Ein Jahr und drei Monate nach der Kommunalwahl hat auch Wiesbaden eine neue Stadtregierung. Grüne, SPD, Linke und Volt wollen die Landeshauptstadt bis 2035 klimaneutral bekommen und die Wohnsituation entzerren - ein viel diskutiertes Neubaugebiet nennen sie in ihrem Kooperationspapier aber nicht.

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Mitte-Links-Bündnis regiert Wiesbaden

Neues Rathaus Wiesbaden
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Seit der Kommunalwahl im März 2021 haben die Parteien im Wiesbadener Rathaus über ein neues Regierungsbündnis beraten. Nun, 15 Monate später, steht es: Grüne, SPD, Linke und Volt bilden wenn auch keine Koalition, so doch eine Kooperation. Diese soll bis 2026 halten und die Landeshauptstadt auf den Weg hin zu einer nachhaltigen Kommune bringen. Die Feuerprobe bestand das neue Bündnis im November 2021, als es sich auf einen Entwurf für den Haushalt einigen konnte.

Auf Wunsch der Europapartei Volt wurde mit einer Kooperation eine etwas weniger feste Form eines Bündnisses gewählt. So sei man freier, themenbezogen abzustimmen - also auch mal mit Oppositionsparteien.

Kein Wort zu umstrittenem Neubauprojekt

Das könnte womöglich der Fall sein bei einem viel diskutierten Projekt der Stadtentwicklung: dem Neubaugebiet Ostfeld, wo nach derzeitigen Planungen einmal rund 10.000 Menschen wohnen könnten. Grüne und SPD, die bis voriges Jahr eine Kooperation mit der CDU bildeten, sind dafür, ebenso Volt.

Aber die Linke stellt sich dagegen. Die Stadt dehnte sich damit zu sehr aus auf Kosten der Natur und landwirtschaftlicher Flächen, argumentiert sie in seltener Einmütigkeit mit den lokalen Bauern. Außerdem bezweifelt sie, ob ein so großes neues Stadtviertel überhaupt nötig sei.

In dem am Montag vorgestellten, 136 Seiten langen Kooperationspapier wird das Ostfeld jedenfalls nicht erwähnt. Diese wichtigen Punkte haben sich die vier Partner vorgenommen:


  • Wohnen: Jährlich 1.200 neue Wohnungen sollen entstehen, vornehmlich in bestehenden Quartieren und möglichst nachhaltig und nach hohen energetischen Standards. Sollten doch auch Flächen am Stadtrand bebaut werden, solle das "nach klaren ökologischen Regeln" geschehen.
  • Klimaschutz: "Wir haben vereinbart, unser Möglichstes zu tun, um Wiesbaden bis 2035 klimaneutral zu machen", sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rathaus, Christiane Hinninger. Diesem Ziel wolle die Kooperation die Stadtplanung, die Energiepolitik und die Bauvorhaben unterordnen. Die Energieversorgung soll nachhaltiger geschehen, etwa dank Photovoltaik.
  • Verkehr: Auch dieser Sektor soll nach dem Willen der vier Partner entscheidend zur angestrebten Klimaneutralität beitragen. Ein Viertel der Emissionen in Wiesbaden gehe auf den Verkehr zurück - hier soll die Wende vorangetrieben werden in Form von mehr und breiteren Radwegen, von Radschnellwegen nach Mainz, Frankfurt, Taunusstein und in den Rheingau, von zusätzlichen Fußgängerzonen und von einem größeren ÖPNV-Angebot. Zur Erinnerung: Eine Citybahn, die Taunusstein (Rheingau-Taunus), Wiesbaden und Mainz verbunden hätte, ist vor wenigen Jahren bei einem Bürgerentscheid durchgefallen.
  • Soziales: Die Kooperation will den Kampf gegen Kinderarmut angehen. Zum Beispiel sollen Grundschulen in Stadtvierteln, in denen dieses Problem verbreiteter ist, einen höheren Etat bekommen. Die Parteien wollen das Angebot an Kinderbetreuung ausbauen. Eine eigene Fachstelle soll sich um die Verhinderung und Bekämpfung von Wohnungslosigkeit kümmern.
  • Schulen: "Wir wollen das hohe Niveau beim Schulbau fortführen, die Digitalisierung voranbringen und alle Schülerinnen und Schüler mit mobilen Endgeräten ausstatten", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Hendrik Schmehl am Montag.
  • Digitalisierung: Insgesamt soll die Stadtverwaltung digitaler werden. Damit wollen die Kooperationsparteien einerseits die Wirtschaft fördern und mehr Start-ups anlocken, andererseits sollen die Bürgerinnen und Bürger damit leichter - nämlich online - Dienstleistungen beantragen können. Geplant ist etwa eine "Wiesbaden-Card", die nach den Worten der Volt-Politikerin Janine Vinha "alle bisherigen analogen Angebote bündeln soll".
  • Magistrat: Die Zahl der hauptamtlichen Dezernenten bleibt mit fünf - neben dem Oberbürgermeister Gerd-Uwe Mende (SPD), der ja direkt gewählt wurde - gleich. Das für das Ordnungsamt und die angestrebte "Smart City" zuständige Dezernat ist ehrenamtlich, es wird von Volt bekleidet - es ist ein zusätzliches Ressort. Die SPD erhält zwei Dezernate: eines für Kämmerei, Schule und Kultur, eines für Soziales. Die Grünen werden ebenfalls zwei Dezernate leiten: Unter einem Dach werden die Ämter für Organisation, Umwelt, Grünflächen und Wirtschaft gebündelt, unter einem anderen die Ämter für Liegenschaften, Straßenverkehr und Bauen. Das einzige Dezernat in Linken-Verantwortung ist zuständig für Recht, Zuwanderung, Gesundheit, Verbraucherschutz und Veterinärwesen.
Fraktionsvorsitzende von Grünen, SPD, Linken und Volt in Wiesbaden bei der Vorstellung des Kooperationspapiers

Prompte Kritik von der CDU

Kritik an der neuen Kooperation kam gleich am Montag von der CDU, die bis 2021 der alten Kooperation im Wiesbadener Rathaus angehörte. "Die Gemeinsamkeiten der Möchtegernpartner beschränken sich offenbar auf die gemeinsame Erkenntnis, alle Posten unter sich aufteilen zu wollen", ätzte der örtliche CDU-Vorsitzende Ingmar Jung. Er sprach von "linken Schaufensterprojekten", durch die der Haushalt aufgebläht worden sei. "Die Stadt wird folglich in der Zukunft abgehängt, jahrelanger Stillstand ist zu befürchten", sagte Jung.

Hinweis: In einer früheren Version stand irrtümlich, dass sich die vier Parteien erst vor einigen Wochen auf einen Haushaltsentwurf geeinigt hätten. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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