Fans Europa League gegen West Ham

Vor 62 Jahren war Adolf Schmidt beim 6:1-Sieg seiner Eintracht gegen die Glasgow Rangers dabei. Nun fährt der 80-Jährige auch zum Europa-League-Finale nach Sevilla - mit Kindern und Kindeskindern.

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Die unglaubliche Fan-Familien-Tour des 80-jährigen Adolf Schmidt nach Sevilla

Die Eintracht-Fan-Familie: Der 80-jähreige Adolf (li.) und sein Sohn Martin Schmidt
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Alles begann gegen Mitternacht im elterlichen Wohnzimmer in Gelnhausen. Gerade hatte die Eintracht im Halbfinal-Hinspiel furios mit 2:1 bei West Ham United gewonnen. Die Familie Schmidt hatte gemeinsam vor dem Fernseher mitgefiebert. Der Optimismus war riesig. Die beiden Brüder Martin und Benjamin suchten im Internet schon mal nach Flügen zum Endspielort Sevilla. Und auf einmal gab es diesen Plan: Der 80-jährige Vater Adolf sollte unbedingt mit zum Finale.

Spontane Zusage nach einigen Bierchen

"Ich war ziemlich überrascht, wie mich meine beiden Söhne quasi vor vollendete Tatsachen gestellt haben. Sie sagten, 'Vater, du musst mit nach Sevilla fahren'. Da die Eintracht so gut gespielt hatte und ich auch einige Bier getrunken hatte, habe ich spontan zugesagt", beschrieb Schmidt im Interview mit dem hr-sport die Situation, die sich Ende April im Elternhaus abgespielt hatte. Seine Frau habe sich noch ein wenig gewundert, aber der Endspiel-Entschluss von Adolf Schmidt stand fest.

Nachdem die Eintracht auch das Rückspiel gegen West Ham gewonnen hatte, war der Weg zum Finale frei, auch für die Familie aus Gelnhausen: für die beiden Söhne, den 17-jährigen Enkel Hannes und für den 80-jährigen Adolf, für den sich ein Kreis schließt. Denn er war schon einmal bei einem denkwürdigen Europapokal-Spiel der Eintracht gegen die Glasgow Rangers. Im April 1960 im Halbfinale des Landesmeister-Pokals.

Erinnerungen an das glorreiche 6:1 gegen die Glasgow Rangers

An das Hinspiel gegen Glasgow kann sich Schmidt noch gut erinnern. Im Alter von 18 Jahren war er im brodelnden Waldstadion dabei. Der 6:1-Sieg riss alle mit: "Die ganze Stadt hat mitgefiebert. Das Stadion war mit 72.000 Zuschauern ausverkauft." Damals gab es fast nur Stehplätze im Stadion. Doch auch die Zuschauer auf den Sitzplätzen hätten damals gestanden. So furios sei das Spiel gewesen. "Die Euphorie war riesengroß, vor allem in der zweiten Halbzeit, in der Tor um Tor fiel."

Eintracht Frankfurt am 13. April 1960 gegen die Glasgow Rangers

Doch eines war anders: Eine einheitliche Fankleidung gab es 1960 im großen Halbfinale gegen Glasgow nicht. "Im Stadion waren damals nicht alle in Weiß wie jetzt bei den Spielen. Jeder ist in normalen Klamotten gekommen." Fan-Utensilien wie Schals oder Trikots habe es kaum gegeben. Die Halbfinalspiele gegen Glasgow wurden mit 6:1 im Hin- und 6:3 im Rückspiel gewonnen. Die Eintracht scheiterte damals erst im Finale in einem weiteren denkwürdigen Spiel gegen Real Madrid mit 3:7.

Der 80-Jährige fährt ohne Ticket nach Sevilla

Jetzt halt das Endspiel 2022 in Sevilla. Die Anreise der Drei-Generationen-Fan-Familie Schmidt ist denkbar abenteuerlich. Am späten Dienstagnachmittag geht es mit dem Flieger über Basel nach Malaga. Von dort mit dem Leihwagen die Küste entlang nach Jerez. Dort hat die Familie Schmidt ihr Hotel, die Zimmer in Sevilla sind einfach unerschwinglich teuer. Am Mittwoch, am Final-Tag, geht’s dann mit dem Zug nach Sevilla. Nach dem Spiel irgendwann die 90 Kilometer mit dem Taxi zurück nach Jerez.

Noch haben nicht alle Schmidts eine Eintrittskarte. Vor Ort in Sevilla wollen sie ihr Glück versuchen. Kein Problem für den 80-jährigen Vater: "Ich freu mich, wenn wir in Sevilla sind, egal ob mit oder ohne Karte. Wenn wir keine Karte kriegen, dann stehen wir halt irgendwo vor dem Public Viewing, brüllen genauso, als wenn wir im Stadion wären, und freuen uns genauso über den Sieg."

Über den Sieg. So denkt ein echter Fan. Zweifel gibt es nicht. Sonst bräuchten die Schmidts aus Gelnhausen ja gar nicht erst anreisen. Eines ist jedoch schon vor dem Anpfiff klar: Für den 80-jährigen Adolf, seine Söhne Martin und Benjamin und Enkel Hannes ist der Trip zum Eintracht-Finale wohl der schönste Familienausflug ihres Lebens.