Polizist mit Taser

Die hessische Polizei soll deutlich mehr Elektroschock-Pistolen bekommen als bisher. Pro Streife ein Taser - das fordert die FDP im Landtag. So lange nicht sie, sondern die Grünen mitregieren, wird daraus aber wohl nichts.

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FDP will viel mehr Elektroschock-Pistolen

hessenschau vom 2610.2022
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"Schneller, präziser, leistungsstärker" – so bewirbt das US-Unternehmen Axon derzeit das neueste seiner Modelle, den Taser 7. Die an Drähten mit der Waffe verbundenen zwei Spiralpfeile werden mit Druckluft abgeschossen. Sie durchdringen Kleidung besser als ihre Vorgänger, um sich in die Haut zu bohren. Stromimpulse (50.000 Volt) sollen die Getroffenen außer Gefecht setzen: Die Skelettmuskeln lassen sich nicht mehr steuern.

Schon bald, so heißt es auf der Online-Seite von Axon, gehöre die Elektroschock-Pistole auch in Hessen "landesweit zur Standardausrüstung von Polizisten im Streifendienst". Das ist zumindest voreilig. Bislang gibt es gerade einmal 73 der umstrittenen Geräte bei der Polizei im ganzen Bundesland.

Und es gibt keinen Beschluss, diese Zahl ungefähr zu verzehnfachen. Genau das aber will die oppositionelle FDP mit einem Antrag im Landtag erreichen, wie sie am Dienstag angekündigt hat. "In jedem Streifenwagen muss ein Taser bereitliegen", fordert Stefan Müller, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion.

FDP: Besser als Schusswaffe

Geht es nach den Liberalen, wird die hessische Polizei flächendeckend mit den Distanz-Elektro-Impulsgeräten (DEIG) ausgestattet, wie Taser offiziell heißen. Bis zu 800 Geräte sind dafür laut FDP nötig, mache bei Stückkosten von 1.400 Euro samt Ausbildung rund fünf Millionen Euro.

Nach und nach will die FDP bis zum Jahr 2032 ihre Forderung verwirklicht sehen. Anfangs sollen vor allem Polizisten in Gebieten mit einer hohen Anzahl brisanter Einsätze Taser bekommen – in Frankfurt zum Beispiel. Schon vom kommenden Jahr an soll die Bedienung der Elektroschock-Pistolen fester Bestandteil der Ausbildung des Polizeinachwuchses sein.

"Der Taser schließt die Lücke zwischen der Schusswaffe und dem Schlagstock beziehungsweise dem Pfefferspray", sagt FDP-Politiker Müller. Als Scharfmacher sieht er sich nicht, im Gegenteil: Die Polizei können Angreifer handlungsunfähig machen, ohne von der Schusswaffe Gebrauch machen zu müssen. Die FDP macht geltend, dass andere Bundesländer ihre Polizei schon längst mit mehr dieser Elektro-Waffen ausgestattet haben.

Wiederholt Todesfälle

In Nordrhein-Westfalen läuft derzeit in einer Handvoll Großstädten ein Taser-Modellversuch der Polizei. Vor wenigen Tagen hat in Dortmund ein tödlicher Einsatz einen Schatten auf das Projekt geworfen: Ein 44-Jähriger, der randaliert haben soll, wurde unter Strom gesetzt, brach zusammen, wurde reanimiert und starb kurz danach im Krankenhaus. Er war schwer herzkrank.

Seit Spezialeinheiten im Jahr 2005 die ersten Taser in Hessen bekamen, sind zwei Menschen bei Polizeieinsätzen gestorben, nachdem ihnen die schmerzhaften Elektroschocks versetzt wurden. Zuletzt, im Jahr 2019, traf es einen an Diabetes erkrankten Mann in Frankfurt: Ein Notarzt rief die Polizei, weil sich der 49-Jährige aggressiv gegen die Einnahme dringend nötiger Medikamente gewehrt habe.

Linke befürchtet mehr überzogene Einsätze

Es sind solche Fälle, die Kritiker auch in Hessen gegen die von der FDP gewünschte Anschaffung von deutlich mehr Tasern anführen. "Es wäre wichtiger, mehr auf Deeskalation zu setzen, als die Polizei weiter hochzurüsten", sagt Linken-Fraktionschef Jan Schalauske.

Man wisse zudem auch aus Hessen, dass überzogene Polizeieinsätze im Nachhinein oft nicht ausreichend geahndet würden. Und die Erfahrungen aus Nachbarländern lehrten, dass Taser häufig unverhältnismäßig eingesetzt würden.

