräsidenten, der Stream wird auch auf hessenschau.de zu sehen sein. Und um 20.15 Uhr stellt sich Boris Rhein in einem "hessenschau extra: Was kommt, Herr Rhein?" den Fragen von Ute Wellstein, Leiterin des hr-Landtagsstudios in Wiesbaden.

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