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AfD-Mann Lichert kandidiert für Landtags-Vizepräsidenten-Posten

Landtagsabgeordneter und "Flügel"-Anhänger: Der hessische AfD-Politiker Andreas Lichert.

Viermal ist die AfD mit dem Versuch gescheitert, einen Vize-Präsidentenposten im Landtag zu bekommen. Nun probiert es die rechte Partei noch einmal. Der Anlauf hat es besonders in sich - und das gleich doppelt.

Die Wahl eines neuen hessischen Ministerpräsidenten steht kommende Woche an und die Wahl einer neuen Landtagspräsidentin. Auch die AfD will dann endlich einen Posten besetzen, den sie schon lange fordert: den eines Vizepräsidenten des Landtags.

Ins Rennen geht beim fünften Anlauf ein von Kritikern dem äußersten rechten Rand der rechten Partei zugeordnete Mann: der Co-Landesvorsitzende Andreas Lichert. Seine Fraktion bestätigte die Kandidatur dem hr auf Anfrage.

Der 46-Jährige aus der Wetterau hatte sich selbst zum völkischen "Flügel" der Partei bekannt, der vom Verfassungsschutz beobachtet und dann offiziell aufgelöst wurde. Seine Wahl zu einem von zwei Landeschefs der Partei im vergangenen Winter wurde als Rechtsruck in der hessischen AfD begriffen.

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Andreas Lichert (AfD) im hr-Kandidatencheck zur Landtagswahl 2023

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Streit über antisemitische Codes

Lichert zog erst vor kurzem heftige Kritik der Grünen auf sich. Sie warfen ihm vor, in einer Debatte rechtsextreme, antisemitische Codes zu benutzen. Von einem "besonders brisanten Wahlvorschlag" sprach am Mittwoch dann auch Jürgen Frömmrich, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen.

Dass Licherts Gesinnung auch nach der offiziellen "Flügel"-Auflösung immer noch die gleiche sei, habe er mit seiner Landtagsrede und der Anknüpfung an Stereotypen der Nazis gerade erst wieder bewiesen.

Der AfD-Politiker hatte in einer Rede behauptet, hinter den Ausgaben für den Klimaschutz steckten in Wahrheit "schnöde Profitinteressen" der "Internationalen Hochfinanz". Dieser Begriff ist nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz ein aktuell gebräuchlicher "antisemitischer Code" von Rechtsextremen. Sie knüpften damit bewusst an den Judenhass der Nazis und deren Gebrauch des Begriffs an.

Die AfD und Lichert bestritten vehement, es so gemeint zu haben. Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) konterte: "Wir haben Sie ertappt." Einen Tag später ließ Lichert den Ausdruck "Hochfinanz" erneut im Landtag fallen.

Als Provokation begriffen

Neben der Personalie begriffen die Kritiker in anderen Fraktionen offenbar auch den Termin als bewusste Provokation, den die AfD für die Abstimmung über den Vize-Posten wünschte: Sie sollte am Dienstag in der Sitzung stattfinden, in der Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) formell seinen Rücktritt erklärt und sich sein designierter Nachfolger Boris Rhein (CDU) zur Wahl stellt.

Auch über die Nachfolge für Rhein, der zurzeit noch Landtagspräsident ist, soll dann abgestimmt werden. Mit der CDU-Abgeordneten Astrid Wallmann tritt erstmals eine Frau an. Lichert muss sich aber nach hr-Informationen länger gedulden.

Über die Kandidatur des AfD-Mannes für den Vize-Posten wird an einem weniger prominenten Zeitpunkt debattiert und abgestimmt: am Mittwoch gegen Abend. So hat es der hinter verschlossenen Türen tagende Ältestenrat des Parlaments beschlossen.

Chancen gleich null

Im Präsidium des Landtags sind alle Fraktionen außer der AfD mit Vize-Präsidenten vertreten. Mit dem erstmaligen Einzug der AfD in den Landtag Anfang 2018 war zwar eigens ein weiterer Vize-Präsidentenposten geschaffen worden. Mit ihren bisherigen Bewerbern blitzte die Fraktion aber ab. Seitdem beschwert sie sich immer wieder: Das sei eine undemokratische Benachteiligung

Die AfD weiß: Chancen hat auch ihr neuer Kandidat Lichert nicht. Kritiker gehen von einer bewussten Provokation aus, weil der ehemalige Vertreter des "Flügels" deutlich radikaler sei als bisherige AfD-Kandidaten. Unter anderem kandidierten die im Parlament gemäßigt auftretenden Abgeordneten Dirk Gaw, rechtspolitischen Sprecher der Fraktion, und der frühere Biedenkopfer Bürgermeister Karl Hermann Bolldorf.

AfD: Er steht für freie Debattenkultur

Sie verachte den Landtag und die demokratischen Institutionen, sagte der Grünen-Abgeordnete Frömmrich über die AfD. Die demokratischen Fraktionen würden gewiss nicht zulassen, dass sie mit Lichert "Hass und Hetze auch noch vom Sitz des Präsidenten des Hessischen Landtages aus vertreten".

Diesen Vorwurf wies die AfD strikt zurück. Lichert stehe vielmehr für eine "freie Debattenkultur", sagte ein Sprecher. "Als Vize-Präsident würde Andreas Lichert Neutralität und Überparteilichkeit als Eckpfeiler seines Amtes begreifen", fügte er hinzu.

Lichert für "stets respektvollen Ton"

Das versprach auch der Kandidat selbst, als er sich später am Mittwoch per Mitteilung zu Wort meldete. Lichert plädierte gleichzeitig für "harte Auseinandersetzungen mit sachlichen Argumenten, aber stets respektvollem Ton". Die Bürger müssten Unterschiede der Parteien erkennen können. Deshalb trete er einer "Verengung des Diskurses" und "hypermoralischen Totschlagargumenten" entgegen.

Bei der Abstimmung über seine Kandidatur werde sich zeigen, ob die anderen Fraktionen eine "freiheitliche Debattenkultur genauso zu schätzen wissen wie die AfD-Fraktion".

Bundesweite Überwachung

Das Verwaltungsgericht Köln hatte im März die bundesweite Überwachung der gesamten AfD durch den Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall erlaubt. Es gebe "tatsächliche Anhaltspunkte" für rechtsextreme Bestrebungen. Akteure des offiziell aufgelösten "Flügel" hätten weiterhin maßgeblichen Einfluss in der Partei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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