Tarek Al-Wazir mit grünen Turnschuhen in der Hand auf dem Landesparteitag der Grünen

Tarek Al-Wazir will der nächste hessische Ministerpräsident werden. Auch wenn er ankündigte, zur Vereidigung Turnschuhe zu tragen - er ist alles andere als ein grüner Bürgerschreck. Auch seine Partei ist längst staatstragend geworden und will keine radikal andere Politik.

Es war nur ein letztes Aufbäumen der hessischen Fundis, dass Joachim Mietusch gegen Tarek Al-Wazir kandidierte. Der Wehrdienstverweigerer, pensionierte Physiklehrer und "Wurzelgrüne" protestierte so gegen den seiner Meinung nach falschen Kurs der Grünen in der hessischen Landesregierung. Er stehe hier für potentielle Grünenwähler und -wählerinnen, die gar nicht mehr zur Wahl gingen. Die lediglich 71 Stimmen, die er bekam, zeigten, dass im Saal nicht so viele waren, die von der Grünen-Politik so enttäuscht waren wie die von ihm bemühten Nicht-Wähler.

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Portrait von Ute Wellstein. Daneben steht "Meinung".

Ute Wellstein
Leiterin hr-Landtagsstudio

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Die überwältigende Mehrheit auf dem Landesparteitag in Wetzlar stellte sich mit 820 Stimmen klar hinter Tarek Al-Wazir als Spitzenkandidaten und danach fast einstimmig hinter ihn als Ministerpräsidenten-Kandidaten. Und auch Al-Wazirs bewusst spießige Selbstbeschreibung, er sei "weniger der Typ Kreuzberg, mehr der Typ Doppelhaushälfte", schreckte niemanden mehr im Saal. Denn so viel Realismus ist bei den Grünen mittlerweile angekommen: Wer Ministerpräsident werden will, muss die Mitte der bürgerlichen Gesellschaft ansprechen.

Ziel: die Gesellschaft zusammenhalten

Dafür ist Al-Wazir der richtige Mann. Er ist durch und durch ein Grüner, daran kann es keinen Zweifel geben - aber er zeigt seit Jahren als Wirtschaftsminister, dass mit ihm kein Systemumsturz zu erwarten ist. "Ich hoffe, dass alle wissen, dass man sich auf mich verlassen kann", warb er folgerichtig.

Auch seine Partei ist längst staatstragend geworden. Die Gesellschaft zusammenzuhalten war auf dem Parteitag ein häufig beschworenes Ziel. Ein wenig mehr Klimaschutz, ein bisschen mehr Geschlechtergerechtigkeit, weniger Auto als die anderen Parteien der Mitte wollen die Grünen, aber keine radikal andere Politik, keine völlig andere Gesellschaft.

In grünen Turnschuhen zur Vereidigung

Bei der Landtagswahl 2018 wurden die Grünen sehr knapp vor der SPD zweitstärkste Kraft. Es ist der logische nächste Schritt, dass sie jetzt die Regierung anführen wollen. Ob das gelingen wird, ist offen. Mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) und der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat Al-Wazir zwei gewichtige Konkurrenten.

Wenn es klappen sollte, so versprach er am Samstag auf dem Parteitag, werde er zur Vereidigung ein Paar grüne Turnschuhe tragen. Ein Tribut an Joschka Fischer, den ersten grünen Minister, der als Provokation der bürgerlichen Gesellschaft bei seiner Vereidigung im Landtag Turnschuhe trug. Anschließend will Al-Wazir sie aber auch gleich wieder ausziehen und dem Deutschen Ledermuseum in Offenbach spenden, wo Fischers Turnschuhe auch längst sind. Lederschuhe passen auch besser zu den gut geschnittenen Anzügen Al-Wazirs als Turnschuhe. Grüner Bürgerschreck war gestern.

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