Die Mannschaft posiert mit dem Pokal vor den Fans.

Es begann mit Blut und endete mit Freudentränen: Eintracht Frankfurt erfüllt sich den größten Traum und holt in einem an Dramatik nicht zu überbietenden Finale den Europa-League-Titel. Klar ist: Dieser 18. Mai wird lange nachhallen.

Es war schon weit nach Mitternacht in dieser historischen Nacht von Sevilla, als Oliver Glasner noch einmal richtig Anlauf nahm. Der Trainer von Eintracht Frankfurt rief seine Spieler dazu auf, eine Gasse zu bilden. Dann setzte der Österreicher zum Diver an und rutschte auf dem Bauch in Richtung Siegerehrung. Einmal kurz geschüttelt, versichert, dass die Hose nicht wie in Barcelona kaputtgegangen war, dann gab es die verdiente Medaille. In Gold. Für den Titel in der Europa League. Ein episches Ereignis für Stadt, Club und Fans.

"Das ist der größte Moment der Vereinsgeschichte", ordnete Präsident Peter Fischer den dramatischen 5:4-Sieg im Elfmeterschießen gegen die Glasgow Rangers kurz nach Abpfiff gewohnt nüchtern ein. Die Hessen hatten zuvor eine Saison, in der lange nicht viel zusammenlief, in einem Endspiel, in dem zwischenzeitlich sehr viel schieflief, mit der Erfüllung des großen Traums gekrönt: dem ersten europäischen Erfolg seit 42 Jahren, dem zweiten europäischen Erfolg überhaupt. Und das im Jahr, in dem Jürgen Grabowski verstarb. Was für eine Geschichte.

Rode als Symbolfigur

Begonnen hatte dieser epische Abend, den die Fans mit einer erneut beeindruckenden Choreo gebührend eingeläutet hatten, zunächst mit einer Schrecksekunde. Sebastian Rode, der Kämpfer im Mittelfeld, wurde nach wenigen Minuten von seinem Gegenspieler Jon Lundstram so unglücklich am Kopf getroffen, dass er sofort stark blutete und einen Turban tragen musste. Rode wechselte kurzerhand das blutverschmierte Trikot und spielte weiter. Ein Bild, das das Spiel gut charakterisierte. Denn beide Teams gingen über die Schmerzgrenze.

Fußballerisch hochklassig war das Finale im Estadio Ramon Sanchez Pizjuan sicher nicht. Die Intensität und Leidenschaft, die die Eintracht und die Rangers bei tropischen Temperaturen auf den Rasen brannten, rissen aber jeden der 38.842 Zuschauern aus den roten Plastik-Schalen. Die unverdiente Führung der Schotten, die davon profitierten, dass Abwehrchef Tuta im entscheidenden Laufduell mit Torschütze Joe Aribo einen Krampf bekam und einfach umfiel (57.), konterte Rafael Borré (69.). Die Entscheidung fiel dann nach 120 umkämpften Minuten vom Punkt.

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Eintrachts Weg zum Europa-League-Titel

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Trapp gibt den Party-Startschuss

Matchwinner Kevin Trapp parierte den vierten Rangers-Elfmeter von Aaron Ramsey, Borré jagte den fünften Strafstoß der Eintracht ins Netz. Der Rest war grenzenloser Jubel, jede Menge Freudetränen und wild tanzende Frankfurter Fußballer. Filip Kostic raste schon vor der Pokal-Übergabe überglücklich in Richtung Kurve und ließ sich feiern. Timothy Chandler war es vorbehalten, den Pokal im Vollsprint den Fans zu präsentieren. Später auf der Pressekonferenz gab es zur Krönung die obligatorische Bierdusche für Trainer Oliver Glasner und Kevin Trapp.

"Es war nicht hochdramatisch, es war turbodramatisch", fasste Vorstandssprecher Axel Hellmann den Abend passend zusammen. Die Eintracht bewies wieder einmal, dass sie in diesem Jahr in diesem Wettbewerb einfach nicht aufzuhalten war und diesen Titel mit aller Macht gewinnen wollte. "Wir sind wie so oft in der Europa League nach einem Rückschlag zurückgekommen", betonte Glasner. "Wir haben wieder einmal gezeigt, was uns ausmacht."

Jetzt wartet die Champions League

Dieser unbändige Wille, den die Hessen in dieser Spielzeit regelmäßig in der Europa League, aber viel zu selten in der Bundesliga gezeigt haben, machte gegen die ebenfalls aufopferungsvoll kämpfenden Rangers letztlich den Unterschied aus. Und führt nun dazu, dass die Eintracht in der kommenden Saison erstmals in der Geschichte des Clubs in der Champions League starten darf. "Alles, was jetzt kommt, ist einfach nur wunderschön", beschrieb Torhüter Trapp seine Gefühlslage. Die Eintracht in der Königsklasse, das ist ein finanzieller und emotionaler Quantensprung. Dieser 18. Mai von Sevilla wird etwas verändern. Der Club schickt sich an, die Großen noch etwas penetranter zu ärgern.

"Es ist ein Traum, mit der Eintracht diesen Titel zu gewinnen", unterstrich Kapitän Rode, der 2011 mit den Frankfurtern abgestiegen war und nun sein Karriere-Highlight erleben durfte. "Es wird ein paar Jahre dauern, bis einem die Tragweite bewusst ist." Bis es soweit ist und die Eintracht, die zudem im August noch den Supercup gegen den FC Liverpool oder Real Madrid bestreiten darf, zum ersten Mal zu den Klängen der Champions-League-Hymne auf den Rasen läuft, darf aber erst einmal gefeiert werden.

Empfang am Römer am Donnerstag

Nach der Party-Nacht von Sevilla wartet am Donnerstag der Empfang am Frankfurter Römer mit mindestens 100.000 Fans (live im hr). Die Mannschaft wird mit Cabrios vom Flughafen zum Rathaus-Balkon kutschiert und die Stadt endgültig in einen Ausnahmezustand versetzen. "Wir dürfen morgen zum ersten Mal seit 42 Jahren diesen Pott allen in Frankfurt zeigen. Das wird der schönste Tag in meiner Karriere", so Trapp. Trainer Glasner ergänzte: "Ich feier jetzt bis Samstag durch, am Sonntag geht's dann in den Urlaub." Verdient ist es allemal.