Die Eintracht-Spieler feiern nach dem Sieg.

Kreisliga-Liberos, Disco-Türsteher und ein DJ: Die Frankfurter Mannschaft liefert in dieser Saison beeindruckende Geschichten. Hier kommt die ultimative Lobhudelei auf die 15 Europa-League-Helden vom Main.

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Die komplette Eintracht-PK nach dem Spiel gegen West Ham

Oliver Glasner
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Eintracht Frankfurt steht nach dem 1:0-Sieg im Rückspiel der Europa League gegen West Ham sensationell im Finale. Die Mannschaft wuchs im Wettbewerb mit jeder Runde mehr über sich hinaus und lässt Erinnerungen wach werden an den letzten deutschen Gewinner des Wettbewerbs, die Schalker "Eurofighter" im Jahr 1997. Die 15 am Donnerstag eingesetzten Spieler haben in dieser Saison bereits ihre eigenen Geschichten geschrieben:

Kevin Trapp: Eigentlich müsste die Eintracht auch einen Präsentkorb die Straße rüber zur Otto-Fleck-Schneise tragen, zu Händen Hansi Flick. Als der Bundestrainer im Spätherbst auf eine Nominierung von Eintrachts Keeper verzichtete, stachelte er Trapp womöglich zur Form seines Lebens an. Angefangen mit der Weltklasseleistung in München über den Galaauftritt in Barcelona bis hin zum Rückspiel gegen West Ham - der frühere Nationalkeeper Uli Stein hält Trapp derzeit sogar für besser als Manuel Neuer. Und wenn einer weiß, wie man souverän auf Degradierungen im Tor der Nationalmannschaft reagiert, dann Stein.

Tuta: Gut möglich, dass das Wort Passsicherheit beim Brasilianer eine andere Bedeutung bekommt und noch einmal sein Alter nachgeprüft wird. Denn laut Ausweis zählt Tuta gerade einmal 22 Jahre, spielt aber schon wie ein alter Hase(be). So ließ er in London den Ausfall von Evan N'Dicka, beim Rückspiel jenen von Martin Hinteregger vergessen. Tuta organisierte die Kette wie ein abgebrühter, 35-jähriger Libero-Oldie bei einem gewöhnlichen Kreisliga-Kick und müsste folgerichtig am Donnerstag auch zwischendrin gerufen haben: "Raaaaauuus, Männer", "Der hat nur n' Linken" und "Wir müssen alle morgen wieder arbeiten".

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Choreo, Platzsturm, Party: Die Bildergalerie vom Eintracht-Finaleinzug

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Evan N'Dicka: Einer der besten Spieler nicht nur am Donnerstag, sondern schon in der gesamten Saison. In Piräus leitete er das entscheidende Tor auf Socken ein, gegen West Ham hatte er immer wieder einen Fuß dazwischen. Kompromissloser wurden Engländer nur von Disco-Türstehern in Magaluf abgeräumt.

Martin Hinteregger/ Almamy Touré: Der Österreicher musste früh mit einer Oberschenkelverletzung vom Feld. Touré zeigte "aus der Kalten" zwar einige Wackler, aber fügte sich wie schon in London hervorragend in den Defensivverbund ein. Eine besondere Geschichte: Touré erfuhr, wie das englische Kind Joe Bryant das Waldstadion aus Lego nachbaut und lud ihn persönlich zum Spiel in London ein. Bryant kündigte an: "Wenn ich mit dem Stadion fertig bin, gibt es ein großes Geschenk für meinen Freund Almamy."

Sebastian Rode: Eigentlich hatte Rode schon zugegeben, in dieser Saison nicht mehr seinen vollen Fitnesszustand erreichen zu können. Dafür allerdings präsentierte sich der Routinier tadellos, beeindruckte schon in London im Positionsspiel so sehr, dass ihn Glasner wieder für Kristijan Jakic auflaufen ließ. Vor dem Abpfiff rannte der ausgewechselte Rode dann noch zu den Fans, um sie von einer zu frühen Stürmung des Rasens abzuhalten. Und selbst diese wohl kniffligste Aufgabe meisterte er.

