Boris Rheins legt überrascht über das Ergebnis bei der Wahl zum Ministerpräsidenten den Kopf in die Häne

Auf eine Schonfrist wird Hessens frischgewählter Ministerpräsident Boris Rhein nicht gehofft haben. Die Ruhe im Landtag überdauerte auch keinen ganzen Tag. Der Neue musste Kritik kontern, einen glatten Fehlstart hingelegt zu haben.

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Landtag: Opposition kritisiert Regierungsarbeit

hs
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Um 14 Uhr am Dienstag wusste Boris Rhein, dass der Landtag ihn zum Nachfolger Volker Bouffiers als Ministerpräsident von Hessen gewählt hatte. Mit der ungetrübten Freude über den Erfolg war es für den CDU-Politiker am Mittwoch gegen 10 Uhr vorbei.

Da rechnete im Wiesbadener Landtag SPD-Fraktionschef Günter Rudolph in seiner Rolle als Oppositionsführer schon ab. Und das nicht nur mit der alten Landesregierung. In gut einem Jahr ist Landtagswahl.

Schon bei seiner ersten Amtshandlung hat Rhein laut Rudolph den Worten keine Taten folgen lassen. "Weiblicher und jünger" habe er die CDU machen wollen. "Naja, reden wir mal über die Praxis", sagte der SPD-Politiker dazu, dass beim einzigen Wechsel an der Spitze eines Ministeriums eine Frau für einen Mann Platz machen musste.

SPD: Stehen zu Machtwechsel bereit

Die Entlassung von Justizministerin Eva Kühne-Hörmann hat Rhein nach Ansicht der SPD zudem mit der unaufrichtigen Laudatio begleitet, die CDU-Frau sei eine große und erfolgreiche Ministerin gewesen. Rudolphs ironischer Kommentar: "Solche Ministerinnen entlässt man nicht."

Tatsächlich habe Kühne-Hörmann im Korruptionsskandal an der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt und bei der Digitalisierung der Justiz versagt. Rheins Kabinett bilde das Land auch regional nicht ab. "Bei CDU und Grünen finden Nord- und Osthessen nicht statt", sagte Rudolph. Neuer Justizminister wurde Roman Poseck (CDU), der zuvor Präsident des Staatsgerichtshofs und des Oberlandesgerichts Frankfurt war. Er wohnt im mittelhessischen Limburg.

Gravierende Versäumnisse beim Kampf gegen den Rechtsextremismus, in der Schulpolitik oder bei der Krankenhausfinanzierung zeigten: "Es liegt Mehltau über dem Land. Wir brauchen einen Aufbruch.“ Das werde erst nach der Landtagswahl in Hessen in gut einem Jahr und einem Regierungswechsel gehen. Die SPD stehe dazu bereit.

Ein herzliches Dankeschön für Kritik

So kam Rhein zu seiner ersten Rede als neuer Ministerpräsident. Betont launig und "herzlich" bedankte er sich bei der SPD für die Gelegenheit, klarzumachen: "Schwarz-Grün ist da, mit Wumms und Energie“.

Die Koalition habe noch viel vor. Was genau, das will Rhein kommenden Dienstag in einer ersten Regierungserklärung sagen. Dafür wurde eigens eine Sondersitzung angesetzt. Für diesmal umriss er in Schlagworten seine bereits am Vorabend im hr-Interview "Was kommt, Herr Rhein?" genannten Schwerpunkte. Dazu zähle Politik für Familien, Klimaschutz, eine starke Sicherheit und Widerstandsfähigkeit des Landes gegen Krisen.

Unter dem Motto "Fake your day" verbreite die SPD Unwahrheiten, sekundierte Holger Bellino, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU. Begleitschutz erhielt Rhein auch von den Grünen. Deren Parlamentarischer Geschäftsführer Jürgen Frömmrich meinte: "Die Stimmung im Land ist besser als die Laune der SPD." Das habe der jüngste hr-Hessentrend gezeigt. Zudem hätten auch mehrere Oppositionspolitiker für den neuen Regierungschef gestimmt.

Vergebliches Warten auf Feuerwerk

Wie die SPD übten auch die anderen Oppositionsparteien trotzdem grundlegende Kritik. Als einziger gestand AfD-Fraktionschef Robert Lambrou dem Neuen ausdrücklich die übliche Schonfrist von 100 Tagen zu. Dann folgte Kritik: Auf vielen Politikfelder müsse die neue Regierung näher an den Bedürfnissen der Bürger sein. Auch sei die Zahl der Abschiebungen in Hessen zu gering. Rhein müsse erst noch beweisen, dass sich die CDU da nicht auch unter ihm von den Grünen "am Nasenring durch die Manege" ziehen lasse.

Die Linke ist sich sicher, dass der von ihr geforderte "Politikwechsel für mehr Gerechtigkeit" ausbleiben werde. Mit Rhein bekommt die Koalition laut Fraktionschefin Elisabeth Kula "nur ein jüngeres, jovialeres Gesicht, doch das reicht nicht“.

Nach Meinung der FDP hat das schwarz-grüne Projekt bis heute nicht richtig gezündet. "Wo ein Feuerwerk nötig gewesen wäre, kam bislang oft nur ein leises Puff", sagte Fraktionschef René Rock. "Das Maß aller Dinge ist das Mittelmaß“ – so werde das schwarz-grüne Motto von der Wirtschaft- bis zur Klimapolitik wohl weiterhin lauten.

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