Aktenstapel im Gerichtssaal

Zu wenige Richter, zu wenige Ankläger und die E-Akte in weiter Ferne: Die hessische Justiz plagen viele Probleme. Jetzt soll Justizminister Poseck die Wende einleiten.

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Roman Poseck: "Der neue Justizminister ist kein Messias und auch kein Zauberer"

Roman Poseck
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Zwei Ereignisse machten im Jahr 2022 öffentlich klar, dass in Hessens Justiz manches nicht in Ordnung ist. Im Mai bildete der neue Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) einzig in diesem Ressort das Kabinett um. Kurz danach musste der neue Justizminister Roman Poseck (CDU) erklären, warum in Frankfurt mehrere mutmaßliche Straftäter wegen zu langer Verfahren aus der Untersuchungshaft entlassen werden mussten.

Lange hat Hessen an der Justiz gespart. Personalnot, Überlastung, schleppende Digitalisierung: Das mit seiner Berufung verbundene Versprechen, dass sich vieles deutlich bessern soll, hat Poseck am Donnerstag in Wiesbaden mit Zahlen untermauert. "Mit fast 500 neuen Stellen wird die hessische Justiz wie noch nie gestärkt", sagte der 52-Jährige, der von der Spitze des Staatsgerichtshofs an die Spitze des Justizministeriums gewechselt ist.

Die neuen Stellen sollen in den kommenden zwei Jahren geschaffen werden. Genau sind es 477. So sieht es der Entwurf eines Doppelhaushalts vor, den die schwarz-grüne Landesregierung vor einer Woche beschlossen und vorgestellt hat. Nun nannte Poseck Details. Betroffen seien alle Bereiche und alle Laufbahnen. Allein 100 Stellen für zusätzliche Richter und Staatsanwälte sind vorgesehen.

Notendruck sinkt, Besoldung steigt

Allerdings ist es wegen besser bezahlten Stellen in der freien Wirtschaft schwerer geworden, Top-Juristen in den Staatsdienst zu holen. Um das Bewerberfeld zu vergrößern, wird Hessen deshalb die Standards für die Einstellungen von Richtern und Staatsanwälten etwas herunterschrauben: Zukünftig reichen statt den bisher nötigen 16 Punkten in den beiden Staatsexamina 15 Punkte aus, um genommen zu werden.

Außerdem verbessert sich die Bezahlung von Richtern und Staatsanwälten: Die Besoldung wird erhöht, höhere Besoldungsstufen werden schneller erreicht. "Wir werden damit im Bundesvergleich auf einen der vorderen Plätze rücken“, sagte Poseck.

Die Pläne zum Personalaufbau im Einzelnen:

  • Vor allem die neun hessischen Staatsanwaltschaften profitieren. 37 neue Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sollen eingestellt werden - ein Plus von acht Prozent.
  • 59 Richterinnen und Richter sollen die Amts- und Landgerichte sowie das Oberlandesgericht Frankfurt verstärken. Das bedeutet laut Minister Poseck: Bei jedem Landgericht könne zumindest eine weitere Kammer eingerichtet werden. "Bei den großen Landgerichten werden es mehrere Kammern sein." Das Oberlandesgericht kann zwei neue Senate einrichten.
  • Der Verwaltungsgerichtshof bekommt drei neue Richter. Sie sollen den neuen Senat für große umstrittene  Infrastrukturvorhaben bilden: umstrittene Windparks zum Beispiel. Damit trage man dem großen öffentlichen Interesse an zügigen Verfahren Rechnung. Für die Sozialgerichte bleibt lediglich eine neue Stelle. Arbeits- und Finanzgerichte werden nicht aufgestockt.
  • Zur Unterstützung erhalten Gerichte und Staatsanwaltschaften 100 neue Mitarbeiter in den Serviceeinheiten. Dort sei die Belastung derzeit besonders hoch – vor allem wegen des langjährigen Stellenabbaus. Den Einheiten komme außerdem eine besondere Rolle bei der Digitalisierung zu.
  • Um die Einführung der elektronischen Akte endlich voranzubringen, werden 66 IT-Fachleute eingestellt, knapp die Hälfte von ihnen in der zentralen IT-Stelle der hessischen Justiz.
  • Auch an anderer Stelle wird Personal aufgestockt: mit 55 Rechtspflegern, 14 Justizwachmeistern, aber auch bei Amtsanwälten (+9), Gerichtsvollziehern (+3) oder Bewährungshelfern (+4).

Hilfe vom Bund gefordert

Poseck hatte Anfang des Jahres, als er noch Präsident des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt war, vor Folgen des Personalmangels gewarnt: "Es wäre eine Bankrotterklärung des Rechtsstaats, würde es tatsächlich zur Aufhebung von Haftbefehlen wegen Verfahrensverzögerungen kommen." Kurz danach trat mit der Freilassung der mutmaßlichen Straftäter in Frankfurt genau dieser Fall ein.

Der Richterbund hatte seinerzeit 200 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte in Hessen für erforderlich gehalten. Poseck setzt auch darauf, dass zivilgerichtliche Massenverfahren wie der Dieselskandal zügiger abgewickelt werden können. Das betonte er am Donnerstag noch einmal. Eine entsprechende Bundesratsinitiative hat Hessen gestartet.

Hessens Justizminister forderte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auf, die Länder auch anderweitig mehr zu unterstützen. Dazu gehöre auch Geld für den stärker belasteten Staatsschutz der Länder.

SPD: Justiz war ausgeblutet

"Der CDU-Minister tut, was die SPD seit Jahren fordert", lautete die Reaktion der oppositionellen SPD-Landtagsfraktion. Ihr rechtspolitischer Sprecher Gerald Kummer befand, die Zahl der neuen Stellen sei noch weit von dem entfernt, was erforderlich wäre. Unter früheren CDU-Justizministern seien Gerichte und Justizbehörden ausgeblutet worden. Die Menschen würden noch lange zu spüren bekommen, "wohin es führt, wenn der Staat an der falschen Stelle spart".

Auch die FDP ist der Meinung, dass der Stellenaufbau nur ein Anfang sein könne. Vor allem bei der Einführung der E-Akte müsse das Tempo erhöhte werden, sagte Marion Schardt-Sauer, Rechtsexpertin der Fraktion. Schäbig sei Posecks Versuch, Bundesjustizminister Buschmann (FDP) Mitverantwortung für hessische Probleme zuzuweisen. Justiz sei Ländersache.

Linke sieht Spielraum

Dringende weitere Entlastungen für die Justiz forderte auch die Linke. Ihr rechtspolitischer Sprecher Ulrich Wilkens sagte: Bei den Staatsanwaltschaften könne das etwa dadurch geschehen, dass Schwarzfahren lediglich noch als Ordnungswidrigkeit geahndet werde, nicht länger als Straftat. Das gelte auch für die Legalisierung von Cannabis.

Von wichtigen Maßnahmen sprachen die mit der CDU regierenden Grünen nach Posecks Ankündigung. "Mit dem Stellenaufbau in allen Bereichen wird eine deutliche Entlastung erreicht", sagte ihre justizpolitische Sprecherin Hildegard Förster-Heldmann.

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