Lobbyisten im Gespräch

Wer nimmt Einfluss auf Politik und Gesetze? Auch Hessen will mehr Klarheit und Kontrolle. Norman Loeckel von Transparency International sagt: Das geplante Lobbyregister von CDU, Grünen und FDP hat den Namen nicht verdient.

Ganze Staaten, Branchen wie die Pharmaindustrie oder einfach der Mieterbund: Gegenüber der Politik vertreten viele ihre Interessen. Das ist legitim, nötig und gewollt. Aber ob Corona-Masken-Affäre, Aserbaidschan-Connection oder die Cum-Ex-Affäre mit Steuerstundungen für die Warburg-Bank in Hamburg: Lobbyarbeit läuft häufig verdeckt, nicht immer korrekt und manchmal kriminell.

Wer setzt sich für wen und was bei Parlamenten und Regierungen nachdrücklich ein? In der Frage sollen Lobbyregister für Klarheit sorgen. Was der Bundestag und einige Länder bereits haben, steht in Hessen auf Initiative der Grünen als Ziel seit 2013 in den schwarz-grünen Koalitionsverträgen. Gemeinsam mit der FDP brachten die Regierungsparteien am Mittwoch im Landtag einen Gesetzentwurf ein. Was hält Norman Loeckel von der Anti-Korruptions-NGO Transparency International davon?

hessenschau.de: Herr Loeckel, in Ihrem Lobbyranking beurteilen Sie die Regeln für Integrität und Transparenz in der Politik. Hessen liegt mit 19 von 100 Punkten im hinteren Mittelfeld. Wenn es bald ein Lobbyregister gibt, dürfte es aufwärts gehen, oder?

Norman Loeckel: Prinzipiell wird sich Hessen etwas verbessern. Der hessische Gesetzentwurf liegt aber weit hinter den neueren Entwürfen anderer Länder und des Bundes zurück. Die Register von Baden-Württemberg und Bayern sind zwar auch mangelhaft, aber immer noch wesentlich besser als der Entwurf in Hessen.

hessenschau.de: Jetzt sind Sie aber sehr streng. Die meisten Bundesländer haben noch gar kein Lobbyregister, das des Bundes gibt es auch erst seit einem Jahr.

Loeckel: Wenn es so bleibt wie geplant, wird das hessische Lobbyregister überhaupt keine wesentlichen Informationen liefern. Es ist im Grunde ein Etikettenschwindel. In Fachkreisen nennt man so etwas Verbändeliste. Man könnte es auch ein Adressverzeichnis nennen.

hessenschau.de: Immerhin müssen sich so ziemlich alle zu erkennen geben, die gegenüber Landesregierung, Fraktionen und Abgeordneten Einfluss ausüben.

Loeckel: Aber ein Lobbyregister soll ja Auskunft über Art und Umfang dieses Einflusses geben. Und das ist in Hessen nicht vorgesehen. Da wäre erstens die Finanzierung der Lobbyarbeit. Diese Ausgaben sind ein wesentlicher Anhaltspunkt über die Stärke der Interessensvertretung ...

hessenschau.de: … wofür die Verbraucherzentrale Hessen laut ihrer Selbstauskunft im Lobbyregister des Bundestags bis zu 20.000 Euro als Jahresbudget hat, die Deutsche Bank 3,6 Millionen Euro.

Loeckel: Der Umfang der Lobbyarbeit soll in Hessen auch nicht wirklich offengelegt werden. Das wäre über die Pflicht zur Veröffentlichung von Treffen und Gesprächsthemen möglich. Es fehlt auch der legislative Fußabdruck, der zeigt, wer an Gesetzentwürfen beteiligt war und vielleicht sogar mitformuliert hat.

Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt für ein Lobbyregister. Vier Bundesländer haben diese Regel schon, die Ampelkoalition in Berlin will hier noch nachbessern.

Außerdem müssen Anwälte und Agenturen ihre Auftraggeber nicht nennen. Und bei Verstößen drohen auch keine echten Konsequenzen. Da ist nur die schwache Sanktionierung, dass man nicht mehr als Experte an Landtagsanhörungen teilnehmen darf.

Norman Loeckel von Transparency International

hessenschau.de: Was ist daran schwach?

Loeckel: Der wichtige Lobbyismus findet gegenüber der Landesregierung statt. Und da sind keinerlei wirksame Einschränkungen vorgesehen. Dabei kommen etwa 90 Prozent der Gesetze in den Ländern aus der Regierung. Und auf vielen Gebieten wie in der Umweltpolitik füllen Verordnungen der Regierung die Gesetze inhaltlich erst auf. Da findet in der Frühphase der Formulierung der Einfluss statt.

Als Regierung gelten für das Lobbyregister auch nur die Minister und Staatssekretäre. Wer Kontakte mit den Abteilungsleitern und Referaten hat, muss sich gar nicht registrieren. Aber dort wird der stärkste Einfluss ausgeübt.

hessenschau.de: Vermutlich gibt es unterhalb der Bundespolitik einfach weniger Lobbyarbeit. Das lohnt sich, überspitzt gesagt, ja eher bei Rüstungsexporten und Steuergesetzen als beim Ausbau des Radwegenetzes.

Loeckel: Der Bund steht eher im Zentrum der Medienaufmerksamkeit. Aber gerade auf der lokalen Ebene sehen wir eigentlich besonders viel problematische Einflussnahme bis zur offenen Korruption. Gewiss gibt es in der Landespolitik weniger Lobbyisten als im Bund. Gerade in Hessen steht das Thema aber im Fokus, schon weil die Finanzindustrie hier ihre Sitze hat, für die Hessen die Steuerverantwortung hat.

Da gibt es rege Kontakte. Schon wegen des Bankensektors wäre es also bundesweit wichtig, wenn Hessen ein wirklich effektives Lobbyregister hätte.

hessenschau.de: Macht denn selbst ein verbessertes Lobbyregister Sinn? Wer wirklich illegale Landschaftspflege in der Politik betreiben will, wird es in kein noch so gutes Register schreiben.

Loeckel: Zunächst einmal ist Interessenvertretung an und für sich legitim. Politik kann nicht alles wissen und muss in vielen Fragen die Betroffenen auch anhören. Und wer sich bereichern will, wie es gerade im EU-Parlament bekannt geworden ist, wird sich im Zweifel nicht abschrecken lassen.

Aber wir reden hier ja von den vielen anderen Fällen der Einflussnahme, die wirksam geschehen und demokratisch illegitim sind. Den Beteiligten ist ja klar, dass ihr Vorgehen in der Öffentlichkeit nicht gut angesehen ist. Solche Fälle kann man mit der Pflicht zur Transparenz eingrenzen.

hessenschau.de: Die Initiative zu dem Lobbyregister ging offenkundig von den Grünen aus. Möglicherweise konnten sie gegenüber dem größeren Koalitionspartner CDU einfach nicht mehr durchsetzen.

Loeckel: Eine Partei, die Wert auf das Transparent-Machen von Lobbyismus legt, sollte einen solchen Entwurf nicht unterstützen. Man hat sich ja offenbar bewusst dafür entschieden. Es gibt neuere Regelungen, die bei allen Mängeln besser sind. Man fragt sich, warum man die nicht einfach übernommen hat.

Das Gespräch führte Wolfgang Türk.

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