SPD-Landeschefin Nancy Faeser inmitten von Parteifreunden beim Parteitag in Marburg

Mit einer Kampfansage an die CDU und einem Bekenntnis zu Hessen hat Nancy Faeser letzte Zweifel praktisch ausgeräumt, dass sie bei der Landtagswahl als Spitzenkandidatin antreten will. Das starke Wahlergebnis beim Parteitag hilft ihr.

Videobeitrag

Video

Nancy Faeser als SPD-Vorsitzende wiedergewählt

hs_070522
Ende des Videobeitrags

Dieses Mal ist vieles anders als vor zwei Jahren in der düsteren Mehrzweckhalle in Baunatal (Kassel), als Nancy Faeser die Führung der hessischen SPD übernahm. Wieder einmal war eine Landtagswahl unter Führung des glücklosen Thorsten Schäfer-Gümbel für die Sozialdemokraten gescheitert, im Bund quälten sie sich als Juniorpartner in einer ungeliebten Großen Koalition.

Die Landtagsabgeordnete Nancy Faeser übernahm in jenem November 2019. Sie bekam mit 88,8 Prozent ein ordentliches, aber keineswegs begeistertes Ergebnis. Jemand musste es ja schließlich machen, und sie hatte sich angeboten.

Dieses Mal scheint die Sonne auf dem Parteitag. Das liegt zwar vor allem daran, dass man trotz der abflauenden Corona-Pandemie sicherheitshalber unter dem Tribünendach des Gaßmann-Stadions in Marburg zusammentrifft. Doch auch sonst ist alles anders.

Optimistische bis kämpferische Stimmung

Die Landtagsabgeordnete von damals ist mittlerweile die von ihren Leuten gefeierte Bundesinnenministerin, rechts und links der Rednerbühne stehen unauffällige Herren mit Sonnenbrillen, ihre Personenschützer. Und die Stimmung unter den hessischen Genossen ist optimistisch bis kämpferisch. Sie wollen Hessen wieder zu einem SPD-Land machen.

Als Nancy Faeser schließlich "Mein Herz ist in Hessen!" ruft, da ist die unausgesprochene Frage beantwortet. Niemand im Marburger Gaßmann-Stadion kann noch einen Zweifel daran haben, dass sie Ministerpräsidentin von Hessen werden will. Als sie noch hinzufügt, sie wolle dafür kämpfen, "dass Hessen wieder rot wird", wird das Klatschen auf der Stadiontribüne rhythmisch, stehen die Delegierten von ihren Sitzen auf.

Gewünschtes Signal

Von diesem Parteitag geht das gewünschte Signal aus: Die hessische SPD steht voll und ganz hinter ihrer Parteichefin. Und mehr noch: Ist Nancy Faeser bisher noch der Frage ausgewichen, ob sie die Hessen-SPD als Spitzenkandidatin in den Landtagswahlkampf im kommenden Jahr führen will, so meldet sie ihren Anspruch darauf an diesem sonnigen Samstag in Marburg mehr als deutlich an.

Das Video-Grußwort des Bundeskanzlers Olaf Scholz gibt schon die ersten Hinweise darauf, was die Genossinnen und Genossen auf dem Landesparteitag bewegt. Als er sagt, der Ukrainekrieg sei "durch nichts, nichts zu rechtfertigen", gibt es spontanen Applaus. Als er Verteidigungsministerin Christine Lambrecht lobt, sie leiste großartige Arbeit, rührt sich in ihrem eigenen Landesverband keine einzige Hand. Und als er Nancy Faeser für ihre Wiederwahl als Parteichefin ein Ergebnis wünscht, "das dir den Rückhalt gibt, den du für deine Arbeit in Hessen und im Bund gut gebrauchen kannst", gehen die folgenden Sätze des Kanzlers im Applaus unter.

Als gebe der Kanzler seine Innenministerin frei

Das klingt, als gebe der Kanzler seiner Innenministerin den Segen dafür, dass sie nach Hessen zurückstrebt. Nach 23 Jahren CDU-geführter Landesregierung im einstmals roten Hessen wäre es ein Riesenerfolg für die SPD, das Land zurückzuerobern. Das würde auch dem Kanzler Rückenwind geben.

Doch trotz ihrer nun größeren Bekanntheit durch das Amt der Bundesinnenministerin, trotz ihrer neu erworbenen Regierungserfahrung dürfte das alles andere als einfach werden. Ende Mai soll der CDU-Mann Boris Rhein zum Ministerpräsidenten gewählt werden. "Ein durchschaubares Manöver, um Boris Rhein den Amtsbonus zu verschaffen", nennt Faeser das. Auch die Grünen werden vermutlich mit Tarek Al-Wazir einen starken Kandidaten für die Landtagswahl ins Rennen schicken.

Wiedergewählt mit 94,3 Prozent

Als der Wahlgang zum Parteivorsitz eröffnet wird, gibt Nancy Faeser zu, dass sie nervös sei. "Können wir etwas für dich tun?", fragt eine Genossin. "Ihr könnt mich wählen", sagt Faeser. Ihre Nervosität ist unnötig. Mit mehr als 94,3 Prozent wird sie viel besser abschneiden als vor zwei Jahren in Baunatal.

Sie hat es jetzt schriftlich von ihrer Partei, dass sie als Spitzenfrau unangefochten ist. Auf der Tribüne gibt es minutenlangen Jubel und Applaus und den Ruf: "Auf geht's, Nancy!"

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen