Martin Hinteregger

Eintracht Frankfurt zeigt in Europa, was für einen Verein möglich ist, wenn er eine Einheit mit seinen Fans bildet. Sollte es der Klub ins Finale schaffen, könnte sich in Sevilla ein ganz großer Kreis schließen.

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Die komplette Eintracht-PK nach dem Spiel gegen West Ham

Oliver Glasner
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Die Bilder ähneln sich, die Szenerie ähnelt sich, sogar die Stadt ist dieselbe. Aber die Unterschiede sind frappierend. Lachende Gesichter, geballte Fäuste, in der Mitte Martin Hinteregger, der nach dem 2:1-Sieg der Eintracht bei West Ham United von strahlenden Eintracht-Fans umarmt wird. Ein Gemälde der Freude.

Drei Jahre ist es her, dass Hinteregger im Halbfinale gegen Chelsea in London ebenfalls bei den Fans stand. Hinteregger hatte Tränen in den Augen, die Last seines verschossenen Elfmeters beim Ausscheiden der Eintracht schien ihn fast zu erdrücken, als er zu den Fans ging. Und die? Nahmen ihn in den Arm, trösteten ihn, ein Foto von Hinteregger, wie er mit geschlossenen Augen an der Brust eines Fans lehnt, ist eines der ikonischsten Bilder der jüngeren Vereinsgeschichte. Man kann Poster davon kaufen. Eines davon hängt bei Hinteregger zuhause.

Die Spieler wussten: Wir sind hier nicht allein

Das Bild ist auch deswegen ikonisch, weil es symbolisiert, was Eintracht Frankfurt in den besten Momenten – und von denen gibt es viele in den letzten Jahren – ist: Eine Symbiose von Verein, Mannschaft und Fans, eine Einheit, eben das, was der Name schon vorgibt: Eine Eintracht. Wer in Barcelona dabei war, wer auch 2018/19 dabei war, gegen Donezk, Inter, Benfica, ein Jahr später gegen Straßburg, der weiß, dass die Fans mitentscheidend für die Siege waren. Dass die Energie, die von den Rängen kam, oft so groß wurde, dass der Gegner früher oder später einknickte. Auch bei West Ham hörte man die Eintracht-Fans deutlich, jeder Frankfurter Spieler auf dem Platz wusste: Wir sind hier nicht allein.

Diese Hingabe ist nicht an Erfolg gekoppelt, sie gilt auch, wenn es mal schlechte Zeiten gibt, jemand aus dem Kreis der "heiligen Gemeinschaft", wie die Fans sie besingen, einen wichtigen Elfmeter verschießt. Und das hängt natürlich zusammen. Die schlechten Zeiten sind ja noch nicht lange her, "zweite Liga, tut schon weh, scheißegal, SGE", sang man einst. Umso süßer schmecken die aktuellen guten. Weil sie so unverhofft kommen.

Die Freude, die Fassungslosigkeit

Man muss ja nur die Bilder betrachten, die Freude, die Fassungslosigkeit. Vor sechs Jahren spielte die Eintracht in der Relegation gegen den Abstieg, wer hätte da von West Ham geträumt, von Inter, Benfica, vom epischen Camp Nou? Von einem Pokalsieg 2018, der den Verein tatsächlich verändert zu haben scheint. Auch deshalb ist das Band zwischen Verein, Mannschaft und Fans so eng: aus Dankbarkeit. Und weil man eben weiß, dass das alles nicht selbstverständlich ist.

Zwei Europa-League-Halbfinals in drei Jahren, wie sollte das auch selbstverständlich sein? Und bald ein Finale? Für Martin Hinteregger hat sich in den Armen der Fans in London womöglich ein persönlicher Kreis geschlossen, doch in der Hand hat die Eintracht noch nichts, das Rückspiel gegen West Ham wird schwer. Aber diese Eintracht hätte das Finale verdient. Und es ist ihr alles zuzutrauen.

"Mit dem Jürgen, mit dem Jürgen"

Und es geht um viel, um einen viel größeren Kreis, der sich für den gesamten Verein schließen könnte. In dem Jahr, in dem Eintracht Frankfurts größter Spieler Jürgen Grabowski verstorben ist, jener Grabowski, von dem die Fans noch immer singen: "Wir haben die Eintracht im Endspiel gesehen, mit dem Jürgen, mit dem Jürgen"; in genau diesem Jahr könnte Eintracht Frankfurt zum zweiten Mal Europacup-Sieger werden. Und was wäre das für eine Geschichte?