Abzeichen mit Schriftzug "Justiz Hessen"

Nachdem das Oberlandesgericht Frankfurt wegen Überlastung sechs mutmaßliche Gewaltverbrecher freilassen musste, sehen SPD und FDP im Landtag den neuen Justizminister Poseck in der Pflicht. Dieser äußert sich zuversichtlich.

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Sechs Verdächtige aus U-Haft entlassen

Fassade des Land- und Amtsgerichtes in Frankfurt von der Straße aus fotografiert.
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"Es wäre eine Bankrotterklärung des Rechtsstaats, würde es tatsächlich zur Aufhebung von Haftbefehlen wegen Verfahrensverzögerungen kommen." Diese Aussage stammt aus dem Januar und kommt von Roman Poseck, damals Präsident des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt.

Ein halbes Jahr später: Poseck (CDU) ist nun hessischer Justizminister und muss feststellen, dass das OLG Frankfurt tatsächlich sechs Angeklagte trotz schwerer Gewaltvorwürfe freilassen musste. Weil es überlastet ist.

Es ist wenig verwunderlich, dass sich die hessische SPD an diese Aussage Posecks erinnert – und sie gleichzeitig auf den Plan ruft. Poseck selbst habe vor einer solchen Entwicklung gewarnt. "Nun ist es an ihm, als neuem Justizminister, den Bankrott des Rechtsstaats zu verhindern", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Günter Rudolph am Samstag. Das OLG sage selbst, dass es "strukturell überlastet" sei. "Dieser Hilferuf muss gehört werden."

Poseck habe bei seinem Amtsantritt versprochen, dass alles besser werde, erinnerte Oppositionsführer Rudolph. "Zehn Neueinstellungen" sowie "ein Ausdruck des Bedauerns" würden nicht reichen. Rudolph fragte: "Ist es für die hessischen Bürgerinnen und Bürger gut, dass mutmaßliche Gewaltverbrecher frei herumlaufen?"

FDP: "Abrüstung des Rechtsstaats stoppen"

Die FDP im Landtag sieht in den Freilassungen einen "Skandal mit Ansage". "Die Überlastung der Justiz und die daraus resultierende Verfahrensdauer sind ein lange bekanntes Problem", erklärte die Sprecherin der Fraktion, Marion Schardt-Sauer.

Zwar habe der neue Justizminister das Problem von seiner Vorgängerin geerbt - doch er müsse jetzt handeln, fordert Schardt-Sauer. "Er ist jetzt in der Pflicht, die schleichende Abrüstung des Rechtsstaats zu stoppen und umzukehren, damit nicht noch weitere mutmaßliche Verbrecher frei herumlaufen."

Poseck verspricht neue Stellen

Justizminister Poseck verkündete in einem Statement am Samstag, dass er seinen Beitrag leisten werde, um "die Handlungsfähigkeit der Justiz zu gewährleisten". Demnach wolle man weitere zusätzliche Stellen schaffen. "Für den Doppelhaushalt 2023/2024 bin ich zuversichtlich, dass es viele weitere Stellen für Richter und Staatsanwälte geben wird", so Poseck.

Es lasse sich aber niemals ausschließen, dass aufgrund eines besonders hohen Fallaufkommens eine Überlastung eintrete. Die betroffenen Kammern des OLG hätten im April und Juni eine Überlastung gemeldet. Das Präsidium des Landgerichts Frankfurt habe die Kammern danach deutlich entlasten können. "Es sind Zuständigkeiten und Verfahren auf andere Kammern übertragen worden", teilte Poseck mit.

Richterbund: 200 Richter und Staatsanwälte fehlen

Das OLG hatte am Freitag die Freilassung von sechs mutmaßlichen Straftätern aus der Untersuchungshaft angeordnet, weil ihre Verfahren zu lange dauern. Die Haftbefehle wurden aufgehoben. Insgesamt geht es um drei verschiedene Strafverfahren, in einem Fall mit vier Verdächtigen. Ihnen werden Verbrechen wie versuchter Totschlag vorgeworfen. Poseck bedauerte am Freitag die Verfahrensverzögerungen. "Das ist ein schlechtes Signal in unserem Rechtsstaat, der für eine konsequente Strafverfolgung stehen sollte", sagte er.

Vor einer Überlastung der hessischen Gerichte hatte im Januar auch der Richterbund gewarnt. Es fehlten 200 Richter und Staatsanwälte, hieß es damals.

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