Zelt von innen, Bauzäune mit schwarzen Planen

Immer mehr Kommunen geraten eigenen Angaben zufolge bei der Aufnahme von Geflüchteten ans Limit. Die Kreise Limburg-Weilburg und Main-Taunus fordern nun mehr Unterstützung - doch es gibt auch Widerspruch.

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Unterkünfte für Geflüchtete: Kommunen am Limit

Ein geflüchteter Junge in der Unterkunft in Bensheim.
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Im Landkreis Limburg-Weilburg wird es bald nicht mehr möglich sein, Geflüchtete würdig unterzubringen und sie anschließend auch zu integrieren. Davor warnen Landrat Michael Köberle (CDU), der Erste Kreisbeigeordnete Jörg Sauer (SPD) und die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der 19 Städte und Gemeinden im Landkreis in einer gemeinsamen Mitteilung nun.

3.400 Menschen sind den Angaben zufolge aktuell beim Sozialamt des Landkreises als Geflüchtete registriert. Mehr als 2.200 sind Ukrainer, davon sind rund 1.700 privat untergebracht. Außerdem stammen viele Geflüchtete nach Kreisangaben aus Afghanistan, Syrien, der Türkei und dem Irak.

Die Zahl der Zuweisungen sei zuletzt deutlich gestiegen: Für das letzte Quartal 2022 hatte das Regierungspräsidium Darmstadt noch rund 350 Geflüchtete prognostiziert, diese Prognose stieg nun auf mehr als 550 Geflüchtete im ersten Quartal 2023.

"So geht es nicht weiter"

"Wir helfen in Not geratenen Menschen sehr gerne und wir sind uns der Verantwortung gegenüber geflüchteten Menschen sehr wohl bewusst, deshalb müssen wir jetzt auch sagen: So geht es nicht weiter", teilten Köberle und Sauer mit. Der Landkreis und auch die Städte und Gemeinden benötigten dringend die Unterstützung aus der Bundes- und Landespolitik, um dieser riesigen Herausforderung gerecht werden zu können. Vor allem für die Schaffung von Wohnraum fordert Limburg-Weilburg mehr finanzielle Unterstützung vom Bund.

Ähnlich hatte sich in der vergangenen Woche schon der Main-Taunus-Kreis geäußert. "Die Situation spitzt sich immer weiter zu", sagte Hattersheims Bürgermeister Klaus Schindling (CDU) im hr-fernsehen. Etwa 50 Geflüchtete kämen pro Woche in den Kreis, "wir haben überhaupt keine Ausweisung von Menschen, die keine Aufenthaltsgenehmigung bekommen." Der Kreis stoße daher an seine Grenzen, sagte Schindling. Deswegen schickten die Verwaltung und Gemeinden des Main-Taunus-Kreises einen gemeinsamen Brandbrief an Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Steuerung und Begrenzung des Zuzugs gefordert

Darin fordern sie eine Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Flüchtlingen und Reformen bei der Flüchtlingszuweisung. "Schauen Sie genau hin, wer unserer Hilfe bedarf und wer nicht!", heißt es in dem Schreiben. "Führen Sie Menschen, die sich unrechtmäßig in der Bundesrepublik aufhalten, auch aktiv zurück, damit wir unsere Ressourcen für die einsetzen können, die wirklich unserer Hilfe bedürfen!" Die Kommunen und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer im Kreis stünden kurz vor der Überbelastung.

Doch genau daran erwächst Kritik. "Dass die Landkreise und Kommunen jahrelang vernachlässigt haben, Wohnraum zu bauen, ist nicht ein Problem, das erst gestern aufgetaucht ist", sagte ein ehrenamtlicher Helfer dem hr. "Diese Mechanik zu sagen, 'wegen Geflüchteten funktioniert jetzt hier nichts', die kenne ich eigentlich nur von extrem rechts." Hattersheims Bürgermeister Schindling weist diese Kritik zurück: Es sei egal, ob Menschen deutscher Herkunft oder anderer Ethnie in den Landkreis strömten - "es gibt kapazitiv Grenzen".

Kritik vom Asylkreis

In der Frankfurter Rundschau kritisierte auch der Asylkreis Hofheim-Marxheim/Ahornstraße das Schreiben. "Als Ehrenamtliche in der Unterstützung von Geflüchteten verwahren wir uns gegen diesen Brief, in dem an mehreren Stellen die 'Ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer' gewürdigt werden, die angeblich auch an ihre Grenzen gerieten", teilten die Asylkreis-Koordinatoren mit.

An Grenzen gerieten Helfer und die von ihnen betreuten Geflüchteten seit Jahren vor allem durch "unnötige bürokratische Hürden, die unter anderem vonseiten des Main-Taunus-Kreises in fast allen Ämtern gegen Geflüchtete und Zugewanderte aufgebaut werden".

"Alles ist besser, als wenn Kinder im Krieg groß werden"

Auch die Flüchtlings-Zeltstadt in Bensheim (Bergstraße) gerät an ihre Grenzen. Rund 800 Geflüchtete leben inzwischen auf je sechs bis acht Quadratmetern Wohnfläche, getrennt durch Plastikplanen und Decken. "Doch alles ist besser, als wenn Kinder im Krieg groß werden", sagt Matthias Schimpf (Grüne), der Kreisbeigeordnete der Bergstraße.

Stadt Frankfurt sieht sich gerüstet

Die Stadt Frankfurt hingegen sieht sich für die wachsende Zahl Geflüchteter derzeit ausreichend gerüstet. Nach Angaben des Sozialdezernats bringt die Stadt aktuell mehr Geflüchtete und Wohnungslose unter als in der Flüchtlingskrise vor acht Jahren. Die Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne) sagte, Frankfurte sei immer noch eine vergleichsweise reiche Stadt und schaffe es derzeit, die Menschen angemessen unterzubringen. Im Moment müssen niemand in einer Turnhalle übernachten.

Die Stadt betreibt nach eigenen Angaben derzeit 120 Unterkünfte für insgesamt mehr als 10.000 Wohnungslose und Geflüchtete. Der Forderung, Zuwanderung zu begrenzen, schließe sie sich nicht an. Schutzsuchende aufzunehmen sei eine humanitäre Aufgabe, sagte Voitl.

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