Eine Streuobstwiese, daneben ein Weg mit einer Bank und eine Erläuterungstafel auf welcher u.a. steht: "Die Streuobstwiese - ein wertvoller Lebensraum"

Hessens grüne Umweltministerin Hinz will eine Million Euro in die Rettung der Streuobstwiesen investieren. Das hat im Landtag ungeahnte Emotion geweckt. Und das nicht nur wegen des Vorwurfs, hier werde Geld für etwas verschleudert, das es schon gibt.

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Landtagsdebatte über Streuobstwiesen

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Auf den alten, windschief gewachsenen Bäumen des Lohrbergs fangen der Berlepsch, der Schöne von Nordhausen oder auch der Prinz Albrecht von Preußen in diesen Tagen begierig die Strahlen der Sommersonne auf. Wer weiß, vielleicht reifen sie ja zum Besten, was ein Apfel in Frankfurt werden kann.

Rund um das MainÄppelHaus Lohrberg aber geht es um mehr als die Veredelung alter Apfelsorten für den Bembel. Mit der Streuobstwiese wird einer der wertvollsten Lebensräume für Tiere und Pflanzen in unseren Breiten gepflegt. Streuobstzentrum nennen sich die Einrichtung und der dahinter stehende Verein.

Trifft es sich da nicht perfekt, dass Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) genau das für Hessen vorschwebt: ein Streuobstwiesenzentrum als Kern einer mit einer Million Euro unterlegten Strategie? Alte Streuobstwiesen gilt es zu retten, neue anzulegen. Nur, dass Hinz dafür - gerade einmal 20 Kilometer von Frankfurt entfernt - in Bad Soden im Taunus ein ganz neues Streuobstwiesenzentrum entstehen lassen will.

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Die ganze Landtagsdebatte über Streuobstwiesen und Artenschutz können Sie sich in unseren Videos aus dem Landtag anschauen.

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"Bis heute keine ausreichende Förderung"

Bei den ehrenamtlichen Streuobst-Experten im MainÄppelHaus stößt das auf Unverständnis. Das Land hat nach Meinung des Vorsitzenden Gerhard Weinrich auf dem Gebiet ohnehin schon viel verpasst, obwohl es "um einen Teil unserer Heimat" gehe.

Nun drohe mit dem neuen Zentrum noch ein Nebeneinander, wo Gemeinsamkeit geboten sei. Seine Forderung: Hessen solle die Menschen unterstützen, die den Streuobstwiesen-Schutz längst betreiben. "Bis heute erfahren wir nicht die nötige Förderung."

Liebe zur Biodiversität währt nicht lange

Im Landtag führte die Streuobstwiese am Mittwoch zu einer ungewöhnlich lebhaften Debatte. Da war zum einen der Einwand: Verschleudert eine Ministerin hier gerade einen Millionenbetrag für etwas, das es zumindest im Ansatz schon gibt und nur noch ausgebaut werden müsste? Und da war zum anderen der autobiographisch-sentimentale Gehalt des Themas in einem Bundesland, das die Streuobstwiese zum Kulturgut erhoben hat.

So folgte ein Bekenntnis auf das andere. Der CDU-Abgeordnete Sebastian Müller entpuppte sich als jemand, der "seit meinem zwölften Lebensjahr" eine Streuobstwiese bewirtschaftet. Bereits seit 30 Jahren presst Claudia Papst-Dippel (AfD) Apfelsaft von Bäumen der Region. Und Stefan Naas, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP, gab zu Protokoll: "Auch ich besitze eine Streuobstwiese."

Kein Konzept zum Zubeißen?

Das war es aber auch schon mit der parteiübergreifenden Liebe zum "Hotspot der Biodiversität", wie Ministerin Hinz die Streuobstwiese bezeichnete. Ihr geht es auch nicht zuletzt um hessische Apfelsorten: "Es gibt 60 bis 80 regionale Apfelsorten wie den Heuchelheimer Schneeapfel, den Dorheimer Streifling oder den Ruhm von Kelsterbach. Der Name ist so toll, da will man doch gleich in den Apfel reinbeißen."

Appetit auf ihr Vorhaben machte die Ministerin ihren Kritikern nicht. Die Opposition versuchte, das Streuobst-Konzept der Umweltministerin zu zerpflücken, weil es zu teuer und auch wirkungslos sei.

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Bis zu 5.000 Arten

Von der Mirabelle über die Birne bis zum Apfel, von der Haselmaus über den Steinkauz bis zum Igel, von der Hornisse bis zur Biene: Auf und zwischen den Bäumen einer Streuobstwiese fühlen sich bis zu 5.000 Tier- und Pflanzenarten wohl. Das braucht ökologisches Know-how: kundigen Baumschnitt zum Beispiel. In den vergangenen Jahrzehnten fielen immer mehr dieser Wiesen Bebauung oder Bequemlichkeit zum Opfer. Inzwischen ist das Bewusstsein gewachsen, wie viel dabei verloren ging.

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Vom Bund der Steuerzahler und faulem Obst

Gernot Grumbach von der SPD hielt Hinz vor, schon ihre Initiative sei überflüssig. Die vielen kleinen Maßnahmen gegen Artensterben und Klimawandel hätten fast nichts geändert, der Zustand der Gewässer in Hessen sei "beschissen". "Wir brauchen eine Strategie, die mal mit den großen Brocken anfängt."

Zu kleinkariert geht es auch Linken-Politikerin Heidemarie Scheuch-Paschkewitz beim Artenschutz zu. Den Einsatz von Pestiziden etwa bekomme das Land nicht in den Griff: "Hier ist nicht nur das Obst faul."

Das Projekt werde gewiss im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler auftauchen - das prophezeite Wiebke Knell (FDP). Denn das Land versenke eine Million Euro Steuermittel in eine Doppelstruktur. Auch der AfD-Politikerin Papst-Dippel - "Mein Lieblings-Apfel ist die Zitronen-Renette" - ist der Plan fürs neue Zentrum zu teuer.

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