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Hessische Beamtenbesoldung ist verfassungswidrig

Schriftzug "Hessischer Verwaltungsgerichtshof".

Ein Landesbeamter hatte aufgrund seiner Besoldungsstufe geklagt, diese weise nicht den nötigen Mindestabstand zur Grundsicherung auf. In der Vorinstanz war er damit gescheitert, der Hessische Verwaltungsgerichtshof gab ihm nun Recht. Und hat damit ein Grundsatzurteil gefällt.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat die Beamtenbesoldung in Hessen in den Jahren 2013 bis 2020 für verfassungswidrig erklärt - Hessens Beamte sind also in diesem Zeitraum nicht ausreichend bezahlt worden.

So sei in den untersten Besoldungsgruppen der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand zur Grundsicherung für Arbeitssuchende von 15 Prozent nicht eingehalten worden, erklärte das Gericht am Dienstag. Daher werde das Verfahren nun dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt

In dem Berufungsverfahren ging es um die Klage eines Justizwachtmeisters gegen die Folgen der Nullrunde von 2015 und die lediglich einprozentige Anhebung der Bezüge im Jahr 2016. Beklagte Partei ist das Land Hessen, das für die Beamtenbesoldung zuständig ist.

Grundsatzurteil: Besoldungsgruppe nicht hoch genug

Der Kläger hatte sich laut VGH gegen die ihm von Juli 2016 bis zum Jahr 2020 gewährten Bezüge der Besoldungsgruppe A6 (rund 2.500 Euro brutto im Monat) gewandt. Er war der Auffassung, diese sei verfassungswidrig zu niedrig, da sie nicht den erforderlichen Mindestabstand von 15 Prozent zur Grundsicherung aufweise. In der Vorinstanz beim Verwaltungsgericht Frankfurt hatte die Klage keinen Erfolg.

In den einzelnen Jahren werde "bis zur Besoldungsgruppe A9, teilweise auch bis zur Besoldungsgruppe A10, der notwendige Mindestabstand zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht eingehalten", führte der zuständige 1. Senat des VGH seinen Beschluss nun aber aus. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung dafür gebe es nicht.

Auch Bezüge von Professoren betroffen

Unterstützt wurde der Kläger vom Deutschen Beamtenbund (dbb) in Hessen, der ein Grundsatzurteil erwartete. Er vertritt die Auffassung, dass es bei zu geringem Mindestabstand zur Grundsicherung nicht genüge, nur die unteren Besoldungsgruppen anzuheben, sondern dass aufgrund des Abstandsgebots auch die darüber liegenden Besoldungsgruppen angepasst werden müssten.

So entschied nun auch der VGH: Betroffen von dem Defizit sind demzufolge nicht nur Angehörige der Besoldungsgruppe A. Auch die nach der Besoldungsgruppe W2 erfolgenden Bezüge von Professorinnen und Professoren würden erfasst, da diese sich an der A-Besoldung orientiert. Das hatte der VGH zuvor in einem weiteren Verfahren festgestellt.

Bundesverfassungsgericht entscheidet, wie es weitergeht

Verbindlich entscheiden muss nun das Bundesverfassungsgericht. Denn die Beamtenbesoldung ist durch ein Parlamentsgesetz festgelegt. Nur die Karlsruher Richter sind dafür zuständig, über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu entscheiden.

Die Kasseler Richter seien davon überzeugt, dass die Regelungen in Hessen unvereinbar mit dem Grundgesetz seien, erläuterte der Pressesprecher des VGH. Das Bundesverfassungsgericht werde deren Beschluss nun prüfen. Mit einem Urteil sei üblicherweise erst in zwei bis drei Jahren zu rechnen.

dbb Hessen erfreut über Urteil

"Wir freuen uns sehr über die heutige Entscheidung", sagte der Landesvorsitzende dbb Hessen, Heini Schmitt, nach der mündlichen Verhandlung. Nun sei es die Aufgabe der Landesregierung, dieses Urteil in eine Besoldungsstruktur umzumünzen, die dem Begriff verfassungskonform entspreche. "Und zwar mit deutlichen Nachbesserungen, bevor das Bundesverfassungsgericht abschließend dazu entscheidet."

Der dbb sei gerne bereit, "gemeinsam mit der Landesregierung an einer für alle Seiten vernünftigen aber vor allem rechtssicheren Besoldungstabelle mitzuarbeiten, wenn wir hierfür einen ernsthaften Willen erkennen können".

Land will Bundesverfassungsgericht abwarten

Das Land teilte mit, die Begründung der Vorlagebeschlüsse aus Kassel sorgfältig prüfen zu wollen. "Wie die künftige Beamtenbesoldung konkret durch den hessischen Landesgesetzgeber ausgestaltet werden muss, kann aber erst nach einer abschließenden Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht abgesehen werden", hieß es in einer Stellungnahme des zuständigen Innenministeriums.

Die Beschlüsse seien für das Land Hessen und alle weiteren Bundesländer "eine weitere wichtige Etappe zur Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Karlsruhe zur Besoldung in der Bundesrepublik".

SPD: "Wertschätzung sieht anders aus"

Die SPD-Fraktion im hessischen Landtag wirft der schwarz-grünen Landesregierung Untätigkeit vor. "Entgegen ihrer blumigen Sonntagsreden" unternehme sie nichts dafür, die Beamtinnen und Beamten angemessen zu alimentieren, sagte deren parlamentarischer Geschäftsführer Günter Rudolph. "Seit 2016 hätte das zuständige Innenministerium proaktiv handeln können, um die Attraktivität des öffentlichen Dienstes nachhaltig zu stärken. Wirkliche Wertschätzung für die Landesbeamtinnen und Landesbeamten sieht anders aus."

Die Linksfraktion im Landtag forderte die Landesregierung ebenfalls zum Handeln auf. Die Beamtenbesoldung müsse unverzüglich neu geregelt und auch rückwirkend angehoben werden, sagte der Abgeordnete Hermann Schaus. "Wir brauchen weiterhin gut qualifiziertes, gut bezahltes und voll motiviertes Personal an unseren Schulen und Universitäten, in unseren Gerichten, im Polizeidienst und in der Landes- und Kommunalverwaltung."

DGB: Nachzahlungen schnell per Gesetz regeln

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des DGB Hessen-Thüringen, Michael Rudolph. Es müsse jetzt schnell ein Gesetz vorgelegt werden, dass die Nachzahlungen für alle Beamtinnen und Beamten regele, unabhängig davon, ob sie geklagt oder Widerspruch eingelegt hätten.

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