Bildkombo: links eine rote Fahne mit den Buchstaben "SPD" vor einem Haus, rechts Portrait von Isabel Carqueville.

Unterstützung für den abtrünnigen, aber wohl aussichtsreicheren Amtsinhaber oder ein Neuanfang als Außenseiter? Der Kasseler SPD steht im Zwist um Oberbürgermeister Christian Geselle eine weitere parteiinterne Zerreißprobe ins Haus. Jetzt kommt es zum Showdown.

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Dauerstreit bei der SPD in Kassel

hessenschau vom 06.10.2022
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Die SPD in Kassel kommt nicht zur Ruhe. Zuerst platzt im Juni die Koalition mit den Grünen, dann setzt sich die Parteilinke der Sozialdemokraten gegen den Wunsch ihres Oberbürgermeisters Christian Geselle durch: Statt auf die CDU als Koalitionspartner zu setzen, werden wechselnde Mehrheiten präferiert. Sehr zum Ärger von Geselle, der daraufhin im August zunächst den Rücktritt der lokalen Parteiführung fordert und dann Ende September in einem offenen Brief ankündigt, bei der OB-Wahl in Kassel im kommenden Frühjahr nicht für seine Partei, sondern als unabhängiger Kandidat anzutreten.

Eine Oberbürgermeisterwahl ohne eigenen Kandidaten? Kaum vorstellbar bei einer Partei, die lange Zeit untrennbar mit der Stadt Kassel verbunden war. Und so verkündet die SPD-Führung kurzerhand, einen Gegenkandidaten oder eine Gegenkandidatin aufstellen zu wollen. Noch am gleichen Abend erklärt Isabel Carqueville ihre Bereitschaft, für die Partei zu kandidieren.

Entscheidung bei Wahlkreiskonferenz Mitte Oktober 

Am 12. Oktober entscheiden die SPD-Mitglieder nun bei der Wahlkreiskonferenz, ob man den unabhängigen Geselle unterstützt oder Konkurrenz aus den eigenen Reihen aufbietet. Die mögliche Kür von Isabel Carqueville steht also noch aus.

Mit ihr strebt eine junge Frau ins Kasseler Rathaus. Sie habe erst gezögert, erinnert sich die 38 Jahre alten Erziehungswissenschaftlerin. Aber ihre Kandidatur habe auch eine Vorbildfunktion: "Wir fordern immer, dass junge Frauen und junge Mütter in verantwortungsvolle Positionen kommen. Und wenn wir gefragt werden, sagen wir Nein." Jetzt wolle sie das Gegenteil beweisen.

Ob sie die Basis überzeugen kann, ist ungewiss. Denn ihre Partei ist auch in der Kandidaten-Frage tief gespalten: Geselle hat auch als unabhängiger Kandidat Befürworter in der Partei, andere wollen nicht ohne eigenen Kandidaten zur OB-Wahl antreten.

Stimmung in der SPD gespalten 

SPD-Mann Dieter Seidel vom Ortsverein Altkassel-Bettenhausen weiß um die komplizierte Gesamtgemengelage seiner Partei. Zwei Lager gebe es schon lange, bisher hätten eher die pragmatischen Kräfte die Linie in der Partei bestimmt. Mittlerweile sei die Parteilinke dominant. Der 66-Jährige will Geselle unterstützen, dessen Entscheidung, als unabhängiger Kandidat anzutreten, könne er nachvollziehen.

Ein eigener Kandidat als Konkurrenz zu Geselle treibe die Spaltung der Partei weiter voran, fürchtet Seidel. Auch Parteigenosse Stefan Trömer steht weiter hinter Amtsinhaber Geselle, der eine durchaus positive politische Bilanz aufzuweisen habe. Carqueville dagegen werde "komplett neu ins Rennen geworfen". Mit einem eigenen Kandidaten verringere die SPD ihre Chancen, so Trömer.

Das sieht Reinhard Wintersperger, Vorsitzender im Ortsverein Harleshausen und seit 1969 in der Partei, ganz anders. Er halte es für falsch, weiter an Christian Geselle festzuhalten. Zumal dieser sich von der SPD abgewandt habe, nachdem die Partei seinen "unerfüllbaren und auch letztlich unsinnigen Forderungen" nicht nachgekommen sei. "Wenn wir das jetzt so machen, dann nimmt er uns, falls er gewählt wird, überhaupt nicht mehr ernst", so die Einschätzung von Wintersperger.

Starker Konkurrenzkampf bei OB-Wahl

Sollte die Parteibasis am Mittwoch tatsächlich Isabel Carqueville nominieren, ist die Konkurrenz bei der OB-Wahl am 12. März groß: Die Grünen haben bei der letzten Kommunalwahl das stärkste Wahlergebnis eingefahren und schicken Sven Schoeller ins Rennen. Für die CDU kandidiert mit der langjährigen hessischen Justizministerin Eva Kühne-Hörmann ebenso ein promimenter Name. Und Christian Geselle bringt als amtierender Oberbürgermeister den Amtsbonus mit.

Carqueville sieht ihre Partei als zweitstäkste Kraft dennoch in der Pflicht, eine eigene Kandidatur an den Start zu bringen. Sie selbst möchte das, was im Sommer passiert ist, abschließen und nach vorne schauen. Ob ihre Genossinnen und Genossen das am 12. Oktober genauso sehen, wird sich zeigen. Es bleibt also spannend in Kassel.

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