Boris Rhein Portrait

Für die CDU hat in Hessen offiziell die Nach-Bouffier-Ära begonnen. Der neu gewählte Ministerpräsident Rhein galt mal als Hardliner, dann als Mann des Ausgleichs. Mal als Hoffnungsträger, mal als Loser. Wer ist dieser Frankfurter und was hat er vor?

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Wer ist Boris Rhein? – Ein Porträt des neuen Ministerpräsidenten

hessenschau vom 31.05.2022
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Boris Rhein ist neuer Ministerpräsident in Hessen. Der CDU-Politiker wurde am Dienstag zum Nachfolger seines Parteifreundes Volker Bouffier gewählt, der sein Amt zur Verfügung gestellt hatte. Wer ist der neue Regierungschef? Und was hat er vor?

Die Mission Machterhalt

Fast ein Vierteljahrhundert, seit 1999, stellt die CDU den Ministerpräsidenten in Hessen. Fast zwölf Jahre lang war der inzwischen 70-jährige Bouffier bis zum am Montagabend feierlich zelebrierten Abschied am Ruder. Der langerwartete Generationswechsel wurde am Dienstag im Landtag mit der Wahl Rheins zum neuen Regierungschef vollzogen.

Die Mission des 50 Jahre alten Juristen aus Frankfurt lautet: Machterhalt. Den Wechsel an der Spitze der Regierung will die CDU deshalb eineinhalb Jahre vor der nächsten Hessen-Wahl über die Bühne bringen. Mit dem Amtsbonus als Ministerpräsident, so das Kalkül, steigen die Erfolgschancen.

Der konservative Reformkurs

Von dem Katholiken Rhein - verheiratet, zwei Söhne - ist eine bürgerlich-konservative Politik zu erwarten. Aber eine auf modernem Reformkurs. Er hat angekündigt, mit den Grünen über neue Akzente zu reden, aber ihn bindet der Koalitionsvertrag. Vorhandenen Spielraum hat er mit zwei CDU-Personalien schon genutzt.

Justizministerin Eva Kühne-Hörmann soll abgelöst werden von Roman Poseck, dem Präsidenten des Staatsgerichtshofs. Er soll sich unter anderem der sehr schleppend voranschreitenden Digitalisierung in der Justiz widmen. Und die 42 Jahre alte Astrid Wallmann wurde am Dienstag Nachfolgerin Rheins an der Spitze des Landtagspräsidiums.

"Jünger, bunter, weiblicher" – so hat es Rhein der hessischen Union verordnet. Die CDU will er zur "Bürger- und Mitmach-Partei" machen, zeitgemäß in Inhalt und Stil und mit Wahlerfolgen auch in Großstädten. Dafür stand einst Astrid Wallmanns verstorbener Onkel Walter Wallmann als früherer Oberbürgermeister von Frankfurt und Bundesumweltminister. Ihn und nicht Bouffier zählt Rhein zu seinen Vorbildern.

Das Image als Hardliner

Bei diesen Zielen hilft dem "Frankfurter Bub", wie er sich selbst gerne nennt, dass er im Sommer auch den Vorsitz in der Hessen-CDU von Bouffier übernehmen soll. Es ist nach wechselvoller Karriere erstaunlich, dass ihm eine solche Machtfülle doch noch in Aussicht gestellt wird.

Als CDU-Hoffnungsträger war Rhein in der Landespolitik gestartet. 2009 wurde er Staatssekretär im damals von Bouffier geführten Innenministerium. Sein Chef wurde 2010 Ministerpräsident, und Rhein übernahm den Posten. Mit seinem Image des Hardliners polarisierte der Innenpolitiker Rhein. Er selbst sah und sieht sich ganz anders: "tolerant und offen".

