Sexuelle Übergriffe Landesvorstand der Linken verspricht Aufarbeitung

Seit Ende letzter Woche erschüttern Vorwürfe sexueller Übergriffe die Linkspartei in Hessen. Nun nahm der Landesvorstand der Partei Stellung und versprach Aufklärung. Zugleich stärkte er der Bundesvorsitzenden Janine Wissler den Rücken.
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Frühere Linke-Landesvorsitzende wehrt sich gegen Vorwürfe

Als Reaktion auf die Vorwürfe sexueller Übergriffe durch Parteimitglieder und Fraktionsmitarbeiter hat der Landesvorstand der Linken in Hessen die Betroffenen um Verzeihung gebeten. "Ich möchte mich bei allen Opfern entschuldigen, die so etwas erfahren mussten", erklärte die Landesvorsitzende Petra Heimer bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Die Partei habe es versäumt Strukturen zu schaffen, an die sich Betroffene hätten wenden können. Das solle nun nachgeholt werden. "Wir wollen in Zukunft verhindern, dass solche Dinge überhaupt möglich sind", so Heimer.
Zugleich wies der Landesvorstand Darstellungen zurück, wonach die Partei bereits seit Jahren über die Vorwürfe informiert gewesen sei. Der Landesvorstand habe erstmals im November 2021 davon erfahren und danach auf Anraten von Experten das Gespräch mit Betroffenen gesucht. Jedoch seien diese Gesprächsangebote nur in einem Fall wahrgenommen worden, erklärte Heimer.
Vertrauenspersonen und Schulungen geplant
"Die Vorwürfe müssen für uns alle ein Weckruf sein", erklärte Landesvorstandsmitglied Jan Schalauske. "Sexualisierte Gewalt und sexistische Strukturen" dürften in der Partei keinen Platz haben. Bei der nächsten Sitzung des Landesvorstands Ende April sollen daher unabhängige Vertrauenspersonen benannt werden, an die sich Betroffene künftig wenden könnten.
Zudem könnten Schulungsangebote zum Thema für Führungspositionen innerhalb der Partei verpflichtend werden. Auch über weitere innerparteiliche Sanktionen soll beraten werden, betonte Schalauske. Ziel sei es "eine Kultur des Hinschauens und eine höhrere Sensibilität" zu entwickeln.
Zwei Mitarbeiter beurlaubt
Die aktuell im Raum stehenden Vorwürfe sollten derweil nicht durch Gremien der Landespartei aufgearbeitet werden. Vielmehr erbitte man sich als Landesvorstand Hilfe von der Bundespartei. Deren Vertrauensgruppe oder ein externes Expertengremium solle die Vorfälle aufarbeiten.
Als Konsequenz aus den Vorwürfen seien ein Mitarbeiter der Landtagsfraktion sowie ein Mitarbeiter im Wahlkreisbüro der Landtagsfraktionsvorsitzenden Elisabeth Kula beurlaubt worden.
Stellvertretende Landesvorsitzende tritt zurück
Die Missbrauchsvorwürfe, die erstmals am Karfreitag durch einen Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel einer breiten Öffentlichkeit bekannt wuren, stellen die Partei in Hessen derweil immer mehr vor einer Zerreißprobe. Am Mittwochabend hatte die stellvertretende Landesvorsitzende Marjana Schott ihren Austritt aus der Partei erklärt. 2
Schott wand sich gegen die Art und Weise, wie gegen Beschuldigte vorgegangen werde und kritisierte damit das Verhalten von Vertreterinnen und Vertretern der Jugendorganisation der Linken, "Solid". "Solid" würde die Debatte in den sozialen Netzwerken und den Medien "auf eine Weise befeuern, die keinem Opfer hilft". Versuche nachzufragen, ob Vorwürfe belegbar seien, würden sogleich zu Täterschutz umdeklariert.
E gehe nur darum, die Vorwürfe konkret zu machen. "Wenn ich nicht mal das tue, ist das für mich schon eine bemerkenswerte Entscheidung", sagte Schott dem hr am Freitag, "immer dann, wenn es justiziabel wird, gibt es von den Beschuldigenden keinen Schritt."
Kritik am Vorgehen von "Solid"
Keines der Opfer habe mit ihr oder dem Landesvorstand gesprochen, sagt Schott, es gebe lediglich "ominöse E-Mails", von denen man nicht wisse, ob sie real sind oder falsch. In diesen E-Mails werde dann behauptet, der Landesvorstand sei informiert gewesen.
Petra Heimer erklärte am Donnerstag, dass der Landesvorstand Schotts Rücktritt bedauere. Sie habe sich "außerordentliche Verdienste" um den Aufbau der Linken in Hessen erworben. Als erstes hatte der Wiesbadener Kurier über Schotts Rücktritt berichtet.
Landesvorstand steht zu Wissler
Der hessische Missbrauchs-Skandal zieht derweil auch die Bundespartei weiter in Mitleidenschaft. Nicht zuletzt weil sich einige der Vorwürfe gegen einen ehemaligen Partner der Co-Vorsitzenden Janine Wissler, die bis letztes Jahr noch Fraktionsvorsitzende im Wiesbadener Landtags war, richten.
Am Mittwoch war Susanne Hennig-Wellsow, neben Wissler die zweite Co-Vorsitzende der Linken im Bund, zurückgetreten. In einer Erklärung hatte sie sich bei den Betroffenen des Missbrauchs-Skandals entschuldigt und davon gesprochen, dass eklatante Defizite der Partei offengelegt worden seien. In einer Krisensitzung am Mittwochabend hatte der Bundesvorstand der Linken beschlossen, dass Janine Wissler die Partei bis auf Weiteres alleine weiterführen soll.
Auch der Landesvorstand sprach Wissler am Donnerstag sein Vertrauen aus: "Wir sehen an keiner Stelle irgendein Verschulden von Janine Wissler", erklärte der stellvertretende Landesvorsitzende Michael Erhardt.