Vorsitzende der Grünen Jugend Hessen "Wir müssen innerhalb der Partei für linke Werte eintreten"

Jetzt brodelt es auch noch in der Grünen Jugend: Mit Kritik am Kurs der krisengeplagten Mutterpartei hat sich ein ganzer Bundesvorstand verabschiedet. Landessprecherin Lily Sondermann erklärt, warum sie bei aller Unzufriedenheit im Amt bleiben will.

Eine junge Frau und ein junger Mann stehen nebeneinander und lächeln in die Kamera.
Lily Sondermann und Titus Dharmababu wollen bei der Grünen Jugend Hessen weitermachen. Bild © privat

Harte Zeiten für die Grünen: Nach weiteren Wahlschlappen in ostdeutschen Bundesländern haben erst die beiden Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour ihren Rückzug angekündigt. Und nun hat auch noch die komplette zehnköpfige Führung der Grünen Jugend um die aus Hessen stammende Vorsitzende Svenja Apphuhn angekündigt, aus Unzufriedenheit mit dem aktuellen Kurs die Partei gleich ganz zu verlassen. Obendrein wollen die Aussteiger eine konkurrierende, linke Bewegung gründen.

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Aus Hessen sei dafür trotz aller Kritik an der Mutterpartei wenig Zulauf zu erwarten, sagt Lily Sondermann. Die 22-Jährige ist Landessprecherin der Grünen Jugend Hessen, in der sich rund 1.500 des bundesweit gut 10.000 Mitglieder starken Parteinachwuchs organisiert haben.

Das Gespräch führte Wolfgang Türk.

hessenschau.de: Frau Sondermann, anders als der gesamte Bundesvorstand der Grünen Jugend nehmen Sie und Ihre Kollegen in Hessen nicht Reißaus. Warum nicht? 

Lily Sondermann: Warum sollten wir? Wir haben gute Strukturen und wir haben vor allem viele unglaublich kompetente junge Menschen, die Bock auf die Arbeit innerhalb der Grünen Jugend haben.  

Und wir haben hier einen stabilen Landesverband, mit einer sehr guten Kultur des Austauschs. Wenn Einzelne gehen möchten, ist es absolut in Ordnung, dass sie gehen. 

hessenschau.de: Können Sie die Beweggründe der Aussteiger nicht verstehen? Es geht ja nicht um individuelle Befindlichkeiten. Die Kritik lautet doch: Die Mutterpartei verrät in ihrer tiefen Krise gerade vollends grüne Ideale beim Klimaschutz, aber auch in der Sozial- und Migrationspolitik.  

Sondermann: Die Frage ist aber doch: Wirft man dann das Handtuch oder wird man immer lauter? Wir haben auf großer Bühne einige große Auseinandersetzungen verloren. Das war in der Debatte um die Verschärfung des Asylrechts, das war in Lützerath … 

hessenschau.de: … wo der Braunkohleabbau gegen Proteste durchgezogen wird … 

Sondermann: Ja, und das tut weh, das tut richtig im Herzen weh. Der politische Trend macht es uns gerade nicht einfach. Vieles von dem, was bei den Grünen gerade passiert, geht gegen unsere Werte. 

Aber die Frage ist doch: Zerrüttet man sich als politische Linke immer weiter und wird immer kleiner? Oder schafft man es, einen starken Verband aufzubauen und sich dort einzubringen und klar Position zu beziehen?  

hessenschau.de: Jetzt sind Sie erst einmal geschwächt. Es ist immerhin die komplette Führung weg.  

Sondermann: Ich glaube, dass die Grüne Jugend daraus gestärkt hervorgeht. Es ist gut, wenn diejenigen gehen, die nicht weiter mitmachen wollten.

hessenschau.de: Sieht das Ihre Basis genauso? Vielleicht verlieren Sie auch in Hessen enttäuschte Mitglieder. 

Sondermann: Von ungefähr 150 Leuten aus der Grünen Jugend, mit denen ich seit Mittwochabend Kontakt hatte, haben gerade einmal zwei gesagt: Sie überlegen zu gehen. 

Wir haben auch schon seit Längerem darüber diskutiert, dass wir mit der Arbeit unseres Bundesvorstands nicht zufrieden sind und Lust haben, etwa anders zu machen. Beim Bundeskongress in drei Wochen in Leipzig hätten wir diese Debatte gemeinsam mit anderen Landesverbänden über einen Antrag ohnehin gestartet. Das ist uns jetzt vorweggenommen worden. 

hessenschau.de: Wenn Ihnen selbst der Kurs der Mutterpartei in zentralen Fragen nicht grün und nicht links genug ist: Wo ist Ihre Schmerzgrenze? Bei Ihrem bisherigen Bundesvorstand war sie offenkundig überschritten. 

Sondermann: Wichtig ist, dass wir unseren Kurs klar kennen, und der ist links. Wir bleiben der Ort, in dem junge Menschen für ihre grünen, linken, progressiven Zukunftsvisionen kämpfen - vor Ort oder in den Parlamenten. 

Wir tragen als Jugendorganisation Verantwortung für unsere Generation und wir sind es ihr schuldig, für ihre Interessen und Sorgen einzutreten. Das können wir viel besser als starker Akteur, der mit seiner Partei um Positionen kämpft als in immer kleineren, zerstrittenen Gruppen. 

hessenschau.de: Nun verliert Ihre Partei aber derzeit doch eine Wahl nach der anderen, weil Sie vielen Wählern mit Ihrer Klimapolitik gerade zu grün und mit Ihrer Migrationspolitik zu links ist. Wie kann der Neuanfang in der Mutterpartei aussehen, dem Frau Lang und Herr Nouripour nicht im Weg stehen wollten? 

Sondermann: Da bin ich selbst gespannt, wie die Debatte nun läuft. Wir sind als Grüne Jugend ein eigenständiger Verband. 

hessenschau.de: Waren Sie eigentlich eingeweiht in die Pläne des Grüne-Jugend-Bundesvorstands? Gab es Versuche, die Aussteiger noch umzustimmen? 

Sondermann: Die ersten Gerüchte machten am späten Nachmittag die Runde. Der Schritt wurde dann am Abend unter Druck öffentlich bestätigt, weil der Entschluss geleakt wurde. 

Völlig überrascht waren wir nicht. Wir haben schon gemerkt, da brodelt was im Hintergrund. Dass es so schnell ging, hätten wir nicht gedacht. Dass es nicht vorher mit den Landesverbänden irgendwie kommuniziert worden ist, war nicht so demokratisch. 

hessenschau.de: Was halten Sie davon, dass den Aussteigern jetzt eine linke Bewegung unter dem Motto "Zeit für was Neues" vorschwebt? 

Sondermann: Unser Bundesvorstand ist ja noch mindestens einen Monat im Amt. Es ist schon eine Frage des politischen Stils, mit so kurzer Vorbereitungszeit komplett zurückzutreten und gleichzeitig eine neue Kampagne zu launchen. 

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Quelle: hessenschau.de