Haus oder Acker, Eigentumswohnung oder Wiese: Ab sofort müssen alle Besitzer in Hessen Angaben zur Neuberechnung der Grundsteuer machen. Wir erklären, worum es bei der Reform geht und warum das Formular-Ausfüllen nicht der Horror sein muss.

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Sorge wegen Grundsteuerreform

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Die Einkommensteuererklärung für 2020 ist noch nicht fertig. Und jetzt macht das Finanzamt noch zusätzlich Druck: Von diesem Freitag an sind die Angaben für Millionen von Grundstücken fällig - egal, ob Hochhäuser darauf stehen oder Grashalme.

Denn die Finanzverwaltung zieht eine der laut Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) größten Reformen der vergangenen Jahrzehnte durch: die Grundsteuerreform, wie sie die schwarz-grüne Koalition vergangenen Dezember beschlossen hat.

Das betrifft am Ende alle Hessen - direkt oder indirekt. Knapp 200 Euro Grundsteuer zahlt jeder im Bundesland statistisch gesehen. Die Reform, die Abwicklung, die Folgen - das wirft Fragen auf. Hier sind einige der wichtigsten, samt Antwort.

Grundsteuer - was war das noch gleich?

Eine uralte Einnahmequelle des Staates. Die Idee, sich jährlich was von den Besitzern für Grund und Boden zahlen zu lassen, hatte unter anderen schon der römische Kaiser Diokletian. Das ist der mit der Christenverfolgung.

Warum zahlen wir?

Weil sonst der Gerichtsvollzieher kommt und die Steuer trotz Diokletian nicht ganz unchristlich ist. Der Staat leistet ja einiges, wovon Grundbesitzer profitieren. Stichwort: Infrastruktur. Zweckgebunden sind die Einnahmen aber nicht. Total-Kritiker sprechen deshalb von verkappter Vermögenssteuer.

Was hat das mit der Frankfurter Miquelallee zu tun?

In Hessen nehmen die 191 Städte und 231 Gemeinden derzeit rund 1,2 Milliarden Euro aus der Grundsteuer ein - ihre drittwichtigste Geldquelle. Das haben sie Johannes von Miquel zu verdanken, dem Namensgeber der Verkehrsader. Er wurde 1890 vom OB der Stadt zum Finanzminister Preußens und überließ den Kommunen alle Einnahmen aus der Grundsteuer.

Hätte man es nicht lassen können wie bisher?

Ausgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht hält die geltende Berechnung bundesweit für ungerecht. Die zugrunde gelegten "Einheitswerte" sind im Westen 60 Jahre, im Osten 80 Jahre alt. Seitdem hat sich viel verändert in Städten und Dörfern. Zu den vorgeschriebenen regelmäßigen Neubewertungen kam es nicht. Vergleichbare Grundstücke in ähnlicher Lage sollen aber bei der Grundsteuer gleich behandelt werden.

Wen betrifft es?

Fast jeden: alle, die ein Grundstück besitzen oder mieten, ob bebaut oder unbebaut, ob Wiese, Acker oder Wald. Eigentumswohnungen zählen auch dazu. In Hessen geht es um rund 2,8 Millionen Objekte. Die Eigentümer zahlen die Steuer direkt an die Kommune, Mieter in der Regel indirekt über Nebenkosten.

Wer muss eine Erklärung abgeben?

Die Erklärung schulden die Eigentümer dem jeweiligen Finanzamt. Für jedes Objekt sollte im Juni schon ein Schreiben rausgegangen sein, denn für jedes ist eine eigene Erklärung nötig.

Wie lange ist Zeit?

Bis zum 31. Januar 2023 (die Frist wurde im Oktober um drei Monate verlängert). Die neue Grundsteuer wird zwar erst Anfang 2025 eingeführt. Aber es dauert eben, die individuelle Steuerlast für so viele Objekte neu festzusetzen.

Geht Ausfüllen auch auf Papier?

Soll eigentlich nicht sein. "Erklärungen sind elektronisch zu übermitteln", heißt es. Nötig ist ein Benutzerkonto bei Elster, dem Online-Portal der Finanzverwaltung. Wer da nicht fit ist oder gar keinen PC hat, muss sich helfen lassen oder sich zum Härtefall deklarieren und in einem Extra-Antrag das Finanzamt um Vordrucke bitten.

Braucht man einen Steuerberater?

