Eintracht im Teamcheck Frankfurter Sorgenkinder mausern sich zum Topteam
Eintracht Frankfurt überwintert nach einem katastrophalen Saisonstart auf Platz sechs und bewirbt sich um eine weitere Saison in Europa. Trainer Oliver Glasner beweist seine Klasse, mit gezielten Transfers wäre Großes möglich. Der Teamcheck.
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Eintracht Frankfurt startet als Bundesliga-Sechster ins neue Jahr und steht zudem schon sicher im Achtelfinale der Europa League. Eine Ausgangsposition, die so noch vor wenigen Monaten komplett unrealistisch schien. Trainer Oliver Glasner hat sich und sein Team weiterentwickelt. Leicht war das aber nicht. Der Teamcheck im Überblick.
So lief die Hinrunde
Erst sehr holprig, dann wie aus einem Guss: Nach den Verlusten von Trainer Adi Hütter, Sportvorstand Fredi Bobic, Toptorjäger André Silva und Spielmacher-Stinkstiefel Amin Younes musste der neue Übungsleiter Oliver Glasner im Sommer erst einmal die Scherben aufkehren und gegen jede Menge Widerstände ankämpfen. Auf das blamable Aus im DFB-Pokal bei Drittligist Waldhof Mannheim folgten zehn Ligaspiele mit lediglich einem Sieg und spätestens nach der 0:2-Niederlage in Bochum tatsächlich Abstiegsangst. Das war Ende Oktober.
Seitdem zogen die Hessen nicht nur als Gruppensieger ins Achtelfinale der Europa League ein, sondern gewannen auch noch sechs der sieben verbliebenen Bundesliga-Partien. Mit einem Mix aus Mentalität, die wettbewerbsübergreifend zu sechs Toren in der Nachspielzeit führte, körperlicher Stärke und einer fußballerischen Weiterentwicklung stürmten die ehemaligen Sorgenkinder ins obere Tabellen-Drittel. "Ich kann das eigentlich gar nicht glauben", zeigte sich selbst Trainer Glasner überrascht. "Das war eine sehr, sehr gute Hinrunde." Aber auch eine mit sehr, sehr großen Anlaufschwierigkeiten.
Wer kommt, wer geht
Fixe Zu- oder Abgänge gibt es bei der Eintracht derzeit noch nicht, bis zum Ende der Transferfrist wird sich das aber ändern. Ganz oben auf der Einkaufsliste: Stürmer Randal Kolo Muani vom FC Nantes und Offensiv-Talent Faride Alidou vom Hamburger SV. Mit beiden Spielern soll sich die Eintracht bereits einig sein. Da beide im Sommer ablösefrei wären, ist der Zeitpunkt des Wechsels aber noch offen. Eine weitere Option ist der französische Linksverteidiger Anthony Caci von Racing Straßburg, auch ihn könnte die Eintracht nach der Saison zum Nulltarif verpflichten.
Klar ist: Trotz der Steigerung in der Offensive würde ein echter Mittelstürmer die Qualität des Kaders noch einmal drastisch erhöhen. Sam Lammers, der für diesen Job geholt wurde, hat sich als Fehleinkauf erwiesen, Aushilfs-Neuner Rafael Borré hat seine Stärken eher als Vorbereiter. Muani, der schon lange im Frankfurter Fokus ist und für den die Eintracht schon einmal ein Angebot abgegeben hatte, könnte die größte Lücke im Aufgebot schließen und für mehr Flexibilität und Torgefahr sorgen. Auch ein Pendant zu Filip Kostic auf der rechten Seite würde die Chancen auf Europa vergrößern, diese Baustelle hat bei der Eintracht aber fast schon Tradition.
Den Verein verlassen soll im Gegenzug (endlich) Ex-Nationalspieler Younes, der seit Monaten freigestellt ist. Spannend bleibt es zudem in der Causa Fabio Blanco. Das spanische Toptalent hat es sich mit Trainer Glasner verscherzt und drängt seinerseits auf einen Abgang. Ein Ende des Missverständnisses wäre wohl für beide Seiten das Beste.
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Der Trainer
Auch Coach Glasner musste sich in dieser Saison – und in Frankfurt – erst zurechtfinden. Der Österreicher, der den VfL Wolfsburg seelenruhig in die Champions League geführt und dann wegen Unstimmigkeiten mit Geschäftsführer Jörg Schmadtke verlassen hatte, musste seine Ambitionen und Ziele in der Anfangsphase recht schnell korrigieren und sich selbst etwas einbremsen. Nach dem großen personellen Umbruch im Sommer wirkten seine Ideen auf die Mannschaft zunächst eher hemmend als helfend. Hin und wieder sah es fast so, als sei dieser Trainer zu gut für seine Spieler.
Umso höher ist es Glasner anzurechnen, dass er nie den Glauben verlor und die Wende mit Bravour schaffte. Er und das Team, das beweisen die zahlreichen Jubeltrauben nach Last-Minute-Toren, wuchsen immer enger zusammen und kämpften sich gemeinsam aus der Krise. Zunächst mit Willen und (erzwungenem) Glück, irgendwann mit fußballerischer Klasse. Vor allem bei den abschließenden Siegen gegen Leverkusen, in Gladbach und gegen Mainz war die Handschrift des Trainers klar zu erkennen. Die Eintracht hat sich dank Glasner zu einem Topteam gemausert. Jetzt gilt es, diese Form zu bestätigen.
Erwartungen an die Saison
Mit den Erwartungen ist es in Frankfurt so eine Sache. Nach dem katastrophalen Saisonstart wäre wohl jeder mit einem Mittelfeldplatz und ein paar Highlight-Spielen in der Europa League zufrieden gewesen, der furiose Endspurt hat nun aber Hoffnungen geweckt. Platz drei ist nur zwei Punkte entfernt. Siege gegen die Tabellennachbarn Freiburg, Leverkusen, Union Berlin und Mainz sowie der Coup beim FC Bayern zeigen, dass die Hessen nicht ganz umsonst auf einem Europacup-Platz stehen. Plötzlich scheint selbst die Champions League nicht ausgeschlossen.
Die Voraussetzungen für den ganz großen Wurf: Die Eintracht schlägt auf dem Transfermarkt zu und präsentiert einen echten Torjäger. Die Abwehr und die Doppelsechs bleiben von Verletzungen verschont. Und die in der Theorie besseren Teams aus Leipzig, Gladbach und Wolfsburg, die aktuell in der zweiten Tabellenhälfte umherkrebsen, starten nicht allesamt eine erfolgreiche Aufholjagd. Die Eintracht ist ein heißer Kandidat für den europäischen Wettbewerb. Wer hätte das im Oktober gedacht?