Volkr Bouffier.

Nach über einem Jahrzehnt als Hessens Ministerpräsident hört Volker Bouffier auf. Als Law-and-Order-Politiker lange Zeit umstritten, hat der CDU-Politiker als Landesvater eine erstaunliche Wandlung vollzogen.

"I did it my way" – so heißt es im Sinatra-Song, den sich Volker Bouffier als Abschiedslied gewünscht hat. Man kann getrost davon ausgehen, dass das eine Botschaft sein soll: Ich habe es so gemacht, wie ich es für richtig hielt. Und damit bin ich im Reinen.

Portrait von Ute Wellstein. Daneben steht "Meinung".

Die Art Volker Bouffiers hatte viele Facetten. Als Innenminister war er der knallharte Sicherheitspolitiker, der Law-and-Order-Mann, weil er überzeugt war, dass Innenminister dem Volk genau das schulden: dass sie für Sicherheit sorgen.

Knallhart war aber auch sein Machtbewusstsein. Er stand ohne Wenn und Aber zur hessischen CDU und dem damaligen Regierungschef Roland Koch, als die Spendenaffäre durchzustehen war. Die CDU sollte im jahrzehntelang roten Hessen weiter regieren können, dem wurde vieles untergeordnet.

Leuchtturmprojekte mussten wieder abgeräumt werden

Das tat sie mit den Mehrheiten, die sie hatte, ohne sich besonders um den Ausgleich mit denen zu bemühen, die die Dinge anders sahen. Dieser brutalstmögliche Kurs rächte sich. Denn viele der damals brachial durchgesetzten Leuchtturmprojekte mussten später wieder abgeräumt werden: die Studiengebühren und das Abitur nach zwölf Jahren zum Beispiel. Die Privatisierung der Unikliniken Gießen und Marburg gilt mittlerweile auch in der CDU als politischer Fehler, der nur nicht so einfach wieder rückgängig zu machen ist.

Als Ministerpräsident erfand Volker Bouffier sich und seine Art neu. Er wolle die Gesellschaft zusammenhalten, das war nun sein Credo. Er lud zum Energiegipfel – und fand tatsächlich einen Kompromiss, den alle Parteien außer der Linken mittrugen. Zwei Prozent der Landesfläche für Windräder auszuweisen, bis 2050 klimaneutral zu sein – das, was in Hessen vor elf Jahren beschlossen wurde, gilt heute als vorbildlich.

Vorreiter beim Bündnis Schwarz-Grün

Er schmiedete als erster Regierungschef in einem Flächenland ein Bündnis zwischen CDU und Grünen – ausgerechnet in Hessen, wo die beiden Parteien als unversöhnliche Gegner gegolten hatten. Auch damit war Volker Bouffier ein Vorreiter, schließlich werden solche Bündnisse nun gerade in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen angestrebt.

Die Grünen-Landtagsfraktion, die zu Beginn der schwarz-grünen Zusammenarbeit noch peinlich darauf geachtet hatte, auf den gemeinsamen Fotos mit Bouffier nicht allzu freundlich dreinzuschauen, verabschiedete ihn nun sichtlich gerührt.

Besonnenheit als Leitmotiv

Aus dem Hardliner war der Landesvater geworden. Das Vertrauen, das die Hessinnen und Hessen in ihn setzten, zahlte sich nicht nur in seiner zweimaligen Wiederwahl aus. In der Corona-Pandemie machte sich bezahlt, dass an der Spitze des Landes ein Mann stand, dem die Menschen vertrauten, dass er sie gut durch diese existentielle Krise führen würde. "Besonnenheit" machte er zu seinem Leitmotiv.

Er tat das in einer Zeit, die ihm persönlich mehr aufbürdete, als manch einer zu tragen vermocht hätte: Bouffier hatte gerade erst eine Krebserkrankung überstanden. Sein Freund und Weggefährte Walter Lübcke war von einem Rechtsextremisten erschossen worden. In Hanau ermordete ein rassistischer Attentäter zehn Menschen, in Volkmarsen raste ein Autofahrer absichtlich in einen Karnevalszug. Und dann beging sein Finanzminister Thomas Schäfer Suizid.

Das war der Moment, in dem man Volker Bouffier mit Tränen in den Augen vor der Presse stehen sah. Aber aufzuhören – das habe er nie erwogen, sagt er. Weil das Land in diesen schweren Zeiten jemanden brauchte, dem es vertrauen konnte.

"Ich habe Respekt vor dieser Lebensleistung"

Jetzt geht er. Gerade noch rechtzeitig, um sagen zu können, dass er es aus eigenem Entschluss tut, denn in der Partei hatte es nach der verlorenen Bundestagswahl angefangen zu rumoren. So, wie es Angela Merkel gemacht hatte, wollte er es nicht tun. Sie hatte ihre Amtszeit zu Ende gebracht, neben ihr konnte sich kein Nachfolger profilieren, und die CDU verlor die Macht im Land.

Dafür will Volker Bouffier in Hessen nicht verantwortlich gemacht werden. Deshalb hat er seine Nachfolge relativ geräuschlos geregelt und übergibt knapp eineinhalb Jahre vor der nächsten Landtagswahl an seinen Nachfolger.

Man muss nicht alles gut finden, was Volker Bouffier in den 40 Jahren tat, seit er zum ersten Mal in den Landtag einzog. Aber sich vier Jahrzehnte in den Dienst der Öffentlichkeit zu stellen, als Abgeordneter, Staatssekretär, Innenminister und schließlich Ministerpräsident, das verdient Anerkennung. Ich habe großen Respekt vor dieser Lebensleistung.

Serenade mit 600 Weggefährten

Überall, wo er dieser Tage hingekommen ist auf seiner Abschiedstournee, sind ihm Anerkennung und Respekt entgegengebracht worden. Im notorisch nüchternen Bundesrat gab es stehend Applaus von den anderen Ministerpräsidenten, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Landesverwaltung haben ihn in Brüssel und Berlin bewegt verabschiedet und nun gab es zu seinen Ehren im Biebricher Schloss eine Serenade, eine militärische Zeremonie, auf der 600 Weggefährten Abschied nahmen.

"My way" wurde dort gespielt werden. Er hat es auf seine Art gemacht. Und im Großen und Ganzen war es gut so.

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Die Wahl des neuen Ministerpräsidenten im hr

Am Dienstag, 31. Mai, zeigt das hr-fernsehen ab 13 Uhr die Wahl des neuen Ministerpräsidenten, der Stream wird auch auf hessenschau.de zu sehen sein. Und um 20.15 Uhr stellt sich Boris Rhein in einem "hessenschau extra: Was kommt, Herr Rhein?" den Fragen von Ute Wellstein, Leiterin des hr-Landtagsstudios in Wiesbaden.

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