Der AfD-Landesvorsitzende Lichert hat für den Posten eines Landtags-Vizepräsidenten kandidiert und ist wie erwartet gescheitert. Es war der fünfte vergebliche Anlauf der Fraktion. Aber diesmal kam es besonders bitter.

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AfD-Mann scheitert bei Wahl zum Landtags-Vizepräsidenten

Portrait Andreas Lichert
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Viermal hatte die AfD bereits einen Kandidaten ins Rennen geschickt, um den letzten unbesetzten Stellvertreterposten im Präsidium des hessischen Landtags zu erhalten. Jedes Mal blitzte sie ab. Das war auch beim fünften Anlauf am Mittwochabend so.

Was als Niederlage einkalkuliert gewesen sein dürfte, dokumentierte allerdings am Ende unvollständige Geschlossenheit. Denn Kandidat Andreas Lichert, einer von zwei Landesvorsitzenden der AfD, erhielt nicht einmal alle Stimmen seiner Fraktion.

17 Abgeordnete hat die AfD im Landtag, sie alle nahmen an drei geheimen Wahlgängen teil. Aber kein einziges Mal erhielt der Politiker aus der Wetterau die komplette Zustimmung aus der eigenen Fraktion.

Lichert erhält im ersten Wahlgang nur 14 Stimmen

Am besten lief es für Lichert im zweiten und dritten Wahlgang mit jeweils 15 Unterstützern. Im ersten Wahlgang waren es von 128 abgegebenen Stimmen des Plenums nur 14 Ja-Stimmen.

Die drei Wahldurchgänge hatte AfD-Fraktionschef Robert Lambrou beantragt. Mehr waren nicht möglich. Lambrou bildet als Co-Vorsitzender gemeinsam mit Lichert die Spitze der Landespartei.

Es traf einen Mann des früheren "Flügels"

Der 46 Jahre alte Lichert hat sich zum offiziell aufgelösten "Flügel" der AfD bekannt, den der Verfassungsschutz als rechtsextrem einstufte. Licherts Wahl zu einem von zwei Landeschefs der Partei im vergangenen Winter wurde als Rechtsruck in der hessischen AfD begriffen.

Eine Debatte gab es am Mittwoch vor der Abstimmung im Landtag nicht. Alle anderen Fraktionen hatten vorher klargemacht, dass sie Licherts Kandidatur als Provokation begriffen. Er sei unwählbar, agiere am äußersten rechten Rand des Spektrums. Die Grünen warfen Lichert vor, im Parlament rechtsextreme, antisemitische Codes benutzt zu haben.

Allerletzter Punkt der Sitzung

Frühere AfD-Kandidaten für den Vize-Posten, die als gemäßigter gelten, scheiterten mit besseren Ergebnissen. So kamen Dirk Gaw im Jahr 2020 und Karl-Hermann Bolldorf ein Jahr zuvor auf 29 Ja-Stimmen.

Eigentlich hatte sich die AfD einen früheren, prominenteren Termin für die erneute Vize-Präsidentenwahl gewünscht: den Dienstag, der wegen der Wahl des neuen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) besondere öffentliche Aufmerksamkeit fand.

Rhein bekam fünf Stimmen mehr als Schwarz-Grün an Abgeordneten hat. Es wurde vermutet, gemäßigte AfD-Abgeordnete könnten in der geheimen Wahl für ihn votiert haben.

Die AfD blitzte jedoch mit dem Terminwunsch ab: die Abstimmung über Lichert und den Vize-Posten war allerletzter Tagesordnungspunkt. Am Dienstag hatte das Parlament mit der CDU-Politkerin Astrid Wallmann eine neue Präsidentin gewählt.

AfD: "Demokratie erster und zweiter Klasse"

Lichert warb damit, für eine "freie Debattenkultur" zu stehen. Ein Sprecher der AfD kommentierte sein Scheitern nun so: "Alle anderen Fraktionen stellen bereits einen Vizepräsidenten. Offensichtlich gibt es in Hessen eine Demokratie erster und zweiter Klasse. Auf die fehlenden AfD-Stimmen für Lichert ging er nicht ein.

Richtungsstreit noch nicht ganz vorbei

Dass es noch AfD-Landtagsabgeordnete gibt, die mit der Richtung von Partei und Fraktion nicht zufrieden sind, hatte sich dieser Tage schon einmal gezeigt. Der als gemäßigt geltende Jurist Walter Wissenbach distanzierte sich von der Kritik seiner Fraktion an der Berufung Roman Posecks (CDU) zum Justizminister. Poseck war zuvor Präsident des Staatsgerichtshofs, die AfD befürchtet deshalb Interessenkonflikte.

Wissenbach, Vorsitzender des Rechtsausschusses des Landtags, sagte dagegen dem hr: Er sei "begeistert" und freue sich sehr auf die Zusammenarbeit mit Poseck. Wissenbach gilt als Lichert-Gegner. Er hat sich mit ihm sogar schon gerichtlich auseinandergesetzt.

Bundesweite Überwachung

Das Verwaltungsgericht Köln hat im März die bundesweite Überwachung der gesamten AfD durch den Verfassungsschutz als rechtsextremen Verdachtsfall erlaubt. Es gebe "tatsächliche Anhaltspunkte" für rechtsextreme Bestrebungen. Akteure des offiziell aufgelösten "Flügel" hätten weiterhin maßgeblichen Einfluss in der Partei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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