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Rote Karte, Tor, Jubel - die Highlights des Eintracht-Siegs zum Nachhören

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Djibril Sow: 97,6 Prozent - was nach Wahlergebnissen aus der DDR-Geschichte klingt, ist tatsächlich die Passgenauigkeit von Djibril Sow im Rückspiel gegen West Ham. Sow war wieder einmal der "Spiritus Rector" im Spiel der Eintracht, und das nur wenige Wochen nach seiner Innenbanddehnung. Um es mit einer Huldigung der Liverpooler Fans für die andere "Passmaschine" Thiago zu formulieren: Sow hätte selbst Shania Twain ("That don't impress me much") beeindruckt.

Ansgar Knauff: Sehr lange Zeit hätte der Platzwart im Frankfurter Waldstadion die rechte offensive Bahn der Eintracht auch nicht mähen müssen. Alle Angriffe liefen über links und Filip Kostic, bis Vorstand Markus Krösche Knauff vom BVB auslieh. Der hatte im Winter bei der zweiten Dortmunder Mannschaft noch gegen Viktoria Köln oder den SC Verl gespielt. Nun traf er gegen West Ham und Barcelona. Und Frankfurt greift nun tatsächlich über beide Seiten an - mit der "Knauffzange".

Filip Kostic: Noch im vergangenen Sommer wollte sich Kostic wegstreiken und reiste nicht mit zur Partie in Bielefeld. Die große Frage lautete: Bekommen die Frankfurter den wechselwilligen Serben wieder zurück in die Spur? Sie bekamen es - was sowohl eine große Leistung von Trainer Oliver Glasner als auch natürlich von Kostic selbst war. Die Pointe des Streiks: Kostic wollte woanders Titel gewinnen und Champions League spielen; beides kann er nun mit der Eintracht schaffen.

Eintracht Frankfurt Jubel Fans

Jens Petter Hauge: Nach dem Ausfall von Jesper Lindström bereitete die Form von Ersatz Hauge im Vorfeld große Sorgen. Zu schwach hatte sich der Norweger bei den jüngsten Auftritten in London und Leverkusen präsentiert. Hauge agierte bislang ähnlich bemüht, aber erfolglos wie unzählige Journalisten bei der korrekten Aussprache seines Nachnamens. Am Donnerstag aber lief und ackerte er, forcierte mit seinem Antritt den Platzverweis der Gäste und streute mit einem Hackentrick sogar Kabinettstückchen ein. Weil er sich die beste Leistung fürs Halbfinale aufgespart hat, könnte er in Deutschland ein Testimonial in Sachen Energieffizienz werden.

Daichi Kamada: 30 Spiele in der Bundesliga, vier Tore. Zwölf Spiele in der Europa League, fünf Tore. Wohl keiner symbolisiert die Metamorphose dieser Mannschaft in internationalen Spielen so sehr wie der Japaner. Wie drückte es Felix Magath einmal treffend aus: "Das war europäische Weltklasse."

Rafael Borré: Der Kolumbianer ist qua Stellenbeschreibung zwar Stürmer, agierte in dieser Saison aber oft genug als erster Verteidiger. Bei all dem Laufen und Grätschen fehlte ihm naturgemäß irgendwann die Ruhe beim Torabschluss. Doch schon in Barcelona und nun gegen West Ham erzielte er entscheidende Treffer - defensiv rieb er sich in bekannter Manier auf. Bei gegnerischen Ecken hielt er West Hams Hünen Michail Antonio in Schach. Und könnte sich damit auch fürs Armdrücken mit Ralf Moeller qualifiziert haben.

Die Eingewechselten: Kristijan Jakic warf sich in seiner bekannten Art mit allen zur Verfügung stehenden Körperteilen ins Spiel, Goncalo Paciencia hatte Sekunden nach seiner Einwechslung eine große Chance, führte später die Jubel-Polonaise als DJ an, und Ajdin Hrustic brachte den Finaleinzug mit über die Ziellinie. Timothy Chandler kam nicht zum Einsatz, sah aber die Gelbe Karte und wurde beim TV-Interview einfach auf den Schultern der Fans in die Nacht getragen. Es war das passende Bild für die Frankfurter Europa-League-Saison.

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Frankfurt feiert Eintracht-Final-Einzug

hessenschau von 16:45 Uhr
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