Philip Tietz

Gegen Spitzenreiter Schalke 04 hat Darmstadt 98 stark begonnen, sich dann aber zu viele Ausfälle geleistet. Nach der Partie lobten immerhin beide Trainer die Entwicklung der Lilien überschwänglich.

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Highlights: Darmstadt - Schalke

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Schalkes Trainer Mike Büskens war schon aus dem Medienraum getreten, da drehte er sich noch einmal zu Darmstadts Sportlichem Leiter Carsten Wehlmann um. "Riesen-Respekt vor dem, was ihr hier leistet", meinte Büskens. Schon zuvor hatte er die sportliche Arbeit der Lilien hervorgehoben, nun zeigte er zudem anerkennend auf die Baustelle der Haupttribüne: "Das wird super, wenn das auch noch fertig ist."

Die Eloge des Schalkers war keine joviale Geste des Siegers, sondern kündete von ehrlichem Respekt. Deutschlandweit ernten die Lilien Achtung für ihre Leistung auf und außerhalb des Rasens, beim 2:5 (2:3) gegen die Königsblauen aber wurden auch ihre natürlichen Grenzen offenbar.

Das "Bölle" bebt - 10.000-Mitglieder-Marke geknackt

Darmstadt 98 streckt sich in diesem Jahr über alle Maßen hinaus, um mit den vermeintlich Großen im Aufstiegsrennen mitzuhalten. Das gilt nicht nur fürs Team, sondern auch für das gesamte Umfeld. Am Sonntag hatte die organisierte Fanszene im ganzen Stadion Banner wie "Jede Stimme zählt" oder "Alle laut" hochgezogen. Über Mikrofon wurden die Ansagen des Vorsängers auch auf die Gegengerade übertragen, so stand immer wieder das gesamte Böllenfalltor auf und skandierte "Hier regiert der SVD".

Passend zur Feiertagsstimmung knackten die Lilien an diesem Tag die magische Grenze von 10.000 Mitgliedern. "Ich bin heute massiv stolz, dass ich Trainer der Lilien sein darf und das hier miterleben kann", sagte Coach Torsten Lieberknecht über die Atmosphäre. Er und sein Team wurden auch nach der Pleite minutenlang vom Stadion gefeiert. Der Coach deutete immer wieder an, vor dem Publikum den imaginären Hut zu ziehen.

Schuhens Stimme fehlt

Doch gegen Schalke 04 ließen sich auch die Wachstumsschmerzen des Überraschungsteams beobachten. Ausfälle konnte Lieberknechts Mannschaft die ganze Saison über durch ihre Geschlossenheit kompensieren, doch an diesem Tag waren es ein paar zu viel. Das begann mit dem verletzten Keeper Marcel Schuhen, der zwar noch in zivil den kompletten Spieltagskader im Kreis auf dem Rasen einschwor, dann aber als emotionales Korrektiv im Spiel fehlte. Vertreter Morten Behrens sah eigentlich nur bei einem Gegentor unglücklich aus, konnte aber naturgemäß nicht wie Schuhen das Team emotional aufrütteln.

In der Innenverteidigung erwischte Patric Pfeiffer, einer der besten Spieler der Saison, einen mehr als gebrauchten Tag und hatte gegen Schalkes Stürmer zu oft das Nachsehen. Sein Nebenmann Lasse Sobiech musste verletzt vom Platz, Vertreter Thomas Isherwood reicht nicht mehr an seine Form der Hinrunde. Dabei beging Darmstadts Hintermannschaft gar nicht mal so viele Fehler, doch jeder einzelne wurde von Schalke skrupellos bestraft.

Starke Offensive fällt in sich zusammen

So fiel das furiose Offensivspiel der ersten 35 Minuten mit einem hochschiebenden Tobias Kempe sowie den nimmermüde rochierenden Tim Skarke und Braydon Manu nach den Wirkungstreffern von Schalkes Marius Bülter in sich zusammen. "Das 2:4 hat uns den Stecker gezogen", konstatierte Lieberknecht. Denn nur eine Minute zuvor war der Ausgleich von Phillip Tietz wegen Abseits annulliert worden.

Der Angreifer symbolisierte wie kein anderer die vergebene Müh' des Außenseiters. Von Beginn an ruderte er mit den Armen, um das Publikum aufzupeitschen. Mit seinen zwei Treffern im ersten Durchgang ließ er seine lange verloren gegangene Kaltschnäuzigkeit wieder aufleben. "Die Schalker sind eiskalt vor dem Tor, aber wir können es auch. Mein Knoten ist schon gegen Heidenheim geplatzt", sagte der Doppeltorschütze in der ihm eigenen Art nach dem Spiel.

Handgreiflichkeiten auch nach der Partie

Schon zur Pause aber beschwerte er sich über die Fallsucht der Gäste, verstrickte sich am Ende der Partie dann in Scharmützel mit Schalkes Keeper Martin Fraisl. Tietz sagte: "Ich habe mich nach dem Spiel bei ihm entschuldigt." Die Partie verlief generell hitzig und war von vielen Unterbrechungen geprägt, die eher dem Spielfluss der Hausherren schadeten. Selbst nach dem Spiel lieferten sich beide Mannschaften eine handfeste Auseinandersetzung am Mittelkreis - wohl weil die Schalker zu aufreizend und nah an der Heimkurve gefeiert haben sollen.

Die Lilien ärgerten sich zudem über ein nicht geahndetes Ziehen des Schalker Rodrigo Zalazar an Kapitän Fabian Holland vor dem 1:1 und eine folgende Gelbe Karte für Trainer Lieberknecht. "Ich war zurecht enttäuscht, weil es ein klares Foulspiel war. Ich habe die Karte ohne jede Vorwarnung bekommen." Der Trainer fehlt damit beim kommenden Auswärtsspiel auf St. Pauli gelbgesperrt.

Beim nächsten Topspiel fehlt der Trainer

Die Hamburger liegen zwei Punkte vor den Lilien auf dem Relegationsrang - es ist ein weiteres Topspiel für Darmstadt 98. Die jüngsten Niederlagen in Bremen, Nürnberg und gegen Schalke sorgten ergebnistechnisch allesamt für Ernüchterung. Doch in allen Partien ließen Kleinigkeiten das Pendel gegen die engagierten Lilien ausschlagen, die noch immer mitten im Rennen um den Aufstieg liegen.

Von daher waren die Sätze von Tietz keinesfalls kühn, der ohne diplomatische Umschweife ankündigte: "Es sind noch zwölf Punkte zu vergeben. Mir ist kackegal, was die anderen machen. Wir werden alles geben. Dafür kann ich meine beiden Hände ins Feuer legen."