Der Stuhl von Frankfurts Oberbürgermeister Feldmann wackelt, das Stadtparlament könnte ein Abwahlverfahren in Gang setzen. Auf diesem Weg verloren schon einige Stadtoberhäupter in Hessen ihr Amt. In Großstädten ist eine Abwahl allerdings besonders schwierig.

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Schon 18 Bürgermeister wurden in Hessen abgewählt

Schriftzug "Rathaus" an einer gelb gestrichenen Hauswand neben einer Blumenampel.
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Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) hat keinen Rückhalt mehr im Frankfurter Stadtparlament. Fast alle Fraktionen fordern, dass er den Hut nimmt. Doch das will er nicht, wie er öffentlich mitteilte. Die Regierungskoalition erwägt deshalb ein Abwahlverfahren. Die Hürden dafür sind hoch, wurden in Hessen aber schon oft genommen.

Geldstrafe, Abwahl, Bürgerentscheid

Zuletzt hat es Edgar Paul erwischt. Der Sozialdemokrat war 21 Jahre lang Bürgermeister von Nieste (Kassel). In der 1.800-Seelen-Gemeinde fuhr Paul regelmäßig Traumergebnisse von 75 Prozent und mehr ein. Doch vor genau einem Jahr warfen die Niester ihn aus dem Amt, mit ebenso großer Mehrheit.

Paul hatte bei Steuern und Abgaben wohl geschummelt. Das Amtsgericht Kassel verhängte eine Geldstrafe, der Kreis Kassel verbot ihm, das Amt auszuüben, die Gemeindevertretung stimmte mit überwältigender Mehrheit für seine Abwahl – doch Paul wollte trotzdem weitermachen. So kam es zum Bürgerentscheid.

21 Abwahlverfahren in Hessen

21 Mal haben Stadtparlamente und Gemeindevertretungen in Hessen ein Abwahlverfahren gestartet. Das haben bisher nur drei Bürgermeister überstanden und konnten weiter regieren. In 18 Fällen führte es – aus Sicht der Parlamentsmehrheit – zum Erfolg, also zum Aus für das direkt gewählte Stadtoberhaupt.

Nicht alle angezählten Amtsträger ließen es bis zum Bürgerentscheid kommen. Seit 2005 gibt es nämlich eine Hintertür in der Gemeindeordnung, die einen gesichtswahrenden Abgang ermöglicht: Wenn das Parlament mit Zwei-Drittel-Mehrheit für die Abwahl gestimmt hat, hat der Rathauschef eine Woche Bedenkzeit. Er kann dann – mehr oder weniger – freiwillig sein Amt aufgeben und behält seine Versorgungsansprüche.

Das sind die bisherigen Abwahlverfahren in Hessen:

1. Abgewählt durch Bürgerentscheid:

  • Erika Schäfer (SPD), Ober-Mörlen (Wetterau), 2000
  • Frank-Peter Giesecke (parteilos), Cornberg (Hersfeld-Rotenburg), 2002
  • Dorothee Diehl (CDU), Maintal (Main-Kinzig), 2003
  • Paul Weber (SPD), Gemünden (Vogelsberg), 2003
  • Margret Härtel (CDU), Hanau, 2003
  • Anders Arendt (parteilos), Amöneburg (Marburg-Biedenkopf), 2005
  • Detlev Sieber (SPD), Schlangenbad (Rheingau-Taunus), 2006
  • Rainer Sens (parteilos), Hirschhorn (Bergstraße), 2016
  • Freddy Kammer (parteilos), Hirzenhain (Wetterau), 2017
  • Edgar Paul (SPD), Nieste (Kassel), 2021

2. Rücktritt nach Misstrauensvotum durchs Parlament, Verzicht auf Bürgerentscheid:

  • Herbert Diestelmann (SPD), Alsfeld (Vogelsberg), 2007
  • Mirko Schütte (parteilos), Brachttal (Main-Kinzig), 2011
  • Armin Faber (Freie Wähler), Bad Salzschlirf (Fulda), 2012
  • Marcus Schafft (CDU), Hofbieber (Fulda), 2012
  • Gerrit Klingelhöfer (parteilos) , Mittenaar (Lahn-Dill), 2013
  • Peter Wolff (FDP), Gersfeld (Fulda), 2014
  • Joachim Heller (parteilos), Leun (Lahn-Dill), 2017
  • Berndt Happel (unabhängig), Siegbach (Lahn-Dill), 2020

3. Nicht abgewählt, da keine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger:

  • Bernhard Klug (parteilos), Trendelburg (Kassel), 2001
  • Gerd Bocks (parteilos), Lollar (Gießen), 2002
  • Malte Jörg Uffeln (parteilos), Steinau an der Straße (Main-Kinzig), 2017

Goldene Brücke für angezählte Bürgermeister

Die goldene Brücke, also das freiwillige Ausscheiden, haben in den vergangenen 15 Jahren die meisten Bürgermeister genutzt, wenn das Parlament ihnen das Vertrauen entzogen hatte. Einige wenige wollten die Entscheidung aber ganz bewusst dem Wahlvolk überlassen. Und einer hatte damit vor fünf Jahren auch Erfolg.

Malte Jörg Uffeln, damals Bürgermeister von Steinau an der Straße (Main-Kinzig), hatte sich eigentlich ins Abseits manövriert. In der "Führer-Affäre" war er unter Nazi-Verdacht geraten, denn er hatte einem Mitarbeiter die Biografie einer NS-Größe geschenkt, des Hitler-Vertrauten Bormann, und diese auch noch mit einer fragwürdigen Widmung versehen.

Im Stadtparlament hatte er jeglichen Rückhalt verloren – 2017 leitete es das Abwahlverfahren ein. Doch die Steinauer sahen die Sache offenbar nicht ganz so dramatisch: Zwei Drittel der Wähler sprachen sich gegen die Abwahl aus. Uffeln führte seine Amtszeit zu Ende, trat allerdings 2020 nicht wieder an.

30-Prozent-Quorum stellt hohe Hürde dar

Um einen Bürgermeister aus dem Amt zu entfernen, müssen die Bürger zum einen mehrheitlich für die Abwahl stimmen – also mit "Ja". Zum anderen müssen die Ja-Stimmen 30 Prozent der Wahlberechtigten ausmachen. Je nachdem, wie viele Nein-Stimmen es gibt, ist also eine Wahlbeteiligung von 30 Prozent plus X nötig.

Experten halten das 30-Prozent-Quorum für eine hohe Hürde, vor allem in einer Großstadt wie Frankfurt. Um das zu erreichen, müsse es ein großes öffentliches Interesse an der Angelegenheit geben, sagt der Kelkheimer Rechtsanwalt Rafael Wiegelmann, der auf Kommunalrecht spezialisiert ist.

Das war bei Kommunalpolitik in Frankfurt zuletzt nicht immer der Fall: Bei der vergangenen OB-Wahl 2018 gaben im ersten Wahlgang 37,6 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, in der Stichwahl dann nur noch 30,2 Prozent. Bei einer so geringen Beteiligung käme es nur dann zur Abwahl, wenn mindestens 99,4 Prozent der Stimmen "Ja" lauten. Das heißt: Je geringer das öffentliche Interesse, desto besser für den Amtsträger.

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