Christian Geselle (SPD), Oberbürgermeister von Kassel breitet die Arme aus

Der Krach in der Kasseler SPD geht weiter: Oberbürgermeister Geselle erschien nicht zu einem Vermittlungstermin. Dass er bei der kommenden Wahl unter SPD-Flagge antritt, wird zunehmend fraglich.

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SPD in Kassel streitet sich mit ihrem Oberbürgermeister

hsk
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Dass der Haussegen in der Kasseler SPD schief hängt, ist noch eine Untertreibung: Nach einem schon länger schwelenden Konflikt mit dem sozialdemokratischen Oberbürgermeister Christian Geselle gab es am Donnerstag einen parteiinternen Vermittlungsversuch. Er scheiterte, wie die SPD in der Nacht zum Freitag mitteilte.

Geselle fehlt - ohne Absage

Um halb drei Uhr nachts verschickte der Pressesprecher der SPD Kassel eine Mitteilung mit der Überschrift "Geselle lässt finalen Vermittlungsversuch platzen". Demnach war Geselle zu dem Termin gar nicht erst erschienen. "Wir erhielten weder einen Grund für sein Fehlen noch eine vorherige kurzfristige Absage", erklärte der Parteivorsitzende Ron-Hendrik Hechelmann. Offenbar war bis tief in die Nacht um die Formulierung der Pressemitteilung gerungen worden - sie klingt enttäuscht, aber entschieden.

Dabei war als Streitschlichter extra Politikprofessor Wolfgang Schroeder von der Kasseler Universität eingeladen worden - offenbar auch auf Wunsch von Geselle. Der Kasseler SPD zufolge hatte Geselle zuvor den früheren Bundesfinanzminister und Kasseler Oberbürgermeister Hans Eichel ebensowenig als Vermittler akzeptiert wie Bertram Hilgen, ebenfalls Ex-Oberbürgermeister.

Geselle als unabhängiger Kandidat?

"Die Kasseler SPD muss auf jeden Fall mit einer eigenen Kandidatur in die Oberbürgermeisterwahl gehen", heißt es in der nächtlichen Mitteilung. Doch die Chance, dass dies der erst kürzlich von der Partei designierte Geselle sein wird, ist nach der neuerlichen Eskalation gering. Bis Mitte Oktober wollen die Kasseler Genossen ihren Kandidaten für die OB-Wahl im März 2023 benennen. Geselle hatte in der Vergangenheit angekündigt, sich im Zweifel als unabhängiger Kandidat der Gunst der Wähler zu stellen.

Die Gräben zwischen der Partei und dem Oberbürgermeister waren schon länger kaum noch zu überwinden: Geselle hatte seiner Partei im August ein Ultimatum gesetzt, er forderte in einem Offenen Brief, dass die beiden Parteivorsitzenden des Stadtverbandes zurücktreten - anderenfalls wolle er als unabhängiger Kandidat antreten. Er fühle sich hintergangen und sei "menschlich zutiefst enttäuscht".

Hintergrund war, dass der SPD-Unterbezirksausschuss es abgelehnt hatte, nach dem Auseinanderfallen der grün-roten Koalition im Rathaus weitere Verhandlungen mit der CDU über eine Koalition zu führen. Das war aber der ausdrückliche Wunsch von Geselle. Er weilte zum Zeitpunkt der Entscheidung gerade im Urlaub. Die Parteivorsitzenden wiesen Geselles Vorwürfe zurück und lehnten es ab, ihre Posten aufzugeben.

Suche nach SPD-Kandidat

Die ursprünglich grün-rote Koalition war nach mehreren Konflikten im Juni geplatzt, auch dabei spielte Geselle eine entscheidende Rolle. Er hatte die Befugnisse von Verkehrsdezernent Christof Nolda (Grüne) nach einem Streit um den Ausbau von Radwegen beschnitten und damit für Zwist in dem Bündnis gesorgt. Dann brachte Geselle einen Energiekostenzuschuss von einmalig 75 Euro für Bürger auf den Weg, auch darum gab es Streit.

Am 12. Oktober will die Kasseler SPD nun endgültig einen neuen Kandidaten oder eine Kandidatin für den OB-Posten finden. Ende September findet vorher noch ein Unterbezirksausschuss statt, dort soll der Streit gemeinsam aufgearbeitet werden. Von Geselle gab es am Freitagmorgen noch keine Reaktion, hr-Anfragen zu dem Thema blieben unbeantwortet.

Für die CDU wird die frühere hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann bei der OB-Wahl in Kassel kandidieren. Gute Aussichten auf den Posten haben auch die Grünen: Für sie will der Rechtsanwalt und Grünen-Stadtverordnete Sven Schoeller ins Rennen gehen. Bei der Kommunalwahl im März 2021 wurden die Grünen mit 28,7 Prozent stärkste Kraft und beendeten damit die lange Ära eines "roten" Kassels. Geselle bräuchten sie dann womöglich nicht mehr.

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