Ein Windrad steht hinter den Solarzellen einer Solarkraftanlage im Sonnenschein. (picture alliance/dpa)

Bis 2045 will Hessen klimaneutral sein - auch dank hunderter Windräder. Der grüne Energieminister Al-Wazir fordert die Bürger deshalb auf, nicht so oft gegen Windradprojekte zu klagen. Doch ausgerechnet ein Kabinettskollege kämpft gegen einen Windpark vor seiner Haustür.

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Energiewende: Gespräch mit Energieminister Al-Wazir

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38,2 Monate – so lange dauert durchschnittlich ein Genehmigungsverfahren für ein Windrad in Hessen. Bundesweit Schlusslicht, attestiert die Fachagentur Windenergie. In Sachsen dagegen braucht die Genehmigung nur zwölf Monate. Für die Flaute macht Linken-Fraktionschef Jan Schalauske die schwarz-grüne Landesregierung verantwortlich: "Wir haben das Problem, dass zwei Prozent der Landesfläche für die Windkraft ausgeschrieben worden sind, aber nur ein Bruchteil davon überhaupt mit Windkraftanlagen bebaut ist."

Es bräuchte eine "richtige Offensive", fordert Schalauske. Auch müsse das Land Ersatzflächen ausweisen, sollten sich sogenannte Vorranggebiete als untauglich erweisen. So wurde ein Projekt im 2-Prozent-Gebiet wegen der Nähe zum Flughafen Kassel-Calden gestoppt – nun hätten an diesem Standort auch andere Windrad-Pläne kaum Chancen.

Ungeduldiger Minister

Selbst Tarek Al-Wazir (Grüne) scheint es zu langsam zu gehen. Rund 70 hessische Windradprojekte liegen auf Eis, weil gegen sie geklagt wird. "Die Summe aller Einzelinteressen ist noch lange nicht das Gemeinwohl", sagt der Wirtschaftsminister, der sich an den vielen juristischen Auseinandersetzungen stört. "Jedes Windrad macht uns unabhängiger von russischer Kohle und russischem Gas. Insofern würde uns die Energiewende nicht nur unabhängiger machen, sondern auch wohlhabender." 

Davon möchte sein Kabinettskollege und Innenminister Peter Beuth wohl nichts wissen. Der CDU-Politiker sitzt auch im Kreistag für den Rheingau-Taunus-Kreis und engagiert sich seit Jahren gegen Windräder auf dem Taunuskamm über Niedernhausen. "Wir werden uns dafür einsetzen, dass diese Region, die stark vom Tourismus geprägt ist, nicht mit solchen Anlagen bebaut wird", heißt es vom CDU-Kreisverband.

Für die SPD ist klar: Vor allem der Koalitionspartner der Grünen trete auf die Ökostrom-Bremse. "Der CDU-Innenminister blockiert die Windräder. Was ist das für ein Signal?", fragt SPD-Fraktionschef Günter Rudolph, der dem Grünen-Minister vorwirft, sich nicht durchsetzen zu können: "Herr Al-Wazir ist in diesem Bereich für mich ein großer Blender, die Grünen haben nichts hingekriegt, das ist die traurige Bilanz nach achteinhalb Jahren in der Regierung."

Solarpflicht für Supermarkt-Parkplätze

Doch neben den vielerorts unbeliebten Windrädern will Al-Wazir auch auf andere erneuerbare Energien setzen, die Sonne zum Beispiel. Vergangene Woche wurde ein Gesetz auf den Weg gebracht, in dem eine Photovoltaikpflicht für neue Parkplätze verankert ist. Vor Unis und Landesbehörden soll die ab 35 Stellplätzen gelten, bei privaten Bauvorhaben wie Supermärkten ab 50 Stellplätzen. Gute Idee, aber viel zu spät, schimpft die FDP im Landtag. "Das ist ein kluger Ansatz, wäre im Winter aber kein Ersatz, wenn die Sonne nicht scheint", sagt Fraktionschef René Rock.

Auch die Wärmepläne, die Kommunen ab 20.000 Einwohnern künftig erstellen sollen, kommen beim FDP-Energieexperten nicht gut an: "Jeder Bürgermeister, der auf seine Stromrechnung guckt, weiß ganz genau, wo seine Verbräuche sind." Es bräuchte keine weiteren Fachleute oder Gutachten, sondern eher weitere Förderungen vom Land, um kommunale Gebäude energetisch zu sanieren. "Die Landesregierung versorgt die Kommunen mit zu wenig Geld, dadurch können sie zu wenig investieren, und das ist eigentlich das Problem!" Mit den Wärmeplänen sollen Kommunen rausfinden, wo Energie ungenutzt verloren geht, zum Beispiel in der Industrie.

Handwerkeln gegen die Gaskrise

Angesichts der Gaskrise durch den Krieg in der Ukraine glaubt Al-Wazir an eine historische Chance: "Nun wird Leuten klar, wir können so nicht weiter machen. Viele Menschen machen sich Gedanken, was sie selbst beisteuern können zur Energiewende."

Das wäre selbst im Kleinen zu schaffen, ist sich Al-Wazir sicher, mit ein paar Handwerkerarbeiten im Heizungskeller oder einer einfachen Dämmung hinter dem Heizkörper. Hierzu ist der Grünen-Politiker sogar eine Kooperation mit einem Youtuber eingegangen: Der "Energiesparkommissar" soll Haushalts-Tipps geben, damit jeder seinen kleinen Teil zur Energiewende beisteuern kann.

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Energie – Landesregierung ruft zum Sparen auf

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