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Eklat im Lübcke-U-Ausschuss: Gespräch mit dem landespolitischen Korrespondenten Aydogan Makasci

Eine Hand hält einen Aktenordner mit der Beschriftung "Untersuchungs-Ausschuss Mordfall Dr. Walter Lübcke" in die Kamera. Im Hintergrund ist ein Ausschnitt des Plenarsaal zu sehen.

Einen Streit im Untersuchungsausschuss zum Mordfall Lübcke entschied die hessische Regierungskoalition nur mit Hilfe der AfD. An den Grünen nagt der Vorwurf des "Tabubruchs" besonders. Noch einmal soll das nicht passieren.

Die Grünen laden ein, doch von einlenken ist nicht die Rede. In jedem Fall soll sich nach einem für kommenden Montag anvisierten klärenden Gespräch der "demokratischen Parteien“ ein Ereignis nicht wiederholen: Es hatte sich vergangene Woche hinter den verschlossenen Türen des Untersuchungsausschusses im Landtag zugetragen, der sich mit der Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke durch einen Rechtsextremisten befasst.

Es müsse "unser gemeinsames Interesse sein, dass die Stimmen der AfD für nichts im Landtag entscheidend sind", hieß es in einem am Donnerstag verschickten Schreiben von Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner an seine Amtskollegen von SPD, FDP und Linkspartei. Mit der CDU hatte er sich abgestimmt.

Am Tag zuvor war bekannt geworden, dass Schwarz-Grün in einer Abstimmung einen Streit um die geplante Befragung einer hessischen Verfassungsschützerin nur mit Hilfe der AfD entschieden hatte: Die Zeugin wird geheim angehört.

Linke sieht Tiefpunkt erreicht

Der Aufschrei der Kritiker ist laut: Von einem "Tabubruch" spricht nicht nur SPD-Fraktionschefin Nancy Faeser in einer Reaktion auf Twitter.

Dass Schwarzgrün ausgerechnet gemeinsam mit der AfD die öffentliche Anhörung eines Zeugen oder einer Zeugin im Lübcke- Untersuchungsausschuss verhindert hat, ist nicht nur ein Eklat, sondern ein Tabubruch! https://t.co/JRrcmyusHl

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Einen "neuen Tiefpunkt im parlamentarischen Umgang mit rechtem Terror in Hessen", hat Linken-Fraktionschefin Elisabeth Kula ausgemacht. Wie SPD und FDP gibt sich auch ihre Partei auf Anfrage gesprächsbereit - aber nicht versöhnlich.

Als "Feigenblatt für die Grünen" werde man mit der eigenen, antifaschistischen Einstellung nicht dienen - so antwortete Hermann Schaus, Linken-Obmann im Lübcke-Auschuss, am Donnerstag. Der Dammbruch sei "nicht rückholbar", das Gesprächsangebot ein "trauriger Versuch, die eigene Fehlleistungen öffentlich herunterzuspielen". "Jetzt ist die Sache mit einem Gespräch natürlich nicht ausgestanden", findet auch FDP-Ausschussobmann Stefan Müller.

Anwältin Başay-Yıldız aufgebracht

Zu den vielen Aufgebrachten, die sich jetzt vor allem die Grünen vornehmen, zählt auch Seda Başay-Yıldız. Die Opferanwältin im NSU-Prozess war selbst Adressatin von NSU2.0-Mails mit Morddrohungen. Ihre Adresse, obwohl gesperrt, stand ungeschwärzt in Unterlagen des Lübcke-Untersuchungsausschusses.

Nun befand sie in einem Tweet sarkastisch: Soviel "Engagement" der Grünen wie im Fall der Verfassungsschutzmitarbeiterin wäre beim Umgang mit ihren Daten auch wünschenswert gewesen.

Soviel Engagement hätte ich mir von den @gruenehessen gewünscht als meine Adresse und die Anschrift der Kita meiner Tochter ungeschwärzt in den Akten des Lübcke-UA aufgetaucht sind https://t.co/dNOD6Cjf6I

[zum Tweet]

Grünen-Fraktionschef Wagner will, dass die entstandene "nicht beabsichtigte, inakzeptable Situation" einmalig bleibt - und sieht alle außer der AfD in der Verantwortung dafür. Seine Partei ist von linker Seite seit langem dem Vorwurf ausgesetzt, in der hessischen Koalition mit der CDU bei Kompromissen zu weit zu gehen und frühere Inhalte - gerade in der Innenpolitik - fürs Mitregieren preisgegeben zu haben.

Aus einer unterschiedlichen Einschätzung zur Gefährdung einer Person ist im #Untersuchungsausschuss zum Mord an Walter #Lübcke leider eine nicht beabsichtigte, inakzeptable Situation entstanden. Jede*r kann sicher sein, dass wir im #HLT und überall sonst klar gegen ... [1/2] /F

[zum Tweet mit Bild]

Einfache Mehrheit reichte nicht

Zum Schutz der Zeugin im Lübcke-Ausschuss hielten CDU und Grüne nach eigenen Angaben die geheime Vernehmung für unbedingt geboten. Es habe da für den Ausschuss verfassungsrechtlich keinen Spielraum gegeben, hieß es in ersten Stellungnahmen. Einen Einstieg in die Zusammenarbeit mit der AfD bedeute das auf keinen Fall.

SPD, FDP und Linkspartei widersprachen in einer gemeinsamen Stellungnahme der Darstellung der Koalition. Alle hätten vor der Abstimmung "gemeinsam eine Lösung finden können, um öffentliches Interesse und Zeugenschutz in Einklang zu bringen" - darauf pochte der FDP-Abgeordnete Müller am Donnerstag noch einmal.

Schwarz-Grün hat eine einfache Mehrheit im Ausschuss, der vor allem die Arbeit der Sicherheitsbehörden unter die Lupe nimmt. Im Streit um die Zeugenbefragung war aber jene Zwei-Drittel-Mehrheit nötig, die nur mit Hilfe der AfD zustande kam. Nun heißt es von Fraktionschef Wagner, der nicht im Untersuchungsaussschuss sitzt, aus Sicht der Grünen dürften "Mehrheiten im Landtag nicht von Stimmen der AfD abhängig sein". Da dies wohl Konsens sei, sollten sich alle anderen Fraktionen eben "hierzu möglichst schnell austauschen“.

Bislang isoliert

Tatsächlich ist die AfD bei politischen Themen bisher isoliert im Landtag gewesen - auch CDU und Grüne hielten demonstrativ Distanz. Nicht einmal den für sie in der Geschäftsordnung vorgesehenen Posten eines Vize-Landtagspräsidenten wollte man der drittgrößten Landtagsfraktion aus grundsätzlichen Erwägungen überlassen.

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