Wie kam es zur Eskalation, was ging schief? Viele Fragen zum tödlichen Polizeieinsatz im Frankfurter Bahnhofsviertel lässt Innenminister Beuth im Landtag offen. Dass der Einsatz von Anfang an überzogen war, weist er zurück.

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Fragen an Innenminister nach tödlichem Polizeieinsatz

hessenschau vom 08.09.2022
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In der politischen Auseinandersetzung um einen tödlichen Polizeieinsatz im Frankfurter Bahnhofsviertel ist Innenminister Peter Beuth (CDU) Kritik der Linksfraktion im Landtag entgegengetreten.  Es habe sich beim Grund für die Stürmung eines Hotelzimmers "um ein bisschen mehr" als einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz gehandelt, sagte er am Donnerstag im Innenausschuss in Wiesbaden.

Beuth reagierte damit auf den Vorhalt des Linken-Abgeordneten Torsten Felstehausen. Der hatte den Minister mit einem Fragenkatalog mit 28 Punkten konfrontiert. Anfang August erschoss ein Polizist einen 23 Jahren alten Somalier, nachdem ein SEK-Kommando dessen Zimmer gestürmt hatte.

Die Linke geht davon aus, dass der Einsatz wegen eines überzogenen Vorgehens der Polizei auf furchtbare Weise schiefging. Felstehausen sprach von einer "fast ortsüblichen Situation", in der es letztlich um einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz gegangen sei. Dass 80 Einsatzkräfte anrückten und die Sache eskalierte, erschließt sich dem Linken-Politiker nach eigenen Angaben nicht.

Waffen waren nicht echt

Beuth betonte, dass es nicht nur um illegale Drogen gegangen sei. Der später Getötete habe zwei Prostituierte laut deren Aussage zum Drogenkonsum zwingen wollen. Dann soll er die beiden mit einem Klappmesser mit 20-Zentimeter-Klinge aus dem Zimmer gejagt haben.

Die Frauen schilderten einer Polizeistreife außerdem, in dem Raum noch eine revolverähnliche Waffe gesehen zu haben. Ein Polizeivertreter bestätigte im Innenausschuss: Die vermeintliche Waffe entpuppte sich später als "ein Spielzeug und ein Feuerzeug, die aussahen wie Waffen".

Viele Fragen offen

In dem Fall sind noch einige Fragen offen. Wie genau lief der Einsatz ab? Warum wurde gestürmt, wenn der Somalier alleine im Zimmer war? Warum feuerte der Polizist sechs Schüsse ab? Wie kam es, dass eine Kugel von oben in den Schädel eindrang?

Zu all dem sagte Beuth nichts, da im laufenden Verfahren die Staatsanwaltschaft zuständig sei. Ermittelt werde wie in solchen Fällen üblich wegen des Verdachts auf Totschlag. Geprüft werde auch, ob Fehler bei Einsatzplan und Einsatz gemacht wurden. "Wir sind eine lernende Organisation."

Minister: SEK hatte genug Erfahrung

Der Kritik, die hinter dem Fragenkatalog der Linken stand, trat Beuth in einigen Punkten entgegen:

  • War der Einsatz mit SEK überzogen? Die Situation im Hotel brachte laut Beuth "potentiell tödliche Gefährdung" für die Polizisten mit sich: wegen des Messers und der vermuteten Waffen. Der Hotelgast sei zudem in 29 Fällen als verdächtiger Straftäter geführt worden. Es sei auch um Gewalttätigkeiten gegangen.
  • War das SEK zu unerfahren? Wegen der Affäre um rechte Umtriebe hatte Beuth das frühere SEK auflösen lassen. Die nun eingesetzten Spezialkräfte hätten jedoch alle die nötige Qualifikation und die vorgeschriebene SEK-Erfahrung von drei Jahren.
  • War der Diensthund-Einsatz nötig? Für die Polizei sei er "das geeignete Mittel zur Festnahme" gewesen. Der Hund war durch Messerstiche schwer verletzt worden. Zu unerfahren war auch das Tier laut Beuth nicht. Es habe die komplette Ausbildung für solche Einsätze absolviert. Verlor der Hundeführer wegen der Messerattacke auf sein Tier die Nerven? Das ist den Angaben zufolge ausgeschlossen: Er war es laut Beuth nicht, der schoss.
  • Spielte Rassismus eine Rolle? Die Bewaffnung, die Vorstrafen, der mögliche Alkohol- und Drogenkonsum leiteten die Polizisten laut Beuth. Hinweise auf Rassismus gebe es nicht.
  • Warum hing nach dem Abzug der Ermittler noch eine Spurenmarkierung in der Duschkabine? Das Landeskriminalamt (LKA) hat gegenüber dem hr erklärt, das könne schon mal passieren, die Marke sei nicht weiter wichtig. Auf die Frage von Ex-Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP), warum der Tatort einem hr-Bericht zufolge nicht richtig sauber gemacht worden sei, entgegnete Beuth: Nach Abschluss der Polizeiarbeit sei die Reinigung des Tatortes Sache des Eigentümers. Dass aber Papiere des Getöteten im Hotelzimmer geblieben waren, hat das LKA als Fehler identifiziert.

Beuth-Gegner unzufrieden

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Tödlicher Polizeieinsatz Thema im Innenausschuss

Polizist im Vordergrund, Flatterband und Autos und weiter Polizisten unscharf im Hintergrund
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Mangelnde Fehlerkultur diagnostizierte SPD-Innenexpertin Heike Hofmann beim Innenminister. Wie stets lässt ihrer Meinung nach Beuths Informationspolitik auch in diesem Fall viel zu wünschen übrig. Für Sicherheit im Land sorge er auch nicht. Die Linksfraktion befand, der Minister habe den Verdacht nicht ausgeräumt, dass der 23-Jährige in dem Frankfurter Hotel wegen einer unverhältnismäßigen Einsatztaktik sterben musste.

Zurückhaltend blieb die FDP. Ihr innenpolitischer Sprecher Stefan Müller betonte, eine rasche Aufklärung sei wichtig, "um Spekulationen zu Polizeigewalt schnellstmöglich den Nährboden zu entziehen". Es gelte die Unschuldsvermutung. Abläufe und Strukturen müssten auf jeden Fall überprüft werden.

Hinweis: Aus welchem Typ Schusswaffe die Schüsse bei dem Polizeieinsatz abgegeben wurden, hat die Staatsanwaltschaft noch nicht mitgeteilt. Das ist in der aktuellen Version des Textes klargestellt worden.

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