Volker Bouffier spricht im Landtag undgestikuliert mit den Händen.

Das Instrument der "epidemischen Notlage" soll neue Corona-Einschränkungen möglich machen. In einer Regierungserklärung wirbt Ministerpräsident Bouffier erfolgreich für eine rasche Entscheidung - und weist Kritik an spätem Boostern und geschlossenen Impfzentren zurück.

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Bouffier will landesweite epidemische Notlage

hessenschau von 16:45 Uhr vom 07.12.2021
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Vor dem Landtag in Wiesbaden hat Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) am Dienstag das Parlament gebeten, die epidemische Notlage für Hessen so schnell wie möglich förmlich festzustellen. Nur dann könne die Landesregierung "bei schwieriger fortdauernder Lage" weitere Einschränkungen zur Eindämmung der seit 21 Monaten andauernden Corona-Pandemie erlassen.

Es geht um mögliche Verschärfungen bis hin zu Schließungen im Kultur- und Freizeitsektor oder bei Bars und Diskotheken. Bouffier nannte auch Regelungen für Weihnachtsmärkte und ein mögliches Alkoholverbot in der Öffentlichkeit.

Am Abend stimmte eine große Mehrheit des Landtags aus CDU, Grünen, SPD und Linkspartei für den entsprechenden Passus in einer schwarz-grünen Gesetzesinitiative. Nötig war für die Abkürzung des parlamentarischen Verfahrens diese Hilfe aus den Oppositionsreihen.

Zustimmung trotz harscher Kritik

Zwischenzeitlich schien auch eine Verschiebung bis zu einer Sondersitzung möglich. SPD und Linke stimmten dann zwar mit dem Regierungslager für die Erklärung der Notlage. Aber auch sie übten wie die gesamte Opposition heftige Kritik an der bisherigen hessischen Corona-Politik.

Hintergrund ist, dass die neue Ampel-Koalition von SPD, FDP und Grünen im Bundestag die epidemische Lage von nationaler Tragweite hat auslaufen lassen. Nun erreichte Schwarz-Grün eine Regelung für Hessen, um auf Landesebene weitere Maßnahmen zur Eindämmung der vierten Corona-Welle ergreifen zu können. Andere Bundesländer reagieren auch so.

Silvester, Restaurants, Versammlungen

Nach den jüngsten drastischen Einschränkungen für Ungeimpfte müsse man nach wie vor aber "differenziert und verhältnismäßig vorgehen", betonte Bouffier. In den Raum stellte er auch Maßnahmen, die sich aus dem jüngsten Bund-Länder-Gipfel ergeben hätten: ein Ansammlungsverbot an Silvester etwa oder Befreiungen von der Testpflicht für Menschen mit Booster-Impfung. In Hotspots seien auch Schließungen von Restaurants und das Verbot von Veranstaltungen möglich.

Die Zustimmung der schwarz-grünen Regierungskoalition in Hessen zur Feststellung der epidemischen Lage auf Landsebene ist gewiss. Bouffier warb nun aber für einen breiten Konsens. "Ich biete den Fraktionen an, darüber gemeinsam zu diskutieren und nach Möglichkeit auch eine Übereinstimmung zu erzielen“, sagte er. Seit Monaten liegen Koalition und Opposition hart im Streit wegen der Corona-Politik

Regierungschef drückt aufs Tempo

Auch wenn es in vielen Bundesländern schlimmer aussehe, sei Eile geboten, befand Bouffier. Damit das Land bei einer drohenden Verschlimmerung sofort handeln könne, drängte er auf eine Verständigung noch in der laufenden Plenarsitzung und fügte hinzu: "Wir müssen die Lage nach wie vor sehr ernst nehmen." Allerdings stritten sich schon vor Bouffiers Erklärung Vertreter von Regierungslager und Opposition, wie und wie sehr das parlamentarische Verfahren abgekürzt werden könne.

In Hessen sind derzeit 68 Prozent der Menschen voll geimpft und 14 Prozent geboostert - Letzteres bedeutete zum Wochenbeginn den vorletzten Rang unter den Bundesländern. Bouffier räumte ein, das sei trotz erheblicher Steigerungen in den vergangenen beiden Wochen "immer noch deutlich zu wenig, um diese Welle zu brechen".

Sind die Kritiker nur hinterher klüger?

Scharfe Kritik an der Corona-Politik wies der Ministerpräsident in mehreren Punkten mit dem Satz "Es ist einfach nicht wahr" zurück. Etwa bei die Schließung der Impfzentren: Diese hätten "ab September praktisch leer gestanden". Konsens sei die weitere Impfung durch die Ärzteschaft gewesen. Dem Land sei zudem vorgerechnet worden, etwa von der FDP, wegen höherer Kosten als in Praxen würden Steuergelder verschleudert.

Vorwürfe wegen der spät angestoßenen Booster-Impfungen ließ Bouffier mit Hinweisen auf Beurteilungen aus der Wissenschaft auch nicht gelten. Das Paul-Ehrlich-Institut als Bundesinstitut für Impfstoffe sei etwa von einem bis zu einem Jahr anhaltenden Schutz durch Biontech- oder Moderna-Impfungen ausgegangen.

Die Ständige Impfkommision (Stiko) habe sogar noch im August zur Auffrischung erklärt: "Hier handelt es sich um eine politische Vorsorgemaßnahme ohne medizinische Evidenz." Erst Ende November sei die Empfehlung für allgemeines Boostern gekommen. Gemessen daran habe die Landesregierung so vorsorglich wie möglich gearbeitet. Auch wenn die Politik viel Vertrauen verloren habe: Viele Vorwürfe seien "einfach nicht wahr" und angesichts nicht planbarer Entwicklungen auch ungerecht, betonte Bouffier.

Bouffier: Ungeimpfte nicht der Feind, aber...

Gegenüber Ungeimpften forderte der Ministerpräsident zwar einen maßvollen Umgang: "Der Feind ist das Virus!". Trotzdem sei es nötig, die auch von ihm lange abgelehnte Impfpflicht einzuführen. Denn wegen des Schutzes der anderen sei das Impfen keine rein persönliche Entscheidung. Und die bislang Ungeimpften seien das größte Problem in der Corona-Pandemie.

Bouffier warnte auch angesichts der neuen Omikron-Virus-Variante vor Unwägbarkeiten, bemühte sich aber um Zuversicht: Mit Vorsicht, Fortschritten beim Impfen und neu entwickelten Medikamenten "kann es uns gelingen, dass wir im nächsten Jahr Weihnachten und Silvester möglichst wieder ohne Einschränkungen werden feiern können".

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