Großaufnahme eines Aktenordners auf welchem steht: "#say their names" und "Hanau-Untersuchungsausschuss".

"Wir haben das Menschenmöglichste getan, um die Situation zu meistern": Polizisten, die in der Nacht des Attentats von Hanau im Dienst waren, haben im Untersuchungsausschuss des Landtags ausgesagt.

Mehrere Polizeibeamte der Station Hanau haben nach eigenen Worten am Abend des rassistischen Anschlags am 19. Februar 2020 keine Kenntnis darüber gehabt, dass unbeantwortete Notrufe nicht an andere Dienststellen weitergeleitet wurden, sondern ins Leere liefen. Der fehlende Überlauf sei ihnen nicht bekannt gewesen, sagten sowohl eine 30 Jahre alte Polizeibeamtin als auch ein 41 Jahre alter Polizeibeamter am Montag im Untersuchungsausschuss zu dem Attentat im Landtag in Wiesbaden.

"Wir haben das Menschenmöglichste, wozu wir in der Lage waren, getan, um die Situation zu meistern", sagte die Polizistin. Sie wisse nicht, was sie und ihre Kollegen hätten besser machen können. Es hätte nichts am Einsatz geändert, wenn mehr Notrufe hätten entgegengenommen werden können, so die Einschätzung der Beamtin. Sie habe den ersten Notruf um kurz vor 22 Uhr angenommen. Der Anrufer habe von Schüssen gesprochen und große Angst um sein Leben gehabt.

Ob die Polizistin mit ihrer Einschätzung richtig liegt, ist unklar, denn geklärt werden muss im Ausschuss unter anderem, ob Vili-Viorel Păun noch am Leben sein könnte. Der 22-Jährige verfolgte den Täter in der Tatnacht und wählte dabei mehrfach erfolglos den Notruf. Der Attentäter erschoss ihn kurz darauf. Angehörige und ein großer Teil der Landtagsopposition glauben: Hätte Păun den Notruf erreicht, hätten die Polizeibeamten ihn davon abhalten können, dem Täter zu folgen. Auf die Frage an die Polizistin, was sie dem Mann am Telefon gesagt hätte, wenn er durchgekommen wäre, sagte die Beamtin, sie hätte ihm vermutlich geraten, niemandem hinterherzufahren, der zuvor geschossen habe.

Gab es ein Behördenversagen?

Dass der Notruf der Hanauer Polizei in der Tatnacht nur eingeschränkt erreichbar war, ist erwiesen. Dabei hatte ein 43-Jähriger neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen. Danach tötete er seine Mutter und sich selbst. Der Untersuchungsausschuss soll klären, ob es vor, während und nach der Tat zu einem Behördenversagen kam. Die Polizeistation Hanau war an dem Tatabend nach Berichten der Beamten ausgedünnt, da drei Beamte bei einer Bombenentschärfung im Einsatz waren. Die 30-jährige Polizistin beantwortete die Notrufe überwiegend alleine.

Forderungen nach politischen Konsequenzen

Die Obfrau für die Linken-Fraktion im Untersuchungsausschuss Hanau, Saadet Sönmez, kritisiert als Reaktion auf den Untersuchungsausschuss am Montag, dass es "keine Einweisung, keine Ausbildung und schon gar keine Vorkehrungen für den Fall einer Lage mit hohem Notrufaufkommen - sei es ein großer Unfall auf einer Autobahn, ein Flugzeugabsturz oder eben ein Terroranschlag mit mobilen Tätern" gegeben habe. "Das Ganze muss politische Konsequenzen haben!" Für Dirk Gaw, Mitglied der AfD-Fraktion im Hanau-Untersuchungsausschuss steht fest: "Es lagen gravierende Mängel vor, für die nicht die Hanauer Polizeibeamten zur Verantwortung gezogen werden dürfen, sondern das Hessische Innenministerium."

Die Obfrau der SPD-Landtagsfraktion, Heike Hofmann, betonte, die Aussagen der Polizistin und des Polizisten, die in der Tatnacht Dienst auf der Wache in Hanau hatten, zeichneten das "erschreckende Bild einer hilflosen Mangelverwaltung". Hingegen erklärte Jörg Michael Müller von der CDU: "Keiner der Morde hätte bei dieser blitzschnellen Tatdurchführung durch weitere entgegengenommene Notrufe verhindert werden können."

Notruf in Hanau nach Beschwerden nachgerüstet

Ein Leitender Polizeidirektor, der am Montag auch als Zeuge im Ausschuss gehört wurde, berichtete, dass die Bearbeitung der Notrufe in der Hanauer Station nach mehreren Beschwerden im Jahr 2006 technisch nachgerüstet worden sei. Inzwischen würden sämtliche Notrufe zentral abgearbeitet, wie der 55-Jährige sagte. Er nannte es "eine richtige Entscheidung", dass in der Anfangsphase des Attentats alle verfügbaren Kollegen auf die Straße gebracht worden seien.

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