Jubel bei Wehlmann von Darmstadt 98

Der SV Darmstadt 98 macht die Rückkehr in die Bundesliga perfekt und startet unter der Regie von Feierbiest Clemens Riedel noch im Stadion die Aufstiegs-Sause. Bei allen Beteiligten ist aber vor allem eines zu spüren: große Erleichterung.

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Südhessische Glückseligkeit: Darmstadt 98 steigt auf

Das Team von Darmstadt 98 bejubelt den Aufstieg.
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Carsten Wehlmann musste wenige Minuten nach Beginn der Aufstiegsfeier von Darmstadt 98 erst einmal eine Pause einlegen. Während vor dem Kabinengang die Spieler und tausende Fans den Aufstieg in die Bundesliga besangen, zog sich der Sportliche Leiter der Lilien zurück und gönnte sich unter der Haupttribüne erst einmal eine Zigarette und ein Kaltgetränk.

Mit vor Bier triefenden Haaren atmete Wehlmann tief durch und ließ das Erlebte kurz sacken. "Mein Handy vibriert in einer Tour. Es muss etwas Außergewöhnliches passiert sein", sagte er wenige Minuten später und lieferte damit die passenden Worte zu den Ereignissen am Freitagabend. Die Lilien sind zurück in der Bundesliga. Richtig begreifen konnte das nach Abpfiff des 1:0-Siegs gegen den 1. FC Magdeburg aber niemand.

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Highlights: SV Darmstadt 98 - 1.FC Magdeburg

Die Wappen von Darmstadt 98 und dem 1. FC Magedburg. Text: "Highlights"
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Auf Nervosität folgt Erleichterung

Zwar war die Begeisterung über den insgesamt vierten Aufstieg ins Oberhaus des deutschen Fußballs überall spür-, seh- und vor allem hörbar. Die Fans der Südhessen hatten im Moment des feststehenden Sieges den Platz gestürmt und sofort alle verfügbaren Gassenhauer angestimmt. Als das Jubel-Knäuel entflochten war und sich die Mannschaft wiedergefunden hatte, fielen sich Spieler, Mitglieder des Trainerteams, herangeeilte Familienangehörige und alle anderen Beteiligten immer wieder in die Arme und schrien ihre Freude heraus.

Dass der SVD tatsächlich schon wieder aufgestiegen ist und damit eine ebenso verrückte wie nervenaufreibende Saison krönte, musste in den Köpfen aber erst einmal ankommen. "Ich bin total verwirrt. Ich wusste eben nicht mehr, wie Marvin Mehlem heißt", sagte Siegtor-Schütze Phillip Tietz. Nach den zwei vergebenen Matchbällen gegen den FC St. Pauli und bei Hannover 96 waren den Lilien vor dem Spiel die Nervosität genauso anzumerken wie nach dem Spiel die Erleichterung.

Toni Sailer schmerzlich vermisst

Anders als noch beim Aufstieg vor neun Jahren, als Toni Sailer oberkörperfrei und mit einem XXL-Bierglas in der Hand den Startschuss für einen mehrtägigen Ausnahmezustand inklusive Abstecher nach Mallorca gab, mischten sich am Freitag auch immer wieder leisere Töne ein. "Ich bin einfach leer in meiner Gedankenwelt", gestand ein erstaunlich gefasster und sachlicher Trainer Torsten Lieberknecht auf der Pressekonferenz. Der 49-Jährige analysierte mit ruhiger Stimme sowohl die vorangegangen 90 Minuten als auch die vorangegangen 33 Spieltage und schob dann nur zur Sicherheit nach: "Ich freue mich natürlich wahnsinnig."

Nach dem Schluss-Drama in der vergangenen Saison, als die Lilien am vorletzten Spieltag die Teilnahme an der Relegation vergeigt hatten, und dem dann doch großen Zittern vor dem dritten von maximal vier Matchbällen in dieser Spielzeit reichte die Kraft zunächst nicht mehr für die komplette Ekstase. Lieberknecht, der zugab, dass ein Aufstieg-Finale am letzten Spieltag in Fürth eine mentale Katastrophe gewesen wäre, musste sich erst einmal schütteln. "Ich weiß nicht, ob wir die Energie noch einmal hätten aufbringen können, wenn wir es heute nicht geschafft hätten."

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Die verrückte Aufstiegssaison von Darmstadt 98 in Bildern

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Die Lilien, die sich diesen Aufstieg erkämpft und verdient haben, hatten in den vergangenen Tagen – trotz anderslautender Bekräftigungen – viel zu knabbern und mit sich selbst zu tun. Der einst so komfortable Vorsprung auf die Verfolger aus Heidenheim und Hamburg drohte weiter zusammenzuschmelzen. Ein weiterer Patzer hätte die komplette Saison gefährdet. "Wir mussten in unserem Glauben bleiben. Das war die größte Herausforderung", so Lieberknecht. Markige Sprüche? Ebenso Fehlanzeige wie die sonst obligatorische Bierdusche der Spieler auf der Pressekonferenz.

Riedel überzeugt als Einheizer

Und so war es Youngster Clemens Riedel vorbehalten, die Stimmung im umgebauten Stadion am Böllenfalltor hochzuhalten. Das 19 Jahre alte Küken im Darmstädter Kader, das schon in der Mixed Zone eine große Party angekündigt hatte, schnappte sich während der Feierlichkeiten das Mikrofon des Stadionsprechers und überzeugte prompt als Einheizer. Eine Humba hier, eine Die-Sonne-scheint-Vereinshymne da. Riedel, auf dem Platz ein abgekühlter Defensivspieler, ging voll in die Offensive. "Es ist unbeschreiblich. Wir spielen nächstes Jahr einfach in der Bundesliga", jubelte er.

Der SV Darmstadt 98 wird in der kommenden Spielzeit auf den FC Bayern und Borussia Dortmund treffen. Es gibt zwei Derbys gegen Eintracht Frankfurt und höchstwahrscheinlich 17 Heimspiele vor vollen Rängen. Die Lilien sind wieder da. "Das hätte ich mir bei meinem Amtsantritt vor fünf Jahren niemals träumen lassen. Ich bin überwältigt", beteuerte Wehlmann, der dann doch noch zur großen gemeinsamen Feier aufrief: "Jetzt werden wir es erst einmal richtig laufen lassen." Einen guten Grund dafür gibt es allemal. Es ist ja noch mal gutgegangen.