Zwei SPD-Frauen aus Hessen im Ampel-Kabinett Lambrecht wird Verteidigungsministerin, Faeser wird Innenministerin

Der designierte Bundeskanzler Scholz holt gleich zwei Parteigenossinnen aus Hessen in sein Ampel-Kabinett: Noch-Justizministerin Lambrecht wechselt ins Verteidigungsministerium. Und SPD-Landeschefin Faeser übernimmt überraschend als erste Frau das Innenressort.
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Zwei SPD-Frauen aus Hessen im Ampel-Kabinett

Nancy Faeser wechselt überraschend von Wiesbaden nach Berlin. Die SPD-Landesvorsitzende und Chefin der Landtagsfraktion soll Innenministerin in der neuen Bundesregierung der Ampel-Koalition werden. Das sieht der Personalvorschlag vor, den der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz für die Ministerriege der Sozialdemokraten am Montag in Berlin bekanntgab.
Als Nachfolgerin von Horst Seehofer (CSU) wäre die 51 Jahre alte Juristin aus Schwalbach am Taunus (Main-Taunus) die erste Frau an der Spitze dieses Ressorts. Für das Amt war seit Wochen die aktuell geschäftsführende Justizministerin Christine Lambrecht aus Viernheim (Bergstraße) gehandelt worden. Sie soll nun Verteidigungsministerin werden.
Vereidigung für Mittwoch geplant
Die SPD benannte als letzte der drei Parteien der geplanten Ampel-Koalition ihre Ministerinnen und Minister. Neben den beiden Hessinnen sollen Karl Lauterbach (Gesundheit), Hubertus Heil (Arbeit und Soziales), Klara Geywitz (Bauen), Svenja Schulze (Entwicklung) und Wolfgang Schmidt (Kanzleramtschef) das SPD-Kabinett bilden.
Der digitale Bundesparteitag hatte zuvor am Samstag den Koalitionsvertrag mit Grünen und FDP mit fast 99 Prozent Zustimmung gebilligt. Am Sonntag folgte die FDP, am Montag gab auch die Grünen-Basis ihr Okay. Das neue Bundeskabinett soll nach der für Mittwoch geplanten Wahl des neuen Bundeskanzlers vereidigt werden.
Schwerpunkt soll Kampf gegen rechts sein
Faeser will ihren Schwerpunkt auf die Bekämpfung des Rechtsextremismus legen. Bei der Vorstellung der künftigen Ministerinnen und Minister aus den Reihen der SPD sagte sie in Berlin: "Ein besonderes Anliegen wird mir sein, die größte Bedrohung, die derzeit unsere freiheitlich demokratische Grundordnung hat, den Rechtsextremismus, zu bekämpfen."
Das Ressort, das sie übernimmt, ist ihr vertraut: Sie ist seit 2009 innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion und gehört seitdem auch der Arbeitsgruppe "Innen" beim Vorstand der Bundespartei in Berlin an.
Hessens Innenminister als Gegner
Als Oppositionsführerin und Innenexpertin ihrer Fraktion setzte sie sich in Hessen immer wieder bei diesem Thema mit der schwarz-grünen Landesregierung und besonders mit Innenminister Peter Beuth (CDU) scharf auseinander. Zuletzt geschah das in den Affären um NSU 2.0-Drohmails, rechte Tendenzen in der Polizei oder mögliche Fehler der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit den Morden von Hanau.
Die Menschen in Deutschland hätten zu Recht den Anspruch, dass die Bundesregierung für ihre Sicherheit sorge, sagte Faeser am Montag in Berlin. Dafür brauche es gut ausgebildetes und gut ausgestattetes Personal, insbesondere bei der Bundespolizei.
Ressort vertraut
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Zwei hessische SPD-Politikerinnen im Kabinett

Faeser ist Juristin und seit 2003 im Landesparlament. Als ihr Vorgänger Thorsten Schäfer-Gümbel bei der jüngsten Landtagswahl 2018 zum dritten Mal mit der SPD am Ziel scheiterte, stärkste Kraft zu werden, übernahm sie den Vorsitz der Fraktion und des Landesverbands. In den großen Debatten im Landtag war sie häufig Gegenspielerin von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU).
In einer Mail an die Mitglieder der Hessen-SPD bedauerte Faeser am Montag, Landtagsmandat und Fraktionsvorsitz niederlegen zu müssen. Als SPD-Landeschefin am Kabinettstisch werde sie "natürlich auch die hessische Perspektive einbringen". Mit Christine Lambrecht gebe es zudem noch eine zweite starke Stimme aus Hessen.
Regierungserfahrene Viernheimerin
Die designierte Verteidigungsministerin Lambrecht war 2019 Justizministerin in der großen Koalition geworden. Das Familienministerium übernahm die Viernheimerin später auch noch, als im vergangenen Mai ihre Parteikollegin Franziska Giffey wegen einer Plagiatsaffäre zurücktrat.
In ihre Amtszeit als Justizministerin fällt unter anderem das Gesetz gegen Hasskriminalität und Rechtsextremismus im Internet. Lambrecht bezeichnete das als "klare Ansage" an jene, die im Netz mit Mord drohen oder Volksverhetzung betreiben. Zur von ihr gewünschten Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz kam es nicht.
Manche verstimmt
Zuvor war die 56-Jährige Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen. Wie Faeser ist Lambrecht Juristin. Sie hatte im vergangenen Jahr bekanntgegeben, sie wolle sich aus der Politik zurückziehen, und kandidierte nicht mehr.
Damals schien die SPD noch chancenlos. Wenige Monate vor der Bundestagswahl schwenkte Lambrecht um, sprach davon, immer noch für die Politik zu brennen. Dass dies in der Zeit geschah, als die Partei wieder Siegchancen hatte, hat in den eigenen Reihen manch einen verstimmt. Auch im hessischen Landesverband gab es intern kritische Stimmen.
Aus den Reihen der hessischen Landespolitik erreichten Faeser am Montag Glückwünsche von CDU, Linke und Grünen. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) wünschte ihr am Montag "eine glückliche Hand und alles Gute" für das "herausfordernde" Amt. Grüne und Linke bedankten sich bei Faeser für ihre Arbeit im Landtag. "Als ebenso versierte wie streitbare Rednerin, kämpferische Sozialdemokratin und durch ihre zugewandte und offene Art hat sie sich über Fraktionsgrenzen hinweg Respekt erworben", teilte der Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner mit. Die Vorsitzenden der Linken, Elisabeth Kula und Jan Schalauske, betonten, das angekündigte Engagement Faesers im Kampf gegen Rechtsextremismus sei ein "gutes und richtiges Zeichen".
Drei Frauen aus Hessen im Kabinett
Faeser und Lambrecht sind nicht die einzigen hessischen Ministerinnen im Kabinett des voraussichtlich künftigen Kanzlers Scholz. Für die FDP wird Bettina Stark-Watzinger dabei sein. Die 53-Jährige aus Bad Soden (Main-Taunus) übernimmt das Bildungsressort.
Zwei hessischen Grünen-Politikerinnen sind Regierungsposten direkt unter der Ministerinnen-Ebene zugedacht. Anna Lührmann aus Hofheim soll Staatsministerin im Auswärtigen Amt an der Seite von Ministerin Annalena Baerbock werden. Bettina Hoffmann aus Niedenstein (Schwalm-Eder), Spitzenkandidatin der Grünen in Hessen bei der Bundestagswahl, wird parlamentarische Staatssekretärin im Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, das die Grünen-Politikerin Steffi Lemke übernehmen soll.