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Warum das Schullandheim Wegscheide im Winter leer bleibt

Schullandheim Wegscheide

Das Schullandheim Wegscheide in Bad Orb hätte für hunderte Geflüchtete eine vorübergehende Bleibe werden sollen. Doch die Stadt Frankfurt stellte Bedingungen an den Main-Kinzig-Kreis - die dieser nicht erfüllen will. Jetzt bleibt die Einrichtung im Winter leer.

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Warum das Schullandheim Wegscheide im Winter leer bleibt

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Auf einer Fläche von 35 Hektar gilt die Wegscheide in Bad Orb (Main-Kinzig) als das größte Schullandheim Deutschlands. Jeden Sommer wird sie belebt von Frankfurter Schulklassen und Kinder- und Jugendfreizeiten aus der Region. Die Stadt Frankfurt ist über eine Stiftung Pächter des Schullandheims. Im Winter stehen die Gebäude leer.

Warum also in dieser Zeit nicht bis zu 350 Geflüchtete in den Schlafräumen des Schullandheims unterbringen? So die Idee des Main-Kinzig-Kreises, die sich inzwischen allerdings zerschlagen hat. In der vergangenen Woche teilte der Kreis mit, die Lage zur Unterbringung von Asylsuchenden und Vertriebenen bliebe angespannt, weil die Pläne an der Zusammenarbeit mit der Stadt Frankfurt gescheitert seien. Zuerst hatte die FAZ berichtet.

"Illusorische Bedingungen" oder wichtige Bedürfnisse?

Trotz des Versuchs einer Einigung über Wochen hinweg habe Frankfurt als Pächterin des Schullandheims "teilweise illusorische Forderungen" gestellt, die nicht zu erfüllen gewesen seien, teilte der Landrat des Kreises, Thorsten Stolz (SPD), mit. Die Bedingungen seien "in keiner Weise vereinbar" mit der Aufgabe, "Menschen kurzfristig, zuverlässig und menschenwürdig unterzubringen".

Welche Bedingungen das gewesen seien? Das für Schule und Bauen zuständige Dezernat der Frankfurter Stadträtin Sylvia Weber (SPD) listet auf hr-Anfrage auf: Verfügbarkeit von Handy-Kommunikation, gutes Essen, medizinische und psychologische Betreuung, Reinigungsmöglichkeiten für Kleidung, Nahverkehrsanbindung sowie Beschäftigung und Beschulung. Dazu sei wirtschaftliche Teilhabe und die Betreuung durch geschultes Personal erforderlich.

Die Stadt Frankfurt habe viele Erfahrungen in der Flüchtlingsarbeit gemacht, heißt es weiter. Daher könne sie einschätzen, dass "ein Teil der Flüchtlinge allgemein gesprochen in schlechter psychischer Verfassungen" oder gar traumatisiert sei und deshalb diese Bedürfnisse habe.

Kreis: "Faktische Verweigerungshaltung"

Dafür, dass das Schullandheim zwischen November und Februar grundsätzlich leersteht, gibt es aus Sicht Frankfurts gute Gründe: schwer begeh- und befahrbare Hanglage bei Schnee, schlechte Heizungen. Sollten in dieser Zeit dennoch Geflüchtete einziehen, dann müsste der Main-Kinzig-Kreis daran etwas ändern - durch die Installation von besseren Heizungen etwa, erklärt das Frankfurter Baudezernat.

Man habe deshalb angeboten, geflüchtete Familien mit Kindern in der Wegscheide aufzunehmen, heißt es aus dem Frankfurter Dezernat. Für den Main-Kinzig-Kreis sei das jedoch keine akzeptable Lösung gewesen. In einer erneuten Pressemitteilung am Mittwoch spricht Landrat Stolz von einer "faktischen Verweigerungshaltung" der Frankfurter Stiftung.

Was die Stadt Frankfurt wohl vor allem befürchtete, ist, dass das Schullandheim ab dem Frühjahr nicht für Klassenfahrten zur Verfügung stehen könnte. "Wir gehen davon aus, dass die Umsiedlung der einquartierten Menschen zum 1. März 2023 nicht geschehen wird", sagt der Sprecher des Baudezernats der Stadt Frankfurt.

Der Kreis sucht jetzt nach anderen Lösungen

"Wir haben mit dem Thema jetzt abgeschlossen", sagt ein Sprecher des Kreises. Auch wegen der Androhung von Strafzahlungen in Höhe von mehreren tausend Euro seitens der Frankfurter Stiftung, wenn die Räume "auch nur einen oder zwei Tage zu spät" geräumt worden wären.

Der Kreis hätte ohnehin an anderer Stelle die Kapazitäten für Notunterkünfte ausbauen müssen, in Turnhallen, Containern und Leichtbauzelten. "Da haben wir jetzt natürlich einen größeren Druck." Schließlich sei im Kreis derzeit jede Woche mit bis zu 160 neuen Personen zu rechnen, die ein Dach über dem Kopf brauchten.

Weitere Informationen

Unterbringung von Geflüchteten im Main-Kinzig-Kreis

  • Nach Angaben des Main-Kinzig-Kreises sind seit Beginn des Jahres 6.500 Geflüchtete angekommen, die zuerst in Notunterkünften untergebracht werden. Bis Jahresende werden weitere 1.500 Asylsuchende erwartet.
  • Notunterkünfte gibt es derzeit in Birstein, Hanau-Mittelbuchen, Langenselbold und Wächtersbach. In Vorbereitung seien das Jugendzentrum Ronneburg sowie eine Notunterkunft an der Kreisrealschule Gelnhausen. Der Kreis prüfe weitere Standorte für Hallen oder Containeranlagen.
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Notlage sowohl in Frankfurt als auch Main-Kinzig

Dabei haben die Kommunen mehr gemein, als der teils öffentlich ausgetragene Streit zwischen Stadt Frankfurt und Kreis vermuten lässt. Die Anspannung bei der Flüchtlingsunterbringung sei auch in Frankfurt groß, heißt es dort aus dem Baudezernat. Die Notlage des Main-Kinzig-Kreises verstehe man sehr wohl.

Und Landrat Stolz aus dem Main-Kinzig-Kreis betont: "Wir wollen, dass die Menschen betreut und versorgt werden", dafür fehle es nicht nur an öffentlichem Raum, sondern auch an Personal. "Hier brauchen wir auf der kommunalen Ebene direkte und echte Hilfe", fordert er - und spielt den Ball damit weiter in Richtung Bundes- und Landespolitik.