Corona-Debatte im Landtag Der Streit über die Zeit nach dem 20. März
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Bouffier wirft Ampel-Koalition Planlosigkeit bei Infektionsschutz vor

Kommt Hessen trotz der geplanten Corona-Lockerungen gut in den Herbst? Und wenn nicht: Wer ist schuld? Bei diesen Streitfragen im Landtag erhält die CDU nicht volle Rückendeckung der Grünen. Es geht ja auch um die Ampelkoalition in Berlin.
Der erste von drei Öffnungsschritten ist seit Dienstag gemacht: Wer geimpft oder genesen ist, durfte sich an diesem Tag erstmals seit Monaten wieder mit so vielen anderen Geimpften und Genesen treffen, wie er wollte. Bis zum 20. März sollen in zwei weiteren Etappen auch noch die meisten anderen Corona-Maßnahmen wegfallen. Erledigt ist mit dem Öffnungsplan aber weder die Corona-Pandemie in Hessen noch der Streit über die richtige Corona-Politik.
Neben der seit Monaten beackerten Frage nach Fehlern in den vergangenen zwei Jahren ist nun die Frage in den Mittelpunkt gerückt, wie es weitergeht: Vor allem mit Blick auf den Herbst, wenn die Pandemie wie schon 2020 und 2021 wieder aufflackern könnte. Erst einmal aber mit Blick auf den 20. März, wenn das aktuelle Infektionsschutzgesetz des Bundes ausläuft. "Dann gibt es keine Rechtsgrundlagen mehr und alle Regeln fallen ersatzlos weg", sagte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) in einer Regierungserklärung am Dienstag vor dem Landtag.
Die Corona-Debatte zum Nachschauen
Die Regierungserklärung zur Corona-Politik und die anschließende Debatte können Sie sich hier in unseren Videos aus dem Landtag in voller Länge anschauen.
Ende der weiteren InformationenMit dem Finger auf die Ampel
Bouffier äußerte sich, nachdem das Corona-Kabinett am Montag den Öffnungsbeschluss von Bund und Ländern in eine Landesverordnung gegossen hatte. Seit dem Gipfel der Ministerpräsidenten mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) Mitte der vergangenen Woche attackiert Hessens Regierungschef die Ampel-Koalition in Berlin scharf. Alle 16 Bundesländer hielten das Auslaufen des Gesetzes für falsch, betonte er im Landtag. Maßnahmen wie Maskenpflicht, Testregelungen und Hygienekonzepte müssten den Ländern weiter möglich sein.
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Landtag: Ukraine-Konflikt und Corona-Pandemie

Dass Hessen beim derzeitigen Stand im Fall des Falles wichtige Instrumente zur Pandmiebekämpfung fehlen könnten, kritisierte auch CDU-Fraktionschefin Ines Claus. Schuld sei, "dass die Ampelkoalition im Bund nach wie vor in der Frage der Corona-Bekämpfung zerstritten ist".
Grüne zwischen den Stühlen
Hintergrund: Die FDP trat in der Bundesregierung am offensivsten für Öffnungen ein, aus ihren Reihen wurde die Forderung nach eine Art "Freedom Day" laut. Kanzler Scholz dagegen und auch die Grünen wollen wie die Länder sogenannte "niedrigschwellige Basisschutzmaßnahmen" auch nach dem 20. März ermöglichen. Wie weit das ginge, ist unklar. Darunter könnte eine Maskenpflicht in Bussen und Bahnen fallen, aber auch erneute Zugangsbeschränkungen je nach Impf-, Genesenen- oder Teststatus.
Angesichts der eigenen Regierungsbeteiligung in Berlin machte der Koalitionspartner der CDU in Hessen klar: Er sieht die Gesetzeslage nach dem 20. März viel weniger ernst. Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner hält zwar "weiterhin Basisschutzmaßnahmen wie beispielsweise das Maskentragen“ für nötig. Eine entsprechende Anpassung des Infektionsschutzgesetzes werde derzeit im Bund aber auch beraten.
"Ich gehe fest davon aus, dass sie rechtzeitig verabschiedet wird“, sagte Wagner. Ohne die FDP zu nennen, die in Hessen Gegnerin und in Berlin Partnerin seiner Partei ist, sagte der Grünen-Politiker: "Es gibt keinen Freiheitstag von Corona, die Pandemie ist nicht vorbei".
SPD: Bouffiers Manöver ist durchschaubar
Vertreter der Opposition wiesen der Landesregierung die Verantwortung dafür zu, ob Hessen für eine mögliche nächste Viruswelle gut vorbereit ist. Bouffiers Kritik an der Bundesregierung bezeichnete Daniela Sommer (SPD) als "ziemlich durchbaubares Manöver" einer Fundamentalopposition. Anders als in den beiden Vorjahren müsse die Landesregierung jetzt für den Herbst vorsorgen, um wirtschaftliche Folgen aber auch soziale Schäden zu minimieren. Sommer nannte unter anderem den Schutz älterer Menschen, das Werben für Impfungen und Pläne für Kitas, Schulen und Hochschulen.
Auch FDP-Fraktionschef René Rock forderte, Bouffier solle mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln "seine Hausaufgaben machen". Er verlangte einen Corona-Plan, der auf drei Säulen stehen müsse: Die Freiheitsrechte müssten wiederhergestellt, das Gesundheitswesen gestärkt und besonders in Mitleidenschaft gezogene Branchen mit Hilfe eines Aufbauplans gestützt werden, aber auch soziale Einrichtungen und Kulturtreibende.
Linkspartei: Daten statt Datum
Schwere Versäumnisse und Fehler warf auch die Linkspartei der Regierung vor. Maßnahmen wie die Aufhebung der Maskenpflicht in Klassenräumen ab 7. März könnten sich rächen, weil Luftfilter nicht flächendeckend eingebaut worden seien, kritisierte die Fraktionsvorsitzende Elisabeth Kula. Sie forderte neben Luftfiltern auch PCR-Tests und Masken für Kitas, Schulen und Heime. Es sei ohnehin "völlig absurd", einen Lockerungsbeschluss an ein festes Datum zu knüpfen statt an wissenschaftliche Daten.
"Arroganz der Macht" lautete der Vorwurf von Volker Richter (AfD) an die Regierung. Der Ministerpräsident präsentiere die Öffnung wie eine "Gnadengabe", dabei gehe es um garantierte Freiheitsrechte, alle Maßnahmen hätten längst fallen müssen. Richter fügte hinzu: "Sie haben die hessischen Bürger in Angst und Panik versetzt, damit niemand merkt, dass Sie ins Blaue hinein Politik gemacht haben." Das müsse aufgearbeitet werden und sei es in einem Untersuchungsausschuss.