Antisemitismus Landtag fordert lückenlose Aufklärung des documenta-Skandals

Parteiübergreifend verlangt der Landtag die gründliche Aufarbeitung des Antisemitismus-Skandals bei der documenta in Kassel. Dabei verschärft die Opposition die Kritik an Kulturministerin Dorn. Die Verteidiger der Grünen-Politikerin halten das für abwegig.
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Landtag debattiert über documenta-Skandal

Es sei eine Zumutung, dass diese Frau noch im Amt ist - so schimpfte Stefan Naas am Donnerstagnachmittag im Landtag. Der kulturpolitische Sprecher der FDP-Fraktion meinte Kulturmanagerin Sabine Schormann, die umstrittene Generaldirektorin der documenta 15 in Kassel. Doch im Nachsatz machte Naas klar, dass seine Kritik am bisherigen Umgang mit dem Antisemitismus-Skandal noch auf jemanden anderen zielt.
Auch Angela Dorn (Grüne), die zuständige Ministerin für Kunst und Wissenschaft, trage Verantwortung dafür, dass mit einer der international wichtigsten Ausstellungen für zeitgenössische Kunst auch das Ansehen Hessens schweren Schaden genommen habe. Dorn müsse endlich handeln, meinte Naas, "sonst wird es am Ende auch eng für Sie".
Die Ministerin wies die Kritik an ihrem bisherigen Vorgehen zurück. Sie habe bereits im Januar vergeblich gefordert, ein Expertengremium einzuschalten. Dessen Expertise werde für die notwendige "gemeinsame ehrliche Analyse" der Vorkommnisse noch immer gebraucht.
Aufsichtsrat wird Selbstkritik empfohlen
"Dass am Eröffnungswochenende eindeutig antisemitische Motive auf der documenta fifteen zu sehen waren, hätte niemals passieren dürfen", sagte Dorn. Mit der Entscheidung, die künstlerische Leitung einem Kollektiv zu überlassen, hätten "die Sorgfalt und die Verantwortung des Kuratierens gelitten", befand die Grünen-Politikerin. Deshalb müsse auch der Aufsichtsrat Fehler aufarbeiten und in einem neuen Anlauf seine Strukturen ändern.
Der documenta-Aufsichtsrat trifft sich am Freitag zu einer Sondersitzung. In ihm sitzen Vertreter der beiden documenta-Gesellschafter: des Landes Hessen und der Stadt Kassel. Vorsitzender ist Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD). Er hat Forderungen nach einschneidenden Strukturreformen und mehr Einfluss des Bundes bislang zurückgewiesen.
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documenta versinkt im Chaos

Der Documenta-Skandal
Die documenta in Kassel gilt neben der Biennale in Venedig als wichtigste Ausstellung für Gegenwartskunst. Kurz nach der diesjährigen Eröffnung wurde eine Arbeit mit antisemitischer Bildsprache entdeckt. Das Banner "People's Justice" des indonesischen Kunstkollektivs Taring Padi wurde deshalb abgehängt. Die Organisatoren der Ausstellung kündigten an, alle weiteren Werke auf antisemitische Inhalte zu prüfen.
Ende der weiteren InformationenAuch über die von der FDP geforderte Abberufung der documenta-Generaldirektorin Schormann müsste der Aufsichtsrat entscheiden. Für solche personellen Konsequenzen ist es aber auch nach Meinung der hinter Dorn stehenden schwarz-grünen Koalition noch zu früh. Von "Aufarbeitung" und "struktureller Neuaufstellung" sprach neben den Grünen aber auch die CDU. "Aus den Reihen" der documenta seien Absprachen nicht eingehalten und der Vertrauensvorschuss nicht gerechtfertigt worden, sagte der Unions-Abgeordnete Andreas Hofmeister. Es sei "vollkommen abwegig", Dorn dafür die Schuld zu geben.
AfD fordert U-Ausschuss
Auch die Linken-Fraktionsvorsitzende Elisabeth Kula forderte eine schnellstmögliche und umfängliche Aufklärung. Das Hin- und Herschieben von Schuldzuweisungen beschädige die größte Kunstausstellung der Welt nur noch weiter.
Die AfD bewertete die Vorgänge als Schmierenkomödie mit Bestandteilen wie Doppelmoral, Inkompetenz oder Naivität. Ihr Abgeordneter Frank Grobe fordert, Kulturministerin Dorn müsse erst die documenta-Chefin entlassen und dann selbst zurücktreten. Andernfalls solle Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) Dorn entlassen. In jedem Fall müsse sich ein Untersuchungsausschuss des Skandals annehmen.