Kultusminister Alexander Lorz im Landtag (Archivfoto)

Lehrermangel, die Folgen des Ukrainekriegs, ein mögliches Aufflackern von Corona: In Hessen hat kein einfaches Schuljahr begonnen. Im Landtag hat Kultusminister Lorz Zuversicht verbreitet. Die Opposition warf ihm völliges Versagen vor.

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Regierungserklärung zu Schulen

hessenschau vom 20.09.2022
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Mit Blick auf eine mögliche Verschärfung der Corona-Pandemie im Winter hat Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) Schülerinnen, Schülern und Eltern "so viel schulische Normalität wie möglich" versprochen.

Vor gut zwei Wochen sei dies zum Beginn des neuen Schuljahres gelungen, sagte Lorz in einer Regierungserklärung am Dienstag im hessischen Landtag in Wiesbaden. (Die ganze Debatte zur Schulpolitik sehen Sie in den Videos aus dem Landtag)

Weiter Unterricht ohne Maskenpflicht - solange vertretbar

"Wir sind zuversichtlich, diesen Weg weitergehen zu können“, betonte Lorz. Die Einschränkungen seien bereits im vergangenen Halbjahr schrittweise zurückgenommen worden. Ziel der Landesregierung sei es, die wiedergewonnene Normalität "so lange aufrechtzuerhalten, wie dies epidemiologisch vertretbar ist".

Das bedeute Präsenzunterricht ohne Maskenpflicht und zumindest bis Ostern Angebote für freiwillige Tests zuhause. Dass es noch einmal an Schulen härtere Corona-Maßnahmen als an anderen Orten gebe, dürfe nicht wieder geschehen.

13.000 Schülerinnen und Schüler aus Ukraine

Der Kultusminister sagte aber auch: "Das Schuljahr 2022/23 wird weiter von Krisen überschattet sein." Neben Unwägbarkeiten beim Pandemieverlauf nannte er die Entwicklung des russischen Krieges in der Ukraine.

Dennoch gebe es Grund zur Zuversicht. So habe sich das sprachliche Förderkonzept des Landes bei den fast 13.000 ukrainischen Schülerinnen und Schülern bewährt, die in kurzer Zeit aufgenommen worden seien.

Schon zum Schulbeginn hatte die Opposition im Landtag ihre Kritik verschärft. Lorz versäume bei der personellen Ausstattung und Modernisierung der Schulen Wesentliches. In seiner Regierungserklärung konterte der CDU-Politiker mit Zahlen: Der Bildungsetat sei mit rund 4,8 Milliarden Euro ebenso auf Rekordniveau wie die Zahl der aktuell 55.680 Lehrerstellen in Hessen.

Neues Schulfach

Lorz nannte Projekte, wie er sie zu Beginn des Schuljahres schon einmal als Belege für positive Entwicklungen angeführt hatte: So schreite die Digitalisierung voran, unter anderem mit dem Schulfach "Digitale Welt", das an zwölf Pilotschulen in 70 Klassen getestet werde. Das Online-Schulportal werde an 1.700 Schulen genutzt.

Um mehr freie Lehrerstellen besetzen zu können, seien Pädagogen aus dem Ruhestand geholt und die Zahl der Studienplätze fürs Lehramt vergrößert worden, alleine für Grundschulen um 50 Prozent. Lorz verwahrte sich "ganz entschieden" dagegen, Quereinsteiger in den Lehrerberuf pauschal abzuqualifieren.

Corona-Aufholprogramm verteidigt

Ohne direkt auf sie einzugehen, wies Lorz auch Vorwürfe der "LandesschülerInnenvertretung Hessen" (LSV) wegen des Programms "Löwenstark" zurück. Das Projekt, mit dem Lernrückstände aus der Coronazeit aufgeholt werden sollen, funktioniert aus Sicht des Ministers sehr gut. "Unsere Schulleiterinnen und Schulleiter halten diesen Weg für den richtigen", sagte er.

Erneut verteidigte Lorz auch die Freiwilligkeit bei der Schaffung und Gestaltung von Ganztagsangeboten an Schulen. Sie bleibe ein "zentraler Baustein der hessischen Schulpolitik". Der Ausbau gehe weiter, mehr als 92 Prozent der weiterführenden Schulen böten schon Ganztagsbetreuung an, rund 70 Prozent der Grundschulen. Alle Grundschüler haben vom Jahr 2026 einen Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung.

SPD fordert "ehrliche Bestandsaufnahme"

Die zu erwartende Kritik der Opposition im Landtag folgte in der anschließenden Debatte prompt, und sie war sofort sehr massiv. Christoph Degen, bildungspolitischer Sprecher der SPD, warf dem Minister völliges Versagen vor. Er forderte eine ehrliche Bestandsaufnahme statt "statistische Schönrechnerei". Viele Lehrer seien völlig überlastet. Lorz wisse nicht einmal, wie viele Schulleiter unter dem Stress ihre Aufgabe niederlegten.

"Das ist unverantwortlich", sagte Degen. Verantwortung übernehme der Minister auch dafür nicht, dass mehr Lehrer als je zuvor in Hessen fehlten. Die Misstände träfen vor allem sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler.

Lehrer- statt Phrasenmangel?

Es mangele nicht an hohlen Phrasen, sondern an Lehrern, befand auch Heiko Scholz, bildungspolitischer Sprecher der AfD. Er forderte von Lorz: "Hören Sie auf, uns für dumm zu verkaufen." Die Landesregierung habe bis heute kein wirksames Programm gegen den Personalmangel. Das bewirke eine dramatische Entprofessionalisierung an den Schulen.

Von einer prekären Lage an Hessens Schulen sprach auch Moritz Promny, Bildungsexperte der FDP. Überlastete Lehrer seien frustriert vom Kultusministerium. "Es wäre an der Zeit einmal aufzuwachen", forderte er von Lorz. Als "Fake-Fach" bezeichnete Promny das neue Schulfach "Digitale Welt". Der Minister vermarkte "nichtssagende Schaufensterprojekte" statt Innovationen anzubieten.

Linken-Fraktionschefin Elisabeth Kula fragte den Minister ("Persiflage seiner selbst"), warum er die Rede überhaupt gehalten habe. Trotz eklatanten Lehrermangels oder maroder Gebäude gebe es im Kultusministerium kein Problembewusstsein. Lorz sei sich in der Energiekrise offenbar nicht einmal bewusst, "welche Szenarien in Herbst und Winter auch auf die Schulen zukommen könnten".

Grüne wollen mehr Chancengleichheit

Einen anderen Akzent als der Kultusminister setzten die Grünen als kleinerer Koalitionspartner der CDU. Man wisse "um Belastungen und Sorgen", sagte ihr Abgeordneter Daniel May. Er wies auf große Anstrengungen hin, die Folgen der äußeren Krisen zu mildern. Weiterentwicklungen etwa in der Lehrkräfteausbildung dienten dem langfristigen Ziel, "mehr Chancengerechtigkeit zu verwirklichen".

Deutliche Unterstützung erhielt Lorz von der eigenen CDU-Fraktion. "War das alles?", fragte Horst Falk, ihr schulpolitischer Sprecher, nach der Oppositionskritik. Gegen jedes der genannten Probleme unternehme die Regierung schön längst sehr viel. Das gelte etwa für Lehrer mit befristeten Verträgen. Das umstrittene Schulfach "Digitale Welt" wird laut Falk vor einer möglichen landesweiten Einführung sinnvollerweise getestet.

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