Er sei "sehr konsequenter Verfechter eines sehr starken Staates, weil das eben insbesondere die Schwächeren in der Gesellschaft schützt", lautet sein Credo. Rhein polarisierte nicht nur mit seinem Eintreten für die umstrittene Vorratsdatenspeicherung. In einer Affäre um Polizeiintrigen patzte er in der "Aufräumer"-Rolle: Die von ihm gefeuerte Chefin des Landeskriminalamtes klagte sich ins Amt zurück.

Volker Bouffier (r), Ministerpräsident des Landes Hessen, und Boris Rhein (beide CDU), Präsident des Hessischen Landtags, stehen im Kongresszentrum im Anschluss an eine Pressekonferenz zusammen.

Der Abstieg und die neue Glanzrolle

Zum Karriereknick wurde 2012 die Frankfurter OB-Wahl. Vielleicht war Rhein zu siegessicher, missachtete den Frust klassischer CDU-Wähler über Fluglärm zu sehr, polarisierte mit seinen innenpolitischen Ansichten.

Jedenfalls verlor er gegen den damals ziemlich unbekannten SPD-Politiker Peter Feldmann, der nun wegen der AWO-Affäre vor einem Prozess und einem Amtsenthebungsverfahren steht.

Es ging aber erstmal für Rhein bergab, wenn auch nicht im Sturzflug. Im Bouffier-Kabinett wurde er ins weniger bedeutende Wissenschaftsressort geschoben, dann Anfang 2019 zum Landtagspräsidenten gemacht - ein eher repräsentativer Job.

Der Wiederaufstieg

In der Rolle als Parlamentschef glänzte Rhein. Er agierte umgänglich, ausgleichend und souverän. Anders als mancher Minister, traf Rhein auch in schwierigen Lagen den richtigen Ton. Nach dem rassistischen Attentat von Hanau sagte er: 76 Jahre nach der Shoah habe das Land ein bedrohliches Problem mit Rechtsextremismus – "hier, hier, ausgerechnet in Deutschland."

Trotzdem wäre Rhein unter normalen Umständen wohl nie Ministerpräsident geworden. Für die "Kronprinzen"-Rolle hatte Amtsinhaber Bouffier mit Thomas Schäfer einen anderen aufgebaut. Doch der damalige Finanzminister nahm sich zu Beginn der Corona-Krise das Leben.

Zwei Jahre später schlug der Ministerpräsident dann Rhein vor. Die beiden haben kein ungetrübtes Verhältnis. Aber ein Kandidat von Gnaden Bouffiers, mit Zukunftsperspektive, von CDU und dem grünen Koalitionspartner akzeptiert: Er war nicht in Sicht.

Die Wahl

Für den bisherigen Präsidenten des Landesparlaments stimmten im ersten Wahl-Durchgang 74 Abgeordnete. Das sind fünf Stimmen mehr, als die zur absoluten Mehrheit nötigen 69 Stimmen der schwarz-grünen Koalition.

Gegen Rhein waren 62 Abgeordnete. Es gab eine Stimmenthaltung. Im Landtag in Wiesbaden sitzen 137 Frauen und Männer.

Rhein selbst sprach von einem "überwältigenden Ergebnis" und versprach, er werde sein Bestes geben als Ministerpräsident "für alle Hessinnen und Hessen".

Die weiteren Aussichten

Nicht nur die oppositionelle SPD greift bei der Hessenwahl im Herbst 2023 nach dem Ministerpräsidenten-Posten. Auch die Grünen wollen stärkste Partei werden, höchstwahrscheinlich mit Vize-Regierungschef Tarek Al-Wazir als Spitzenkandidat. Das könnte für zunehmenden Stress sorgen, je näher die Wahl rückt.

In der CDU hört man, Rhein wäre eine Erneuerung des früheren Bündnisses mit der FDP gar nicht unrecht. Das gab das Landtagswahlergebnis zuletzt nicht her. Mit Blick auf Frankfurt, wo die Grünen die CDU für ein Mitte-Links-Bündnis links liegen ließen, sagte Rhein: Die Union dürfe SPD und FDP nie als mögliche Partner außer Acht lassen.

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