Ein Hand dreht am Heizungsthermostat

Gas und Strom sparen gegen die drohende Energienot: Das Land Hessen will mit gutem Beispiel vorangehen. Für die Bediensteten wird nicht nur das Wasser zum Händewaschen kälter. Kritikern ist der Plan nicht ambitioniert genug.

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Land will Energie sparen

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Die drohende Gasknappheit im kommenden Winter bewegt auch die hessische Landesverwaltung zu Sparmaßnahmen. Ein Sofortprogramm soll dazu führen, dass in Ministerien, Finanzämtern, Hochschulen oder Polizeiwachen während der Heizperiode rund 15 Prozent weniger Energie verbraucht wird – vor allem beim Heizen.

"Wir wollen Vorbild sein und ein Zeichen setzen", sagte Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), als er am Donnerstag in Wiesbaden die Pläne gemeinsam mit Wirtschaft- und Energieminister Tarek Al-Wazir (Grüne) vorlegte. Dem Klimaschutz diene das Paket ja auch.

Es geht auch ums Geld

Die Palette an Maßnahmen, die zum Teil schon jetzt anlaufen, ist breit. Sie reicht vom Senken der Raumtemperatur im Winter über das Drosseln von Klimaanlagen bis zu Appellen an Mitarbeiter, nicht benötigtes Licht auszuschalten.

Ziel ist es, einen Beitrag zum Auffüllen der Gasspeicher zu leisten. Sie könnten ab Januar oder Februar geleert sein. Nach seinem Angriff auf die Ukraine und infolge westlicher Sanktionen liefert Russland viel weniger Erdgas, ein völliger Lieferstopp ist möglich.

Außerdem will Hessen die Preissteigerungen eindämmen, mit denen auch die Landesverwaltung beim Energiebezug rechnen muss. In diesem Jahr lägen die Gaskosten bei 15 Millionen Euro, für 2023 seien 25 Millionen Euro einkalkuliert. Erreiche man das 15-Prozent-Sparziel, könnten die Mehrkosten um bis zu zwei Millionen Euro reduziert werden. Al-Wazir hatte Ende Juni an die Bürgerinnen und Bürger appelliert, Energie zu sparen und auch Anstrengungen des Landes angekündigt.

Heizung runter…

Räume der Landesverwaltung sollen im Winter maximal noch auf 20 Grad geheizt werden. "Das ist niedriger, als es in der Vergangenheit der Fall war", sagte Al-Wazir. Jedes Grad weniger an Raumtemperatur bringe etwa sechs Prozent eingesparte Energie. Auch 20 Grad ermöglichten es, "zu arbeiten, ohne zu frieren".

In Waschräumen wird nur noch Kaltwasser aus der Mischbatterie kommen. Heizungseinstellungen werden gecheckt. In den Randstunden soll die Wärme bei Gleitzeit am späteren Abend früher als bisher runtergefahren werden. Denn Wärme ist der Hauptfaktor beim Verbrauch.

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Jährlich verheizt Hessen in seinen Liegenschaften laut Regierung 680 Gigawattstunden, was dem Verbrauch von rund 30.000 Einfamilienhäusern entspricht. Die Hälfte des Verbrauchs entfällt derzeit noch auf Gas, fast genauso viel auf die umweltfreundlichere Fernwärme.

…und Klimaanlage auch

Noch im Rest des Sommers soll bei Hitzewellen gelten: Unter 26 Grad wird die Raumtemperatur nicht gekühlt. Die damit erzielten Stromeinsparungen sind indirekt auch für die Gasversorgung von Belang: Gas wird immer noch zur Stromerzeugung genutzt. Deshalb soll die Beleuchtung auch weiter auf LED umgestellt werden.

Außerdem sollen Mitarbeiter altbekannte Spartipps beachten: Türen schließen, unnötiges Licht ausmachen, Stoßlüften. Das höre sich vielleicht albern an, sei in der Summe aber wirksam, befand Al-Wazir.

Nicht nur Habeck hofft auf mehr als 15 Prozent

Gerade haben sich die Energieminister der EU auf ebenfalls 15 Prozent Einsparungen europaweit geeinigt. Das gilt für die Zeit bis kommenden März, auf freiwilliger Basis und mit der Möglichkeit zu Ausnahmen. Für Deutschland hält Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach eigenen Angaben Einsparungen von 15 bis zu 20 Prozent für nötig - und je nach Kälte im kommenden Winter auch für möglich.

Kritiker bemängelten am Donnerstag, Hessens Sparpläne könnten noch etwas ambitionierter sein. So hätte sich der Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bei aller grundsätzlichen Zustimmung die 15 Prozent lediglich als Mindest-Sparziel gewünscht. Wesentlich sei die Senkung des Stromverbrauchs durch das Abschalten unnötiger Geräte, wie etwa der Computer außerhalb der Dienstzeiten.

Umweltschützer wünschen mehr Schwung

Mehr Schwung bekäme die Aktion laut BUND-Vorstandsmitglied Werner Neumann auch, wenn das Land öffentlichkeitswirksamer spart. So könne der Wochenverbrauch am Gebäudeeingang dargestellt werden und das Land in einen Wettbewerb mit anderen Immobilienbetreibern treten.

Die FDP-Landtagsfraktion erneuerte ihre Kritik, die Landesregierung werde angesichts einer dramatischen Lage zu spät und zu wenig aktiv. Fraktionschef René Rock sagte, er frage sich, warum Hessen 15 Prozent einsparen wolle, wenn die Spar-Szenarien der Bundesnetzagentur auf Einsparungen von 20 Prozent beruhten. Er drängte wie schon in der jüngsten Landtagsdebatte zur Energiekrise, Ministerpräsident Rhein müsse einen Krisenstab einrichten. Das müsse dann auch Chefsache bleiben.

Dass die Landesregierung beim Energiesparen Vorbild sein will, lobt zwar die SPD-Fraktion. Als "besonders ärgerlich" und verpasste Chance bezeichnete es aber Stephan Grüger, ihr energiepolitische Sprecher, dass nicht auch gleich die Ausstattung der Landesliegenschaften mit Solaranlagen vorangetrieben werde. Grügers Vorwurf: "Der Showeffekt scheint auch hier wieder wichtiger zu sein, als tatkräftig zu Handeln."

Laufende Kontrolle

Ob in Hessen die Maßnahmen in der Landesverwaltung auch befolgt werden und wirksam sind, soll anhand des Wärme- und Stromverbrauchs laufend überprüft werden. Auch mittelfristige Maßnahmen werden laut Ministerpräsident Rhein und Wirtschaftsminister Al-Wazir angestoßen. Dazu zähle unter anderem die weitere Modernisierung von Heizungsanlagen.

Beide Regierungsvertreter betonten, Hessen beginne das Energiesparen nicht bei Null. In einer Nachhaltigkeitsstrategie hat sich das Land 2008 verpflichtet, von 2030 an mit einer klimaneutralen Verwaltung zu arbeiten. In der Zeit vom Start 2008 bis zum Jahr 2020 seien die Emissionen bereits um 65 Prozent verringert worden. 2020 lag der CO2-Ausstoß demnach um rund 300.000 Tonnen niedriger, als zwölf Jahre zuvor.

Unter anderem wurden für 160 Millionen Euro an die 100 Gebäude energetisch saniert. Zum gleichen Zweck werden in den kommenden Jahren 200 Millionen Euro in Hochschulgebäude gesteckt.

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