Gewerkschaft setzt auf Abschreckung

Dem widerspricht der Landesverband der Gewerkschaft der Polizei (GdP) entschieden. Er hatte schon die Einführung der Taser gefordert und fordert längst mehr von den Waffen für hessische Polizeibeamte – wenn auch nicht ganz in dem Ausmaß, wie die FDP es tut. Rund 600 Elektroschock-Pistolen hält die GdP für geboten.

"In vielen Fällen wird die Situation schon mit der Androhung bereinigt, den Taser einzusetzen", sagt Karsten Bech, Vize-Landesvorsitzender der Gewerkschaft. Jede Dienstgruppe sollte seiner Meinung nach ein Gerät haben. Das Risiko einer zu häufigen Anwendung sieht Bech nicht. Zur gründlichen Schulung komme schließlich, dass nach jedem Einsatz geprüft werde, ob er gerechtfertigt war.

Kritische Grüne bremsen

Es spricht nichts dafür, dass sich die Wünsche von FDP und GdP in nächster Zeit erfüllen. Bis zur hessischen Landtagswahl im Herbst 2023 regiert Schwarz-Grün. Und der kleinere Koalitionspartner steht einer größeren Ausweitung äußerst kritisch gegenüber.

"Eine flächendeckende Nutzung wie in den USA lehnen wir ab", sagt Eva Goldbach, Innenexpertin der Fraktion. Sie erinnert an die beiden Toten in Hessen und an sehr viel mehr Tote in den USA. Die Nachrichtenagentur Reuters hat dort für den Zeitraum zwischen den Jahren 2000 und 2018 mehr als 1.000 Fälle dokumentiert, in denen Menschen durch den Taser-Einsatz von Polizisten ums Leben kamen.

Die Geräte gelten Befürwortern als geeignetes Mittel gegen Menschen, die aggressiv und in psychischen Ausnahmezuständen sind. Aber von denen stehen laut Grünen-Politikerin Goldbach eben viele unter enormen Stress und nicht selten auch unter Medikamenten oder Drogen. Das erhöhe die Gesundheitsrisiken enorm.

Innenministerium: "Fest etabliert"

Innenminister Peter Beuth (CDU), der gerade seinen Rückzug aus der Politik nach der Hessenwahl 2023 ankündigte, hat sich stets für den Einsatz von Tasern eingesetzt. Wie es bei der Anschaffung neuer Geräte weiter geht – da hält sich das CDU-geführte Innenministerium auf Anfrage zurück. Eine flächendeckende Verfügbarkeit ist nach Angaben eines Sprechers schon mit 73 Geräten im ganzen Bundesland gegeben. Jedem Polizeipräsidium stünden im Wach- und Streifendienst rund um die Uhr fünf Taser zur Verfügung.

Die Geräte hätten sich "mittlerweile fest etabliert" und bewährt. Das Beuth-Ministerium betont aber, dass zurecht strenge Auflagen nötig seien, um Einsatzkräfte zu schützen – und diejenigen, denen die Elektroschocks verabreicht werden. Vier Polizisten müssten bei einem Taser-Einsatz mindestens dabei sein. Der Hinweis auf diese Vorschrift richtet sich gegen eine weitere Forderung der FDP. Sie will die Dienstvorschrift ändern: Schon zwei Polizisten reichten für einen Taser-Einsatz.

20 Stromschocks, 25 Drohungen

Am Donnerstag erneuerte die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) ihre Forderung, dass sich in jedem Streifenwagen ein sogenanntes Distanz-Elektro-Impuls-Gerät (DEIG) befinden solle. Dies fordere man seit Jahren; man stimme der FDP Hessen zu. Jeder fachlich versierter Innenpolitiker wisse, dass ein Taser in vielen gefährlichen Situationen Leben retten könne.

Die Polizei in Hessen benutzt Elektroschock-Pistolen bislang vergleichsweise selten. Dass allmählich etwas mehr Geräte angeschafft wurden, hat auch nicht zu einem nennenswerten Anstieg der Einsätze geführt.

43 der Geräte gab es Ende 2021, 73 Geräte sind es derzeit. Im Jahr 2021 wurde laut Innenministerium bei Polizeieinsätzen 20 Mal ein Taser ausgelöst und in 25 Fällen die Elektroschocks lediglich angedroht. Im ersten Halbjahr des laufenden Jahres gab es laut Ministerium 13 Fälle, bei denen der Taser ausgelöst wurde. In weiteren 13 Fällen drohte die Polizei das bloß an.

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