Die meisten müssten es leicht selbst schaffen. "Das ist kein Hexenwerk", sagt Younes Frank Ehrhardt, Geschäftsführer des Eigentümervereins Haus & Grund in Hessen. Trotzdem erwarten die Steuerberater Andrang. Zwischen 300 und 600 Euro könnte es kosten, sie zu beauftragen.

Was hat es mit dem hessischen Sonderweg auf sich?

Dem Land war das Bundesmodell nach eigenen Angaben zu kompliziert. Deshalb habe man eine "schlanke Ausgestaltung" gewählt: das Flächenfaktor-Modell. Anders als vom Bund vorgesehen, müssen Hessens Bürger tatsächlich vieles nicht angeben: weder das Baujahr noch Kernsanierungen oder die Zahl der Garagenstellplätze. Am Ende sollen vor allem Größe, Lage und Nutzung über die Höhe der Steuer entscheiden.

Was wird für die Erklärung gebraucht?

Für reine Wohngebäude gar nicht so viel: ein bisschen Basiswissen wie zuständiges Finanzamt, Adresse des Grundstücks und Besitzer. Dann Angaben, die Sie in Ihren Unterlagen finden sollten. Es geht unter anderem um Gemarkung, Flur, Flurstück und Grundstücksgröße. Das können Sie über den Flurstücksnachweis kostenlos auch hier online abfragen.

Und dann nur noch die Wohnfläche. Selbst mit dem Zollstock nachzumessen gilt auch. Feinheiten beachten: Im Keller etwa zählen nur die Dusche oder der Hobbyraum mit - und Balkone und Terrassen nur zu 25 Prozent.

Was muss ich ab 2025 zahlen?

Die wichtigste Frage von allen, muss aber offen bleiben. Im Prinzip ist das Berechnen recht einfach, wie das Land an Modellen zeigt. Der Verband Haus & Grund hat auch einen Grundsteuerrechner ins Netz gestellt. Aber die Rechnung hat noch eine gewichtige Unbekannte.

Die Steuer besteht aus zwei Faktoren: einem Grundmessbetrag, den das Finanzamt ausrechnet. Er wird aus Fläche, Nutzung und Lage gebildet. Die Lage wiederum bemisst sich nach regional festgelegten Bodenrichtwerten. Das Ergebnis multipliziert Ihre Kommune dann für die Rechnung mit dem zweiten Faktor: dem Steuersatz der jeweiligen Stadt oder Gemeinde. Wie hoch dieser sogenannte Hebesatz in zweieinhalb Jahren sein wird, kann man aber nicht wissen.

Die Unterschiede sind übrigens wie auch bei den Bodenrichtwerten enorm. Lorch (Rheingau-Taunus) und Lautertal (Odenwald) waren mit einem Hebesatz von 1.050 Prozent zuletzt ganz vorne dabei, das reiche Eschborn (Main-Taunus) mit 140 Prozent relativ günstig.

Wird es teuer?

Es wird Gewinner und Verlierer geben. "Nur für die wenigsten wird die Grundsteuer gleich bleiben", sagt Finanzminister Boddenberg. Tendenziell werde es wohl in teureren Immobilien-Lagen auch steuerlich teurer werden.

Unterm Strich sollen die Kommunen nicht mehr als früher einnehmen. Das Land will die Entwicklung beobachten, zu sagen hat es aber nichts. Hartmut Ruppricht, Präsident der Steuerberaterkammer Hessen, legt sich jedenfalls auf Mitnahmeeffekte fest: "Die Kommunen werden das nutzen, um die Einnahmen durch die Grundsteuer zu erhöhen."

Ist das alles gerecht?

Die Opposition ist sich sicher: nein. SPD und Linke etwa beklagen mangelnde Differenzierung. Häuser in einem sozialen Brennpunkt könnten genauso wie eine Villa belastet werden, wenn beide in der Innenstadt liegen. Die FDP hatte ein eigenes Modell, das allein die Fläche einbezog, um maximale Einfachheit zu garantieren. Finanzminister Boddenberg hält dagegen: Seine Reform sei nicht nur einfach und verständlich, sondern auch gerecht.

Und wer hilft?

Zusätzliches Personal und Überstunden haben die Finanzämter nicht nur für die Bearbeitung der Anträge eingeplant. Auch der Service ist ausgeweitet worden. So gibt es eine kostenlose Hotline (0800 522 533 5), die werktags von 8 bis 18 Uhr und im Juli auch samstags von 8 bis 13 Uhr erreichbar ist. Ausführliche Erklärungen gibt es vom Land auch im Internet.

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